MEMS

Bild 3: Beispiel eines MEMS-Drucksensors, bei dem anhand einer Elektrode an der beweglichen Membran eine Kapazitätsänderung gemessen werden kann. (Bild: Omron)

ECK-DATEN

Mikroelektromechanische Systeme (MEMS) bilden heute das Kernstück von vielen modernen Technologien, die uns umgeben. Bei tragbaren elektronischen Geräten, Fernsehern, Fitness-Trackern, Herzschrittmachern, Autos und sogar Kinos kommen die fortlaufenden Innovationen in diesem Bereich zum Tragen. Verglichen mit ihren Gegenstücken normaler Größe sind MEMS-Sensoren und -Aktuatoren nicht nur deutlich kostengünstiger, sondern auch höher integriert und leichter in großen Stückzahlen herzustellen. Zudem sind sie normalerweise auch wesentlich zuverlässiger.

Konzepte von miniaturisierten elektromechanischen Systemen reichen mindestens bis in die 1960er Jahre zurück (und stammen von Visionären wie Richard Feynman). Die Herstellungsprozesse und die Mikroelektroniktechnologie haben sich jedoch erst in den letzten drei Jahrzehnten dahingehend entwickelt, dass eine MEMS-Produktion in kommerziellem Maßstab möglich wurde. Eine der ersten Massenanwendungen der MEMS-Technologie bestand in Airbag-Systemen für Kraftfahrzeuge. In den frühen 1990er Jahren entwickelte Analog Devices Beschleunigungsmesser auf MEMS-Basis zur Verwendung als Stoßsensoren. Verglichen mit den bereits vorhandenen makroskopischen Geräten waren die MEMS-Versionen sehr viel kostengünstiger, zuverlässiger und bedeutend kleiner. Diese Vorteile führten zu respektablen Verkaufszahlen und haben dazu beigetragen, dass Airbags mittlerweile zur Standardausstattung von Kraftfahrzeugen gehören.

In den nachfolgenden Jahren nahm die MEMS-Entwicklung zu und brachte hochauflösende Tintenstrahldrucker, Spielekonsolen mit Bewegungserkennung (wie die Nintendo Wii) und hochauflösende, aber dennoch preiswerte Digitalprojektoren hervor. Obwohl die MEMS-Technologie seitdem kontinuierlich Fortschritte gemacht hat, sorgte erst das Aufkommen von Smartphones für den Durchbruch. Nun verbessert sie nicht nur unsere Verbrauchergeräte, sondern besitzt zudem ein großes Zukunftspotenzial, unsere Gesundheit zu verbessern, indem die Medizintechnik weiterentwickelt wird.

Smartphones haben ein neues Zeitalter des mobilen Computing eingeläutet und eine Nachfrage nach immer mehr Funktionen bei immer kleineren Abmessungen und gleichbleibenden Kosten erzeugt. Diese Herausforderung kann nur durch die Implementierung von MEMS-Technologie gemeistert werden. Dank MEMS können herkömmliche Komponenten wie Mikrofone und Lautsprecher kleiner, kostengünstiger und stromsparender hergestellt werden. Auch andere Komponenten wie optische Bildstabilisierung, Bewegungserkennung oder digitale Kompasse können nur mithilfe von MEMS in den kleinen Smartphones umgesetzt werden.

Außer für Smartphones sind die geringen Abmessungen, die Leistungsfähigkeit und die Kosteneinsparungen der MEMS-Technologie auch für Wearables interessant. Neben tragbarer Unterhaltungselektronik in verschiedensten Formen besteht der wohl vielversprechendste neue Markt für MEMS in der Medizintechnik. Sowohl bei Krankenhausausrüstung als auch bei mobiler Medizintechnik ermöglichen MEMS-Geräte reduzierte Systemkosten, Platzeinsparungen und eine höhere Genauigkeit und Zuverlässigkeit gegenüber makroskopischer Sensorik.

Das Spektrum von MEMS

Die MEMS-Technologie bedient sich bekannter Herstellungsverfahren wie Fotolithografie und Ätzung, die zur Fertigung von Halbleitern verwendet werden. Diese ermöglichen die Herstellung einer breiten Palette unterschiedlicher Komponenten. Fast jeder mechanische Sensor oder Wandler verfügt heutzutage über eine MEMS-Entsprechung. Bei einem kompletten MEMS-Chip wird ein mikromechanisches Element zusammen mit einem Element zur Signalaufbereitung auf einem einzigen Stück Silizium implementiert. Durch diese umfassende Integration und die Miniaturisierung von MEMS können die Stückkosten gesenkt werden. Gleichzeitig lassen sich MEMS dadurch leicht in elektronische Geräte integrieren, und auch die Zuverlässigkeit wird oft erhöht.

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Bild 1: Schaltplan eines linearen MEMS-Beschleunigungsmessers, bei dem die Kapazität zwischen der beweglichen Masse und den feststehenden äußeren Platten gemessen wird. Analog Devices

Beschleunigungsmesser und Trägheitssensoren

Beschleunigungsmesser wie das Produkt von Analog Devices, das Fahrzeug-Airbags revolutionierte, gehören auch heute noch zu den gebräuchlichsten und wichtigsten MEMS-Komponenten (Bild 1). Die einfachste Konstruktion besteht aus einer federgelagerten Masse mit feststehenden äußeren Platten. Bei Bewegung wird aus der Kapazität zwischen der beweglichen Masse und den feststehenden Platten die Beschleunigung entlang der Bewegungsachse ermittelt. Dieser lineare Beschleunigungsmesser kann auf zwei oder drei Dimensionen erweitert werden, indem mehrere lineare Beschleunigungsmesser intelligent kombiniert werden oder eine bewegliche Masse innerhalb einer Struktur mit entsprechend angeordneten feststehenden äußeren Platten dreidimensional gelagert wird. In Verbindung mit Gyroskopen auf MEMS-Basis können Beschleunigungsmesser als fortschrittliche Bewegungssensoren fungieren – wie die Kombination aus 3D-Beschleunigungsmesser und Gyroskop von STMicroelectronics, mit der sowohl Bewegung als auch Rotation um drei verschiedene Achsen erkannt werden.

Optische MEMS

Neben Beschleunigungsmessern sind MEMS-Komponenten auch im Bereich der Optik weitverbreitet. Digital Micromirror Devices (DMD, digitale Mikrospiegelkomponenten) wurden ursprünglich von Texas Instruments entwickelt. DMD-Chips bestehen aus einer Matrix von Millionen mikroskopisch kleiner Spiegel (Bild 2). Jeder dieser Spiegel sitzt auf einem Joch und ist um normalerweise +10 oder -10 Grad winkelverstellbar, je nach elektrischem Zustand der CMOS-Speicherkomponente, auf der er sich befindet.

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Bild 2: DMD-Matrizen bestehen aus Millionen von mikroskopisch kleinen Spiegeln, die zusammen ein Bild modulieren können. Texas Instruments

Im eingeschalteten Zustand reflektiert der Spiegel Licht zum Ziel und beleuchtet den Bildpunkt. Im ausgeschalteten Zustand wird das Licht in andere Richtungen gelenkt. Mithilfe von Pulsbreitenmodulation zum schnellen Ein- und Ausschalten des Spiegels werden Graustufen wiedergegeben. Das Verhältnis von Ein- zu Ausschaltdauer ergibt verschiedene Abtönungen des zu projizierenden Lichts. Durch Wechsel zwischen rotem, grünem und blauem Licht oder durch Verwendung von drei DMD – eine für jede Komponentenfarbe – werden Farben erzeugt. DMD-Komponenten werden in einem breiten Anwendungsbereich bei optischen Geräten wie Projektoren der Verbraucher- und Profiklasse, Fernsehern oder Head-Up-Displays eingesetzt.

Drucksensoren

MEMS-Drucksensoren sind relativ einfache Komponenten. Eine bewegliche Membran mit einer Elektrode bewegt sich dem Druck entsprechend. Die Änderung der Kapazität in Bezug auf eine feststehende Elektrode wird gemessen und dem Druck auf die Komponente gleichgesetzt. Auf dieser Methode basiert der in Bild 3 gezeigte MEMS-Drucksensor von Omron. Auch wenn das zugrunde liegende Konzept einfach ist, sind MEMS-Drucksensoren sehr vielseitig und in vielen Abmessungen und Designs erhältlich, um verschiedenen Anwendungen gerecht zu werden – von mikroskopischen Barometersensoren über Kfz-Reifendrucksensoren bis hin zu medizinischen Anwendungen wie Katheter-Drucksensoren.

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Bild 3: Beispiel eines MEMS-Drucksensors, bei dem anhand einer Elektrode an der beweglichen Membran eine Kapazitätsänderung gemessen werden kann. Omron

Die größer werdende Vielfalt von MEMS-Anwendungen

Die niedrigeren Kosten und die stärkere Integration durch die Fertigungstechnologien der Halbleiterherstellung haben dazu geführt, dass MEMS heute für eine sehr breite Palette von Anwendungen eingesetzt werden. Aber während MEMS-Komponenten im Bereich der Unterhaltungselektronik weitverbreitet sind, befinden sie sich in anderen Märkten wie dem medizinischen Bereich noch in den ersten Zügen.

Den Bereich der Unterhaltungselektronik haben MEMS für sich erobert – von optischen DMD-Komponenten in HD-Fernsehern bis hin zu den verschiedenen MEMS-Komponenten in unseren Smartphones, Tablet-PCs und Wearables. Insbesondere moderne Smartphones profitieren von dem weiten Feld der MEMS-Technologie, mit der sich eine Vielzahl an Funktionen in ein kompaktes Gerät für die Hosentasche integrieren lässt. Mithilfe von Beschleunigungsmessern und Gyroskopen kann das Telefon Bewegungen für Apps erkennen und Bildschirmanzeigen der Orientierung des Telefons entsprechend automatisch drehen. Dank optischer Bildstabilisatoren auf MEMS-Basis mit integrierten Gyroskopen können mit diesen kleinen Wunderwerken der Technik Bilder in respektabler Qualität aufgenommen werden. Kapazitive MEMS-Mikrofone sind so klein, dass sogar zwei in ein einziges Smartphone passen und hochentwickelte Geräuschunterdrückungsfähigkeiten ermöglichen. Neben der Implementierung neuer Funktionen dient die MEMS-Technologie auch dazu, die Größe und Leistungsaufnahme bei Funktionen zu verringern, die bislang von größeren Komponenten erbracht wurden. MEMS-Versionen von HF-Filtern, variablen Kondensatoren und Oszillatoren haben ihre größeren und weniger zuverlässigen Vorgänger ersetzt.

MEMS erobern den medizinischen Bereich

Die interessantesten und neuesten Anwendungen der MEMS-Technologie liegen heute zweifelsohne in der Medizintechnik. Angefangen bei großvolumiger Krankenhausausrüstung und tragbaren medizinischen Geräten bis hin zu innovativen medizinischen Wearables und Geräten für die Pflege vor Ort – das Potenzial der MEMS-Technologie, die Medizin zu verbessern, steht erst am Anfang seiner vollen Entfaltung. Der Bereich medizinischer MEMS ist voll von neuen Entwicklungsprojekten. Aktuelle Beispiele sind Kontaktlinsen von Google zur Blutzuckerüberwachung, transdermale Hautsensoren zur Messung des Elektrolytgleichgewichts, intelligente Tabletten, implantierbare Elektronik sowie Sensoren, die den Körper durchlaufen.

Während diese außergewöhnlichen Projekte Begeisterung hervorrufen, darf jedoch nicht vergessen werden, dass völlig neue und ungeprüfte Technologien nicht ohne Weiteres in den medizinischen Markt eingeführt werden können. Fortschrittliche biomedizinische Komponenten erfordern interdisziplinäre Entwicklungsanstrengungen von Technologen und medizinischen Spezialisten und auch eingehende Prüfungen und Zertifizierungen, um eine Genehmigung für die medizinische Anwendung zu erhalten.

Doch auch mit der heute verfügbaren MEMS-Technologie können bereits erstaunliche medizinische Resultate erzielt werden. Viele der im Bereich der Unterhaltungselektronik perfektionierten Sensoren und Aktuatoren finden im medizinischen Bereich neue Anwendungen. Drucksensoren gehören zwar zu den einfachsten MEMS-Komponenten auf dem Markt, erweisen sich jedoch als extrem vielseitige medizinische Komponenten. Dank ihrer Einfachheit, der leichten Miniaturisierung und der geringen Leistungsaufnahme eignen sie sich perfekt für eine breite Palette von mikroskopischen und makroskopischen Anwendungen im Gesundheitswesen. Sie können beispielsweise zur Messung des Drucks der Ausatemluft verwendet werden, um Atemprobleme festzustellen. Ebenso können winzige Sensorkomponenten in Katheter- und Endoskopieschläuchen zur Überwachung von ösophagokardialen Parametern oder sogar zur Gesundheitsüberwachung von Neugeborenen eingesetzt werden.

Beschleunigungsmesser sind weitere in der Unterhaltungselektronik verbreitete MEMS-Komponenten, die erfolgreich in den medizinischen Bereich übernommen werden. Neben ihrer offensichtlichen Eignung für das Fitness-Tracking können Beschleunigungsmesser als Fallsensoren (zunehmend bei älteren Menschen im Einsatz) und CPR-Unterstützungskomponenten dienen. Zusammen mit einem Gyroskop zur Orientierungserkennung können sie die Endoskop- und Kathetherführung unterstützen sowie erweiterte Positionserkennungsinformationen liefern (beispielsweise zu Haltung und Lage eines Patienten, damit ein Herzschrittmacher die richtigen elektrischen Impulse abgibt).

Die Vision der MEMS

Durch Miniaturisierung mithilfe von Produktionsprozessen aus der Halbleiterfertigung erzielen MEMS-Komponenten Kosteneinsparungen, weil sich der Materialaufwand reduziert und eine effiziente Massenfertigung möglich ist. Dank dieser Prozesse können MEMS-Komponenten auf einem Chip realisiert werden, der die gesamte Signalaufbereitung enthält. Dieser hohe Integrationsgrad und ihre SMT-Formfaktoren führen dazu, dass MEMS-Komponenten sehr leicht integrierbar sind. Es liegt auf der Hand, dass als nächstes das Gesundheitswesen von der MEMS-Technologie profitieren wird. Die Miniaturisierung von MEMS in Kombination mit signalgetreuer Sensorik ermöglicht jetzt schon faszinierende medizinische Anwendungen. Wir stehen zwar noch am Anfang der Entwicklung, es ist jedoch eine Fülle an nützlicher MEMS-Technologie in diesem Bereich zu erwarten, die in der Zukunft die Lebensqualität von Patienten erhöhen und die Effizienz von Diagnosevorgängen steigern wird.

Mark Patrick

Mark Patrick, Mouser Electronics
ist Mitarbeiter von Mouser Electronics

(jj)

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