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(Bild: Murata)

Wie lässt sich das in der Elektronikfertigung erreichen? An innovativen Konzepten mangelt es ja aktuell nicht. Mit Smart-Production, cyberphysikalischen Systemen und Losgröße 1 seien hier nur ein paar aus dem Umfeld der ebenfalls als Konzept zu betrachtenden Industrie 4.0 genannt. Nun kann es aber passieren, dass auf Konferenzen, während des genussvollen Konsums von Kaffee, die Idee geboren wird, solche Konzepte mit mehreren Mitstreitern auf ihre Praxistauglichkeit zu überprüfen und gleichsam Innovation in die Fertigung zu bringen.

 

Initialzündung für PCB 4.0

Wie bringt man Leiterplatten und eine SMT-Fertigungslinie dazu, miteinander zu sprechen? Also Daten, sich bidirektional auszutauschen? Smart-Production besagt ja, dass die Produkte mit den sie bearbeitenden Maschinen sprechen können sollen, im Idealfall sogar dem Automaten sagen, was mit ihnen passieren soll. Umgemünzt auf die SMT-Fertigungslinie bedeutet dies: Zwischen der zu bestückenden Leiterplatte und der Lötanlage muss ein digitaler Datenaustausch stattfinden – und zwar in einer Umgebung, die mehr als 260 °C heiß wird.

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CPS zum Greifen nah: Innovative Ansätze wie das RFID-Tagmodul Magicstrap von Murata erlauben es, das vorhandene Metall in der Platine in Form der Ground-Plane als Antenne zu nutzen. Murata

 

Das reichte zur Initialzündung. Und so versammelten Rehm Thermal Systems und Murata Europe weitere Innovatoren, um sich gemeinsam an die Umsetzung dieser Idee zu wagen. Leiterplatten und Lötanlagen miteinander kommunizieren zu lassen, reicht jedoch allein nicht aus. Auch die weiteren Prozesse vor und nach dem Lötvorgang sind zu berücksichtigen. Für die Themen Lotpastendruck, SPI und Bestückung wurde ASM Assembly Systems und ASM PT genauso gewonnen wie Beta Layout mit seinem Prozess zum Einbetten von RFID in Platinen und Harting Technology Group als Anbieter von innovativen RFID-Lösungen für die Industrie. Zudem traten sowohl der Elektronikfertigungs-Dienstleister Zollner Elektronik als auch Nokia Networks als global agierender OEM und Kraus Hardware als mittelständischer OEM sowie die TU Dresden als Partner für Forschungsthemen in die Runde ein. Die Grundvoraussetzung war geschaffen: Sämtliche Akteure der elektronischen Baugruppenfertigung sprechen miteinander, um PCBs und Fertigungsautomaten zum gegenseitigen Datenaustausch zu bewegen.

 

Warum gerade RFID?

Was ist daran neu, mögen sich nun viele Fragen. Es werden doch bereits Instanzen zur automatischen Identifikation, wie DMC oder im einfachsten Falle Barcodes auf die Leiterplatte aufgebracht. Der Begriff automatische Identifikation sagt es bereits – es geht hier um Identifikation und keinen Datenaustausch. Mit RFID kommen zwei neue Möglichkeiten dazu: Es können erstens Daten am PCB gespeichert und jederzeit geändert werden und zweitens bei der Verwendung von speziellen RFID-ICs über eine serielle Schnittstelle die Daten später mit dem Prozessor oder Controller ausgetauscht werden. Hinzu kommt, dass die Kommunikation bei Verwendung von UHF-RFID (RAIN-RFID) bis über eine Distanz von mehreren Metern stattfinden kann. Der passiven RFID mit einem DMC gemein ist, dass auch das RFID keine lokale Stromversorgung am Objekt benötigt.

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PCB 4.0: Eine durchgehende und interaktive Kommunikation ermöglicht das RFID-Tagmodul Magicstrap von Murata, das in der Magic-PCB genannten Platinentechnik von Beta Layout integriert ist. Murata

Innovative Ansätze wie das RFID-Tagmodul Magicstrap von Murata erlauben es, das vorhandene Metall in der Platine in Form der Ground-Plane als Antenne zu nutzen. Die Massefläche wird dadurch zur Booster-Antenne und ermöglicht nach Montage des SMT-Moduls skalierbare Reichweiten, je nach Größe der Leiterplatte von wenigen mm bis hin zu 5 m und mehr. Beta Layout hat diesen Ansatz weitergeführt und einen einfachen Prozess entwickelt, der es ermöglicht, das RFID-Modul von Murata bereits bei der PCB-Produktion einzubetten. Somit kommen alle Platinen im Panel oder Nutzen bereits mit einer individuellen digitalen ID und eventuell mit weiteren benötigten Fertigungsdaten wie Impedanzwerte oder Herstellungsdatum an der SMT-Fertigungslinie an.

 

Wie kommt das PCB ins Cyberphysikalische System?

Damit ist auch die Grundvoraussetzung zur Schaffung eines cyberphysikalischen Systems gegeben. Als Kernkonzept des Industrie-4.0-Ansatzes kann ein cyberphysikalisches System dann entstehen, wenn ein physikalisches Objekt – in unserem Falle das PCB – eindeutig und zuverlässig mit einem Datensatz („cyber“) verknüpft wird, der dieses Objekt beschreibt. Dieser Datensatz wächst mit der Lebensdauer des Produktes. Schlüsseltechnologie für die Herstellung dieser Verknüpfung ist RFID, unter anderem auch deshalb, weil es eigentlich die einzige bezahlbare Lösung für diese Aufgabe darstellt. Sie fußt auf globalen Standards, wie der ISO 18000-6C und EPC-Global, sodass auch weltweite Prozess- und Wertschöpfungsketten kein Hindernis darstellen.

Das RFID-Konsortium auf der productronica 2017

Die Gruppe möchte ihre Erfahrungen gern teilen und quasi als Blaupause zur Digitalisierung einer SMT-Fertigungslinie für andere Interessierte zur Verfügung stellen. Am ersten Messetag der productronica 2017 stellen die beteiligten Unternehmen von 13:00  bis 17:00 Uhr im PCB & EMS Speakers-Corner des ZVEI in Halle B3 (Stand 360) im Rahmen eines Tutorials die digitale Fertigungslinie und die gesammelten Erfahrungen mit RFID in der SMT-Fertigungslinie vor. Ergänzt wird die Veranstaltungsreihe mit einer Podiumsdiskussion, die von Marisa Robles, Chefredakteurin Productronic, moderiert wird. Die Podiumsdiskussion beginnt um 16:00h.

Um den Datenlink herzustellen braucht es eine Infrastruktur, also RFID-Schreib-Lesegeräte (kurz RFID-RW) und -Antennen sowie eine Middleware, die die notwendigen Daten zwischen Maschine oder MES und der smartem RFID-Platine vermittelt. Hier finden sich bei Harting Technology Group die geeigneten Lösungen. Ganz wichtig ist hier die Locfield-Antenne zu nennen, die es ermöglicht, auch bereits existierende Fertigungslinien zuverlässig und einfach zu integrieren, ohne dass der Prozess in irgendeiner Weise negativ beeinflusst wird. Diese kabelförmige Antenne lässt sich problemlos in der Transportbahn verlegen. Dadurch ist es möglich, eine lückenlose Verfolgung der Platinen in Echtzeit zu realisieren, da sich die Leiterkarten durchgängig im RFID-Kommunikationsfeld befinden. Das stellt einen weiteren großen Unterschied zu optischen Codes wie DMC dar, die nur punktuell da erfasst werden können, wo der Scanner oder die Kamera installiert ist. Was davor und danach mit der elektronischen Baugruppe passiert, bleibt unsichtbar.

 

Die RFID-Innovationsgruppe hat über die letzten 12 Monate im Technikum von Zollner Elektronik eine komplette SMT-Fertigungslinie mit der notwendigen RFID-Infrastruktur ausgestattet. Weiterhin hat das Konsortium ein Datenmodell entwickelt und herausgearbeitet, das aufzeigt, welche Daten an welchem Prozessschritt ausgetauscht werden können und sollten. Ein Closed-Loop zwischen Bearbeitungsprozess und dem sich anschließenden Inspektionsprozess ist damit möglich, wie auch die Kennzeichnung auf Leiterplatten als NG und dem Speichern von Fehlercodes direkt im PCB. Diese Daten können dann an der Nachbearbeitungsstation ausgelesen werden und geben dem Operator die relevanten Handlungsanweisungen. Bei Rehm wird bereits in einem Proof-of-Konzept erfolgreich die Datenkommunikation zwischen Reflow-Lötanlage und mit in Leiterplatten eingebetteten RFIDs betrieben – bei Temperaturen von bis zu 170 °C. Im 1. Quartal 2018 kann die Linie dann im Rahmen eines Workshops im Technikum von Zollner Elektronik begutachtet werden.

 

Ob Digitalisierung uns mehr Zeit zum konstruktiven und Innovativen Zusammenarbeiten geben wird, wird die Zukunft weisen. Sie ist aber zumindest aktuell neben gutem Kaffee als Medium ein hervorragender Anlass dazu.

Productronica 2017: Halle B3, Stand 360

Alexander Schmoldt

Eltroplan-Technologietage: Alexander Schmoldt von Murata
Manager Business Innovation & Incubation von Murata Europe

(mrc)

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