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Der konfigurierbare Raumklang-Prozessor von TI liefert ein breites Klangerlebnis.

Der konfigurierbare Raumklang-Prozessor von TI liefert ein breites Klangerlebnis.Texas Instruments

Räumliches Sehen und Hören basieren in erster Näherung auf dem gleichen Prinzip: Wir besitzen je zwei Sensoren und aus der Differenz der Signale an beiden Orten entsteht der räumliche Eindruck. Die physikalischen Effekte, die unsere Sinnesorgane dazu auswerten, unterscheiden sich allerdings – und damit auch die technischen Lösungen, um 3D-Eindrücke nachzubilden.

Beim 3D-Sehen ist die Situation vergleichsweise klar: Beide Augen erhalten je ihr eigenes Bild aus einer anderen Perspektive. 3D-Fernseher nutzen in der Regel Shutter- oder Polarisationsbrillen, um jedes Auge mit einem eigenen Bild zu versorgen. Schon das stößt an seine Grenzen: Der Schärfepunkt und die Tiefenschärfe sind vom Signal fest vorgegeben und auch das Bild ändert sich nicht, wenn man den Kopf dreht.

Bild 1: Dank Spatial-Audio-Array klingt ein Gerät so, als ob die Lautsprecher weiter auseinander stehen würden und nicht im Gerät integriert wären.

Bild 1: Dank Spatial-Audio-Array klingt ein Gerät so, als ob die Lautsprecher weiter auseinander stehen würden und nicht im Gerät integriert wären.Texas Instruments

Beim räumlichen Hören ist das Prinzip ähnlich: Jedes Ohr braucht sein eigenes Signal. Kopfhörer erfüllen diese Vorgabe theoretisch – doch in der Praxis hören wir, dass das nicht wirklich funktioniert. Die Geräusche scheinen mitten im Kopf zu entstehen oder nur direkt von links oder rechts zu stammen. Der Grund dafür ist, stark vereinfacht: Stereo-Tonaufnahmen ignorieren den Einfluss unseres Kopfes auf den Klang. Statt simpler Lautstärkeunterschiede links/rechts kommen die Signale in der Realität leicht zeitversetzt an beiden Ohren an, der Frequenzgang ist unterschiedlich (Filterung durch den Kopf) und sogar die Form des Ohres beeinflusst, wie ein Ton klingt, je nach Einfallsrichtung. Diese Einflüsse heißen zusammengefasst Außenohrübertragungsfunktion.

Technische Lösungen

Wenn der Hörer wirklich einen räumlichen Eindruck erhalten soll, muss die Audio-Anlage diese physikalischen Effekte nachbilden. Ein recht alter Ansatz dafür sind Kunstkopf-Aufnahmen: Hier stecken die Mikrofone in einer Kugel mit den akustischen Eigenschaften eines Kopfes, und nehmen die Signale direkt in der Ohrmuschel auf. Beim Abhören mit Kopfhörer entsteht dann tatsächlich ein recht realistischer Eindruck – vorausgesetzt, die Kopfform stimmt überein und der Kopfhörer sitzt an derselben Stelle wie die Mikros. Alltagstauglich ist das Verfahren aber nicht: Den Kunstkopf kann man zwar simulieren und passende Audio-Signale im Computer erzeugen statt mit einem Kunstkopf zu hantieren. Ohne Kopfhörer für die Wiedergabe klingt das Resultat aber recht bescheiden – wer will schon alles per Kopfhörer (und Shutter-Brille) hören und sehen… Gefragt ist daher eine Lösung, die mit herkömmlichen Lautsprechern funktioniert.

Klangerlebnis

Der Autor des Beitrags konnte als Demogerät eine „Sound-Bar“ mit dem TI-Chip probehören. Das Resultat ist beeindruckend: Der Klang scheint nicht nur vom Lautsprecher zu stammen, sondern auch weit links und rechts davon. Die Stereo-Breite ist also viel größer als der reale Lautsprecher, und das Ganze klingt auch noch sauber und voluminös. Wenn man sich aus der idealen Abhörposition entfernt, geht zwar der räumliche Eindruck verloren, die Boxen klingen aber immer noch akzeptabel.

Hier lohnt es wieder, bei den 3D-TV-Lösungen zu spicken: Um auf Shutter-Brillen zu verzichten, setzen autostereoskopische 3D-Displays auf den von Wackelbildern bekannten Effekt. Ein Heer von Linsen oder Lamellen sorgt dafür, dass linkes und rechtes Auge verschiedene Pixel-Reihen sehen und die anderen verdeckt bleiben. So einfach funktioniert das beim Ton aber nicht: Schall verbreitet sich nicht strahlenförmig und lässt sich daher auch nicht so einfach bündleln oder abschatten. Dafür lässt sich ein anderer Effekt nutzen: Die Interferenz zweier Signale. Je nach Phasenlage addieren sich zwei identische Töne oder sie löschen sich aus. Die Phase wiederum hängt von der Entfernung zwischen Lautsprecher und Ohr ab – und genau die unterscheidet sich bei linkem und rechtem Ohr. Die Aufgabe lautet also: Erzeuge Audio-Signale so, dass sie sich an einem Ohr addieren und am anderen auslöschen.

Formensprache

Texas Instruments nennt die Lösung dafür Beam-Forming (Bild 2). Statt der gewohnten Stereo-Anordnung mit je einem Lautsprecher links und rechts kommt ein „Klangbalken“ zum Einsatz: Hier liegen mindestens vier Lautsprecher nebeneinander. Die können zum Beispiel im Rahmen eines Fernsehers montiert sein, oder als eigene Box eine „Sound-Bar“ für MP3-Player bilden (siehe Kasten „Klangerlebnis“).

Bild 2: Beim Beam-Forming sorgt gezielte Interferenz dafür, dass der Schall nur an bestimmten Stellen hörbar ist.

Bild 2: Beim Beam-Forming sorgt gezielte Interferenz dafür, dass der Schall nur an bestimmten Stellen hörbar ist.Texas Instruments

Die Töne aus den einzelnen Lautsprechern überlagern sich. Je nach Winkel zwischen Lautsprecher-Array und Ohr unterscheiden sich die Laufzeiten und damit die Phasenlage, in der die Signale sich mischen. Da sich gegenphasige Signale auslöschen und gleichphasige addieren, kann man durch gezielte Verzögerung der Töne an den einzelnen Lautsprechern auch die Signalstärke winkelabhängig festlegen. Statt eines gleichmäßigen Klangteppichs dringen die Töne dann quasi als Strahlen aus dem Lautsprecher-Array.

Kopfhörer-Effekt und große Boxen

Mit dieser Technik ist es nun möglich, die Kanäle des Stereo-Signals gezielt nur an das linke oder rechte Ohr zu senden. TI erzeugt damit eine aktive Übersprech-Dämpfung (Bild 3): Das Lautsprecher-Array formt die Schallwellen so, dass am linken Ohr nur die für das linke Ohr bestimmten Töne ankommen und am rechten Ohr die rechte Tonspur. Sie nutzen gezielten Anti-Schall, um unerwünschte Signale auszulöschen. Das Ziel ist, dass das Lautsprechersystem wie ein Kopfhörer wirkt – ganz zu erreichen ist dieses Ziel natürlich nicht, da sich die Schallwellen im Raum ausbreiten und damit Hall und Echos dazukommen. Für das Hören ist das aber sogar angenehm, man fühlt sich nicht von der Umwelt abgeschottet.

Bild 3: Durch die Übersprech-Dämpfung erhält jedes Ohr sein eigenes Signal, fast so wie bei einem Kopfhörer.

Bild 3: Durch die Übersprech-Dämpfung erhält jedes Ohr sein eigenes Signal, fast so wie bei einem Kopfhörer.Texas Instruments

Würden linkes und rechtes Ohr einfach nur die linke und rechte Stereo-Spur erreichen, wäre noch wenig gewonnen. Für den wuchtigen Raum-Eindruck, den der Baustein hervorruft, ist noch deutlich mehr Signalbearbeitung nötig. Dazu simuliert der eingebaute DSP einen Kunstkopf (siehe Einführung): Der Chip kennt die Außenohrübertragungsfunktion (englisch: HRTF, Head Related Transfer Function) für die Abhörsituation mit ideal positionierten Stereo-Lautsprechern. Am Ohr sollen genau die Schallwellen ankommen, die bei großen und weit auseinander stehenden Boxen auftreten würden – obwohl in Wahrheit nur ein Array von recht eng verbauten Mini-Lautsprechern tönt. Das Prinzip erläutert TI auch in folgendem englischsprachigen Video:

Alles in einem Chip: Der LM48901

Die technische Umsetzung stammt noch aus dem Hause National Semiconductor, das TI im Herbst 2011 übernommen hat. Im hoch integrierten Baustein LM48901 hat TI/National vier Class-D-Verstärker mit aufwändiger Signalverarbeitung kombiniert, um ein Lautsprecher-Array anzusteuern. Der National LM48901 ist das erste Produkt einer Familie innovativer Audio-ICs: Die ganze Reihe soll komplexe Audioverarbeitung mit der Lautsprecher-Array-Technik verbinden, um auch bei beengten Platzverhältnissen ein großes Audioerlebnis zu bieten. Es lassen sich sogar mehrere LM48901 kombinieren, um bis zu 16 Lautsprecher anzusteuern. TI hat auch ein Software-Tool entwickelt, mit dem der Entwickler seine Lösung bequem programmieren und justieren kann. Wichtige Eigenschaften des Bausteins (Bild 4) sind:

Bild 4: Der Spatial-Audio-Chip LM48901 enthält einen DSP zur Klangbearbeitung, einen Stereo-AD-Wandler und vier Class-D-Verstärkerstufen.

Bild 4: Der Spatial-Audio-Chip LM48901 enthält einen DSP zur Klangbearbeitung, einen Stereo-AD-Wandler und vier Class-D-Verstärkerstufen.Texas Instruments

  • Komplette Audio-Lösung: Der LM48901 integriert einen DSP für Spatial-Processing, vier Class-D-Verstärker, einen 18-Bit-Stereo-A/D-Wandler, eine PLL-Stufe (Phase-Locked Loop) und I²C- sowie I²S-Interfaces.
  • Einfachere Programmierung von Audio-Effekten: Das leicht zu bedienende Software-Tool beschleunigt die Entwicklung, da kein Feinabstimmen von Algorithmen erforderlich ist und keine eigenen DSP-Experten benötigt werden.
  • Audioeffekte: Ermöglicht differenzierte Produkte, die ungeachtet der wirklichen mechanischen Abmessungen eine erweiterte Klangwiedergabe ermöglichen.
  • Flexible Mehrkanal-Fähigkeiten: Mehrere LM48901-Bausteine lassen sich verketten, um bis zu 16 Lautsprecherkanäle und mehrere Subwoofer-Konfigurationen zu unterstützen.
  • Integrierte 2-W-Lautsprechertreiber: Die vier auf dem Chip befindlichen Class-D-Lautsprechertreiber liefern eine Dauerleistung von 2 W pro Kanal an 4 Ω bei einem THD+N-Wert (Total Harmonic Distortion Plus Noise) von unter 1 % und vereinfachen damit das Systemdesign und senken die Materialkosten.

Die Eigenschaften und Vorteile des Bausteins fasst ein weiteres, englischsprachiges Video von TI zusammen:

Tools und Support

Das Software-Web-Tool zum LM48901 enthält unter anderem einen einfach anzuwendenden Koeffizientengenerator für Lautsprecher-Arrays, der in wenigen einfachen Schritten die jeweiligen räumlichen Audio-Koeffizienten erzeugt. Ebenfalls enthalten sind Android-Treiber mitsamt einer Applikationsschrift und ein Evaluation-Board mit grafischer Benutzeroberfläche.

In Tausender-Stückzahlen kostet der Chip nur 2,50 US-Dollar. Damit öffnen sich viele interessante Märkte, vom Tablet-PC über Handy und MP3-Player bis hin zum POS-Terminal. Vorstellbar sind auch Anwendungen im Auto, in der Medizinelektronik oder der Automatisierungstechnik.

Achim Leitner

: Chefredakteur all-electronics und elektronikJOURNAL.

(lei)

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