Multitouch-Displays unterstützen genau die Funktionen, die viele Benutzer vom eigenen Tablet oder Smartphone gewohnt sind. Allerdings sind sie nicht für alle Anwendungen geeignet.

Multitouch-Displays unterstützen genau die Funktionen, die viele Benutzer vom eigenen Tablet oder Smartphone gewohnt sind. Allerdings sind sie nicht für alle Anwendungen geeignet.Kontron

Anwender stellen immer komplexere Anforderungen an HMIs. Maschinen und Anlagen sind zunehmend vernetzt und die horizontale wie vertikale Integration wird voran­getrieben. Der Bedarf an Daten und Informationen wächst dabei stetig. Unter anderem spielen hier Schlagworte wie ‚Shop Floor Analytics‘ oder ‚Smart Factory‘ eine Rolle. Es geht zunehmend um mehr Transparenz und Effizienzsteigerungen, angefangen beim einzelnen Zuführmodul über Fertigungslinien bis hin zur gesamten Fabrik. Multitouch-fähige Panel-PCs bieten viele Vorteile für das Monitoring von komplexen Anlagen, in Prozessindustrien wie auch in der zunehmend vernetzten diskreten Fertigung. Beispiele dafür sind benutzerfreundlichere und bediensicherere Handarbeiten in Form von Gesten zum Drehen und Zoomen komplexer Visualisierungen mit zwei Fingern oder das Wischen zum Blättern in Listen. Unterstützt wird also genau das, was viele Benutzer vom eigenen Tablet oder Smartphone gewohnt sind. Auch das Schreiben mit zehn Fingern ist mit Multitouch möglich. Insgesamt verbessert es, gegenüber der Einfinger-Bedienung, die HMI-Interaktion. Das steigert den Nutzwert und führt somit auch zu einer höheren Produktivität.

Der Haken an Multitouch

Doch diese Technik lässt sich nicht immer sinnvoll einsetzen. Denn Anwender müssen auch bedenken, dass einige der potenziellen Bediener dicke Arbeitshandschuhe tragen müssen und deshalb Multitouch nicht wirklich nutzen können, weil Handschuhe den Abstand zur Oberfläche vergrößern. Durch diesen größeren Abstand kommt es nicht zur Spannungsänderung, wie sie beim direkten Berühren mit dem Finger entsteht. Das Display reagiert dann nicht. Insofern gibt es Anwendungen, bei denen sich das Potenzial der Multitouch-Technologie derzeit nicht ausschöpfen lässt – zumindest wenn man die Effizienz der gesamten Arbeitsabläufe im Blick hat: Muss der Bediener beispielsweise für Montagearbeiten Handschuhe tragen, kann er zum Abarbeiten seiner Stücklisten nicht ständig die Handschuhe ausziehen.

Preissensitive Anwendungen sind ebenfalls nicht noch für Multitouch geeignet, da kapazitive Touch-Lösungen teurer sind als resistive, die auf das Zusammendrücken zweier übereinanderliegender, elektrisch leitender Schichten reagieren. Aber auch hier besteht Potenzial: Preissensitive Anwendungen bestehen in der Regel aus kleineren Maschinen und Anlagen. Kann ein Hersteller solcher Lösungen aber die Steuerung und Visualisierung in einem Panel-PC vereinen, spart er ausreichend Geld, um das höherwertige Multitouch-Panel einsetzen zu können. Entscheidet deshalb der Handschuh, ob Multi­touch geeignet ist oder nicht? Nicht alleine, denn es gibt ja auch noch das Thema Software. Und hier sind insbesondere die Softwaretool-Hersteller gefragt.

Die ULP-COM Module sind eine Basis für Multi­touch-basierte Handheld-Geräte. Die Module bauen ihrerseits auf die Systems-on-Chip A8 und A9 von Nvidia, TI und Freescale auf.

Die ULP-COM Module sind eine Basis für Multi­touch-basierte Handheld-Geräte. Die Module bauen ihrerseits auf die Systems-on-Chip A8 und A9 von Nvidia, TI und Freescale auf.Kontron

Software-Hersteller sind am Zug

Die Studie ‚Usability und Human Machine Interfaces in der Produktion‘ vom Fraunhofer Institut für Arbeitswissenschaft und Organisation aus dem Jahr 2011 bescheinigt den Tool-Herstellern insgesamt noch Verbesserungspotenzial bei Produkten für alle Touchscreen-­Arten: So erwähnen die Autoren der Studie zwar, dass die meisten HMI-Tools das Zoomen von Gegenständen in mehreren Zwischenschritten unterstützen. Will ein HMI-Programmierer aber beispielsweise das Blättern in PDFs ermöglichen oder Video-Tutorials spulen können, waren bisher oft noch eigene Programmierarbeiten erforderlich. Multitouch-fähige Betriebssysteme entbinden die Tool-Hersteller zudem auch nicht davon, Bedien­elemente sowohl für die Maus- und Tastaturansteuerung als auch für die (Multi-)Touch-Auslegung zu qualifizieren oder Templates zum Aufbau von Tabellen (multi-)touch-fähig zu machen.

Außerdem bieten laut der Studie noch vergleichsweise wenige Hersteller Software mit Funktionen zum Verbessern der Bedienbarkeit an, beispielsweise sogenannte Eisberg-Buttons, bei denen die berührbare Fläche größer ist, als sie angezeigt wird. Es gibt also vonseiten der Tools zum Entwickeln von HMI-Bedienoberflächen noch einiges zu tun. Gleiches gilt für intergierte Systeme, die Soft-PLC und HMI in einem bieten.

Unabhängige Plattformen gehen voran

Anwender, die ihre grafische Benutzeroberfläche (GUI) plattformunabhängig, beispielsweise mit offenen Web-Technologien oder Java, programmiert haben, sind vom Fortschritt der HMI-Softwaretools weniger abhängig. So stehen bereits eine Touch-Events-Version-2-Spezifikation der W3C für webbasierte HMI und schon seit 2009 die Multitouch-Plattform MT4j für Java zur Verfügung. Aber auch hier wird noch einige Zeit vergehen, bis die jeweiligen Entwicklungsplattformen alle wünschenswerten Multitouch-Funktionen komplett und komfortabel unterstützen.

Die Panel-PCs der Micro-Client-3- und Omniclient-Reihe sind jeweils mit projiziert kapazitivem oder resistivem Touchscreen verfügbar.

Die Panel-PCs der Micro-Client-3- und Omniclient-Reihe sind jeweils mit projiziert kapazitivem oder resistivem Touchscreen verfügbar.Kontron

Sich zurücklehnen und abwarten sollten Maschinen- und Anlagenbauer daher nicht, zumal die Entwicklung in Richtung smarte Multitouch-Anwendungen im Consumer-Markt rasant vorangeschritten ist. Industrielle Anwender erwarten deshalb, dass sie den Komfort ihrer Smartphones oder Tablets auch bei neu anzuschaffenden industriellen Geräten, Maschinen und Anlagen vorfinden oder implementieren können.

Multitouch wird Mainstream

Die industrietaugliche Hardware ist jetzt verfügbar und insgesamt kann man davon ausgehen, dass Multitouch langfristig bei Panel-PCs zum Mainstream reift. Und wer als Maschinen- und Anlagenbauer in seinem Bereich den neuen State-of-the-Art setzen kann, wird durchaus Wettbewerbsvorteile erzielen können. Zudem scheint die Gestaltung eines Multitouch-HMI zur Montage an Maschinen oder Anlagen erst der Anfang eines größeren Veränderungsprozesses zu sein. Passende Hardwareplattformen auch für mobile Bedieneinheiten hat der Embedded-PC-Hersteller Kontron in seinem Portfolio. Dazu gehört der ULP-COM-Standard als Plattform für Handheld-Geräte. Drei Module mit Cortex-A8- und -A9-basierten System-on-Chip von Nvidia, TI und Freescale sind bereits verfügbar.

Technik im Detail

Zwei berührungsempfindliche Panel-PC-Familien:
Micro Client 3 und Omniclient

Die Micro-Client-3-Familie für Überwachung und Kontrolle einzelner Produktionslinien sowie die Omniclients für das Management von Fertigungsstraßen sind jeweils mit projiziert kapazitivem oder resistivem Touchscreen verfügbar. Beide Panel-PC-Familien bieten ein industriegerechtes Schnittstellenangebot: Der Micro Client 3 bietet jeweils zwei Gigabit-Ethernet-, USB 3.0-, USB 2.0- sowie einen RS232-Anschluss und einen zweiten Grafikausgang (DP).

Außerdem unterstützen sie optional CAN- und RFID. Der Omniclient verfügt darüber hinaus über acht GPIOs, drei RS232-Schnittstellen sowie jeweils einen RS232/­485/422- und CAN-Port, außerdem Bluetooth und digitale I/Os. Applikationsspezifische Erweiterungen wie Wlan lassen sich beim Micro Client 3 über einen, beim Omniclient über zwei Mini-PCIe-Karten ergänzen. Datenspeicher finden über einen Sata-Konnektor für 2,5″-Laufwerke Anschluss. Der Kontron Omni­client unterstützt außerdem bis zu zwei 3,5″-Sata-­Festplatten. Beide Panel-PC-Reihen unterstützen zusätzlich Flash-Speicher über einen m-Sata-Konnektor. Neben der Ausstattung mit projiziert-kapazitivem Multitouch-Glasdisplay im Wide­screen-Format ist der Micro Client 3 auch in 4:3-Ausführungen und mit resistivem Touchscreen in Displaygrößen von 10,4 bis 17″ verfügbar. Die Frontpanels erfüllen jeweils die Schutzart IP65 gegen eindringenden Staub und Feuchtigkeit.

Vorserienmodelle der CE-zertifizierten und UL-qualifizierten Panel-PCs sind ab dem ersten Quartal 2013 verfügbar. Die Serienproduktion beginnt im zweiten Quartal. Die Geräte unterstützen zum Produktionsstart Windows XP, Windows 7 und ­Linux Embedded. Der Omniclient ist außerdem mit Windows 8 verfügbar.

Max Scholz

ist Product Manager HMI der Kontron AG in Eching.

(dl)

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