Jede Generation von Ingenieuren erlebt andere Generationen von Messgeräten. Die zwischen den 1940er und frühen 1960er Jahren geborenen Baby-Boomer nutzten Kathodenstrahl-Oszilloskope und Multimeter, die über Anzeigen mit Zeiger verfügten. Es handelt sich dabei um Geräte, die man heutzutage als analoge Messgeräte kennt. Generation X, geboren in den 1960ern, 1970ern und 1980ern, erlebte eine Generation an digitalen Messgeräten mit Analog-/Digital-Wandler und grafischen Anzeigen. Die Generation Y der ab den späten 1980ern Geborenen schließlich strömt nun mit einem anderen Denkansatz auf den Arbeitsmarkt, der die nächste Generation von Messgeräten vorantreiben wird.

Die derzeitige Generation von Messgeräten kommt langsam in die Jahre und Ingenieure der Generation Y erwarten auch dort den Einsatz moderner Technologien.

Die derzeitige Generation von Messgeräten kommt langsam in die Jahre und Ingenieure der Generation Y erwarten auch dort den Einsatz moderner Technologien.National Instruments

Generation Y wuchs in einer Welt umgeben von Technologien auf. Von Computern über das Internet bis hin zu mobilen Geräten – diese Technologien haben sich schneller als jemals zuvor weiterentwickelt. Ein kürzlich veröffentlichter Bericht von Cisco, einem US-amerikanischen Netzwerkausrüster, behandelte ausführlich die Charakteristika der Generation Y und ihre Einstellung zu Technologie:

  • Smartphones sind doppelt so beliebt wie Desktop-PCs. Ein Drittel der Umfrageteilnehmer überprüft ihr Smartphone mindestens alle 30 Minuten. 80 Prozent verwenden mindestens eine App regelmäßig.
  • Zwei von drei Befragten verbringen online genauso viel oder mehr Zeit mit ihren Freunden als im persönlichen Kontakt.
  • Generation Y ist sehr technologieaffin, begrüßt Veränderungen und übernimmt neue Technologien sehr schnell, da sie deren Vorteile erkennt.

Die innovative Unterhaltungselektronik, die Ingenieure der Generation Y in ihrem Alltag einsetzen, hat die Messgeräte aus ihrem Arbeitsleben längst überholt. Tatsächlich ist der Formfaktor herkömmlicher Messgeräte in den letzten Jahren so gut wie unverändert geblieben. Alle Komponenten – Anzeige, Prozessor, Speicher, Messsystem sowie Bedien- und Anzeigeelemente – sind in ein einzelnes Standalone-Gerät integriert.

Ingenieure der Generation Y erwarten schlichtweg, dass sie die modernen Technologien auch in Messgeräte integriert finden. Messgeräte der Ära Generation Y werden über Touchscreens, mobile Geräte, Cloud-Konnektivität und voraussagende Intelligenz verfügen und somit erhebliche Vorteile gegenüber früheren Generationen aufweisen.

Knöpfe und Regler treffen Touchscreen

Laut dem Beratungsunternehmen Frost & Sullivan assoziieren Ingenieure das Konzept einer Benutzeroberfläche immer mehr mit der Benutzeroberfläche, die sie von ihren Geräten der Unterhaltungselektronik kennen und bereits verwenden. Die auf Touchscreens basierenden Benutzeroberflächen der mobilen Geräte von heute eröffnen ein vollständig anderes Anwendungserlebnis und die noch vorherrschenden Knöpfe und Regler an Messgeräten stellen die Generation Y sicherlich nicht zufrieden.

Touchscreen-basierende Oberflächen sind eine effiziente und intuitive Alternative zu Knöpfen und Schaltern.

Touchscreen-basierende Oberflächen sind eine effiziente und intuitive Alternative zu Knöpfen und Schaltern. National Instruments

Mit zunehmenden Funktionen von Messgeräten kommen heutzutage immer mehr Druckknöpfe und Drehschalter zum Unterstützen dieser Funktionen zum Einsatz. Dies ist jedoch kein skalierbares Konzept. An einem gewissen Punkt führt eine zu hohe Anzahl an Knöpfen und Reglern zu Ineffizienz und Überforderung. Bei einigen Messgeräten griff man daher auf vielschichtige Menüsysteme und sogenannte Softbuttons zurück, die unterschiedliche Funktionen ausführen. Die Komplexität dieser Systeme führte jedoch zu anderen Problemen bei der Benutzbarkeit. Die meisten Ingenieure der Generation Y würden die Messgeräte von heute als umständlich beschreiben.

Ein Messgerät ohne jegliche Knöpfe und Regler, dessen Benutzeroberfläche ein Touchscreen ist, könnte diese Herausforderungen lösen. Anstatt alle Bedienelemente auf einmal zu präsentieren, könnte der Touchscreen die Oberfläche vereinfachen, indem er nur den Inhalt und die Bedienelemente dynamisch bereitstellt, die für die aktuell auszuführende Aufgabe relevant sind.

Auf einen Blick

Die technikaffine Generation Y fordert moderne Technologien – auch in Messgeräten. Zur Ausstattung vom Messinstrumentarium von morgen zählen Touchscreens zur effizienten Bedienung, mobile Geräte mit Apps für mehr Flexibilität, Cloud-Konnektivität zum einfachen und schnellen Datenaustausch und Geräte, die über voraussagende Intelligenz verfügen.

Benutzer könnten außerdem direkt mit den Daten auf dem Bildschirm interagieren, statt mit einem losgelösten Drehregler oder Schalter. Und sie könnten gestenbasierende Interaktionen einsetzen, beispielsweise um direkt in Graphen auf dem Oszilloskop hineinzuzoomen und Time/Div oder Volt/Div zu ändern. Touchscreen-basierende Oberflächen stellen einen effizienteren und intuitiveren Ersatz für Knöpfe und Schalter dar.

Mobile Geräte einsetzen

Durch das Einbinden von Hardwareressourcen, die mobile Geräte bereitstellen, können Messgeräte von besseren Komponenten und aktuelleren Technologien profitieren. Dieses Konzept sähe vollkommen anders aus als die Messgeräte von heute.

Verarbeitung und Benutzeroberfläche wären durch eine App realisiert, die auf einem mobilen Gerät läuft. Da weder Schalter, Knöpfe noch Display notwendig sind, wäre die Hardware des Messgeräts auf Mess- und Timing-Aufgaben reduziert. Das wiederum ermöglicht kompaktere Geräte und senkt die Kosten. Benutzer wären durch die winzigen eingebauten Displays, den kleinen Onboard-Speicher sowie den langsamen Betrieb nicht eingeschränkt. Stattdessen könnten sie von großen scharfen Displays, Gigabytes an Datenspeicher und Multicore-Prozessoren profitieren. Integrierte Kameras, Mikrofone und Beschleunigungsmesser könnten ebenfalls neue Möglichkeiten schaffen und beispielsweise das Aufnehmen eines Bildes von einem Prüfaufbau oder das Aufzeichnen von Audionotizen für die Datenerfassung erlauben. Anwender könnten sogar benutzerdefinierte Apps entwickeln, um spezielle Anforderungen zu erfüllen.

Während es bei traditionellen Messgeräten völlig unproblematisch ist, bessere Komponenten zu integrieren, hinken mobile Geräte bei der Integrationsgeschwindigkeit hinterher. Unterhaltungselektronik weist schnellere Innovationszyklen und Skaleneffekte auf. Messgeräte, die diese wirksam einsetzen, positionieren sich durch immer bessere Technologien und geringere Kosten.

Cloud-Konnektivität

Die meisten Ingenieure übertragen Daten gewöhnlich zwischen ihren Messgeräten und Rechnern mithilfe eines USB-Speichersticks oder mit Software, um Daten über ein Ethernet- oder USB-Kabel herunterzuladen. Während dieses Verfahren relativ trivial ist, erwartet die Generation Y mittlerweile sofortigen Zugang zu Daten. Dieser lässt sich mithilfe von Cloud-Technologien realisieren.

Die Generation Y fordert mittlerweile sofortigen Zugang zu Daten; mit Cloud-Techniken ist dieser Wunsch realisierbar.

Die Generation Y fordert mittlerweile sofortigen Zugang zu Daten; mit Cloud-Techniken ist dieser Wunsch realisierbar.National Instruments

Das Prinzip dabei ist grundsätzlich einfach: Dienste wie Dropbox und I-Cloud speichern Dokumente in der Cloud und synchronisieren sie automatisch über mehrere Geräte. In Kombination mit WLAN und Mobilfunknetzwerken, die Benutzer kontinuierlich miteinander verbinden, können sie auf ihre Dokumente von überall aus und jederzeit zugreifen und diese bearbeiten. Zusätzlich zum bloßen Speichern von Daten in der Cloud hosten einige Dienstleister komplette Anwendungen. Über Dienste wie Google-Docs können Benutzer über das Netzwerk zusammenarbeiten und simultan Dokumente von jedem Ort aus bearbeiten.

Messgeräte mit integrierter Netzwerk- und Cloud-Konnektivität eröffnen Ingenieuren diese Vorteile ebenfalls. Sowohl auf die Daten als auch auf die Benutzeroberfläche könnten mehrere Ingenieure von überall auf der Welt aus zugreifen. Bei der Problembehebung mit einem Kollegen, der sich nicht vor Ort befindet, können Ingenieure mithilfe des Messgeräts in Echtzeit interagieren, um das Problem besser zu verstehen, anstatt nur einen statischen Screenshot zu teilen. Die Cloud-Technologien könnten Effizienz und Produktivität eines Ingenieurteams maßgeblich verbessern.

Intelligenz anstreben

Context-Aware-Computing wird langsam immer geläufiger und könnte fundamental die Art und Weise ändern, wie wir mit Geräten interagieren. Diese Technologie verwendet Situations- und Umweltinformationen, um die Anforderungen von Benutzern vorauszusehen und situationsabhängigen Inhalt, Funktionen und Erfahrungen bereitzustellen. Ein beliebtes Beispiel dafür stellt Siri dar, eine Funktion in jüngsten Apple-I-OS-Geräten. Anwender geben Siri mündlich Befehle oder stellen eine Frage und es antwortet, indem es Aktionen durchführt oder Empfehlungen gibt.

Google-Now besitzt eine ähnliche Funktionalität wie Siri, übermittelt jedoch passiv weitere Informationen, von denen das Programm glaubt, der Anwender könne diese gebrauchen. Diese Informationen basieren auf Ortung und eingegebenen Daten. Morgens erscheinen dann Wetterinformationen und Verkehrsempfehlungen. Terminerinnerungen inklusive der voraussichtlichen Ankunftszeit am entsprechenden Ort finden sich in der Anzeige ebenso wie die automatische Darstellung von Fluginformationen und Bordkarten.

Eine ähnliche Intelligenz wäre in Kombination mit Messgeräten bahnbrechend. Eine häufige Herausforderung für Ingenieure ist es, Konfigurationsänderungen an einem Messgerät zur gleichen Zeit vorzunehmen, zu der ihnen aufgrund von Sonden buchstäblich die Hände gebunden sind. Sprachsteuerung würde daher nicht nur freihändige Interaktionen erlauben, sondern auch das Interagieren mit den Funktionen erleichtern. Außerdem ließe sich voraussagbare Intelligenz einsetzen, um relevante oder interessante Daten hervorzuheben. Ein Oszilloskop könnte basierend auf einem interessanten Teil eines Signals automatisch zoomen oder konfigurieren oder relevante Messungen auf Basis einer Signalform hinzufügen. Ein Messgerät, das mobile Geräte einsetzt, könnte Context-Aware-Computing integrieren und davon profitieren, während die Technologie entsteht.

Der technologische Vorsprung

Die Technologien in Geräten der Unterhaltungselektronik entwickeln sich rasant weiter und beeinflussen die Erwartungen der Generation Y. Da immer mehr Ingenieure der Generation Y ins Arbeitsleben eintreten, ist es nur eine Frage der Zeit, bevor sie ihre Erwartungen auf die in ihren Jobs angewandte Messtechnik übertragen. Diese Technologien eröffnen nicht nur beachtliche Vorteile für die Messtechnik selbst, technisch versierte Ingenieure der Generation Y können sie auch einsetzen, um ingenieurstechnische Herausforderungen schneller zu bewältigen, als frühere Generationen es je für möglich gehalten hätten.

Chris Delvizis

ist Product Manager bei National Instruments in München.

(rao)

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