Energy Harvesting kann auf unterschiedlichen physikalischen Effekten beruhen. Solarzellen kommen ebenso infrage wie thermoelektrische Generatoren, die aus Temperaturunterschieden elektrische Energie gewinnen. Über Antennen kann auch die Energie von Radiowellen aufgefangen und energetisch verwendet werden. Ein Beispiel dafür sind passive RFID-Tags. Piezoelektrische Kristalle lassen sich ebenfalls gut für ein Energy Harvesting einsetzen. Sie erzeugen bei Krafteinwirkung durch Druck oder Vibration elektrische Spannung, nutzen also in der Umgebung vorhandene Bewegungsenergie.

Energie gewinnen mit dem Piezoeffekt

Die mechanische Verformung eines Piezokristalls infolge einer Krafteinwirkung durch Zug oder Druck generiert Ladungen, die an den Elektroden des Piezoelements als elektrische Spannung messbar sind. Dieses Phänomen wird als direkter piezoelektrischer Effekt bezeichnet. Diese Möglichkeit der Ladungserzeugung nutzen Gasanzünder, um die Zündspannung zu erzeugen. Die generierte Ladung (Q) lässt sich mit folgendem mathematischen Zusammenhang beschreiben:

Q = d ∙ ∆F

Die in der Gleichung vorkommende Ladungskonstante d (Verhältnis erzeugter Ladung zu beaufschlagter Kraft) ist eine werkstoffspezifische Konstante in der Größenordnung von 10-10 C/N. Daran lässt sich erkennen, dass die generierten Ladungsmengen relativ gering sind. Dieser Aspekt stellt hohe Anforderungen an Mechanik und Elektronik, um ein Maximum an Energie ernten zu können.

Ein komplexes System

Aufgrund der je nach Applikation verschiedenen energetischen Anregungsbedingungen gibt es jedoch leider keine universelle Energy-Harvesting-Lösung. Um ein Energy-Harvesting-System richtig zu dimensionieren, muss man immer alle entscheidenden Randbedingungen kennen und berücksichtigen. Zum einen betrifft dies die Energiequelle: Hier ist zwischen kontinuierlichen und stoßweisen Bewegungen zu unterscheiden. Zum anderen müssen natürlich auch die Anforderungen des elektrischen Verbrauchers berücksichtigt werden. Zu den wichtigen Parametern gehören hier die benötigte Spannung, die Leistung und die Eingangsbeschaltung, also kapazitiv oder ohmsch. Auf Basis dieser Daten ist dann ein Design und eine Dimensionierung des Wandlers einschließlich Mechanik möglich.

Robuste Flächenwandler

Prinzipiell kann man jede piezokeramische Komponente oder jeden Piezoaktor als Energy Harvester einsetzen. Durch die Umwandlung mechanischer Schwingungen von einigen Kilohertz in elektrische Spannung lassen sich Leistungen im Milliwatt-Bereich erzeugen, die elektrische Bauteile versorgen können, zum Beispiel Prozessoren, Sensoren oder Minisender. Eine Lösung ist der robuste, einlaminierte Duraact-Transducer. PI Ceramic bietet hier viele Standardbauformen an.

Die Duraact-Flächenwandler bestehen aus Piezokeramikplatten oder -folien, die inklusive Kontaktierung in einem Polymer eingebettet sind. Dadurch wird die an sich spröde Keramik mechanisch vorgespannt und gleichzeitig elektrisch isoliert. Die mechanische Vorspannung erweitert die Grenzen der Belastbarkeit der Keramik, somit ist zum Beispiel auch eine Applikation auf gekrümmte Flächen möglich. Gleichzeitig vereinfacht der kompakte Aufbau einschließlich der Isolierung die Handhabung für den Anwender. Denn es besteht die Möglichkeit, den Flächenwandler in einen Verbundwerkstoff einzubetten.

Im Idealfall sind die Flächenwandler symmetrisch aufgebaut, das heißt bei Verbiegung des Wandlers entstehen auf beiden Elektrodenflächen gleiche Ladungsmengen mit entgegengesetztem Vorzeichen. Hier ließe sich jedoch keine Potenzialdifferenz messen. Aus diesem Grund ist es erforderlich, den Wandler auf ein Substrat, beispielsweise Aluminium, CFK- oder GFK-Material, zu kleben. Das Ergebnis ist dann eine klassische Biegerstruktur. Bei fester Randeinspannung und bei Auslenkung des Biegers lassen sich nun Ladungen generieren, die in erster Näherung proportional zu den in die Keramik eingebrachten Spannungen oder Dehnungen sind. Ein Test gibt Aufschluss darüber, welche Keramikdicke welche Voraussetzungen für das Energy Harvesting bietet. Dazu wurden die Wandler auf CFK-Streifen geklebt und einseitig eingespannt. Eine rotierende Exzenterscheibe lenkt den Biegewandler aus. Dieser Aufbau ermöglichte die für den direkten Wandlervergleich notwendigen reproduzierbaren Einspann- und Anregungsbedingungen, die Variation von Frequenz und Auslenkung.

Ausgangsleistung als Funktion des Lastwiderstandes

Zudem lässt sich vergleichen, wie sich die Biegerstrukturen aus CFK und den aufgeklebten unterschiedlichen Transducern (P-876.A11, -A12 und -A15) bei verschiedenen Lastwiderständen und gleichen Anregungsbedingungen verhalten (Frequenz: 1 Hz, Auslenkung: 5 mm). Die vom Generator kommende Wechselspannung wurde mit einer Vollweg-Graetz-Brücke gleichgerichtet und mit einem Kondensator (10 µF) geglättet. Bei verschiedenen Lastimpedanzen wurde dann die Ausgangsleistung für jeden Transducer-Typ ermittelt.

Dabei zeigte sich, dass jeder Testwandler einen unterschiedlichen elektrischen Lastbereich mit optimaler Leistungsabgabe hat. Die Biegerstruktur mit dem Duraact P-876.A12 liefert unter den genannten Randbedingungen die größte Ausgangsleistung. Daran lässt sich erkennen, dass für eine optimale Leistungsabgabe immer ein optimiertes Wandlerdesign mit entsprechender Leistungsanpassung notwendig ist.

Ausgangsleistung als Funktion der Anregungsbedingungen

Die weiteren Untersuchungsergebnisse beschränken sich auf die Biegerstruktur mit dem Flächenwandler. Die Ausgangsleistung wird maßgeblich durch die mechanische Deformation der Biegerstruktur bestimmt. Je größer die Auslenkung, desto größer sind die generierte Ladung und Leistung. Deshalb ist es besonders wichtig, die verfügbaren Energiequellen zu analysieren und darauf abgestimmt ein Mechanikdesign zu entwickeln, mit dem sich eine maximale Umwandlung mechanischer in elektrische Energie erzielen lässt.
Auch die Frequenz der Anregung hat unmittelbaren Einfluss auf die Ausgangsleistung. Es besteht annähernd ein linearer Zusammenhang zwischen Ausgangsleistung und Erregerfrequenz. Bei höherer Anregungsfrequenz verschiebt sich der optimale Lastbereich zu kleineren Werten.

Die passende Elektronik

Die für das Piezo-Energy-Harvesting vorliegende Testelektronik enthält einen Gleichrichter mit nachgeschaltetem Speicherkondensator und Lastschalter. Sie ist in der Lage, alternierende und kontinuierliche Eingangsspannungen zu verarbeiten. Durch die elektronische Schaltung wird die Last – also der Verbraucher – vom Generator entkoppelt und die Energie kann über lange Zeit gesammelt und gespeichert werden.

Für den Ladevorgang des Speicherkondensators muss die Leerlaufspannung des Generators größer als VHigh sein. Mit Erreichen des Spannungslevels VH nach der Ladezeit t1 + t2 beginnt der Entladevorgang (Versorgung eines Verbrauchers, t3). Sinkt die verfügbare Spannung auf den Wert VLow, ist keine weitere Leistungsabgabe möglich, der Speicherkondensator muss wieder geladen werden. Energie kann somit nur zwischen Spannungslevel VH und VL abgegeben werden.

Variiert man den Kondensator, ist eine Anpassung an den Leistungsbedarf des Verbrauchers möglich. Die Ausgangsspannung der Testelektronik kann flexibel zwischen 1,8 und 5 V eingestellt werden. Aufgrund der sich wiederholenden Phasen ‚Laden‘, ‚Speichern‘, ‚Energieabgabe‘ und ‚Laden‘ ist diese Lösung besonders für Anwendungen geeignet, die keinen kontinuierlichen Leistungsbedarf haben. Beispielsweise wird in drahtlosen Sensornetzwerken in Messpausen die Ladung generiert und gespeichert und für die Messung und Datenübertragung die Energie abgerufen.

Typische Anwendungen

Anwendungen, bei denen die durch Energy Harvesting gewonnene Energiemengen ausreichen und sinnvoll genutzt werden können, gibt es viele. Ein typisches Beispiel hierfür ist das Health Monitoring an den Flügeln von Windrädern. Weitere für Energy Harvesting interessante Bereiche sind Datenmonitoring und -übertragung in der Heizungs- und Klimatechnik. Nutzt die Energy-Harvesting-Lösung Fahrzeugvibrationen zur Energieerzeugung, lassen sich Produkte während des Transports lückenlos überwachen, ohne dass die entsprechende Sensorik verkabelt oder mit Batterien ausgestattet sein muss. Das ist dann sinnvoll, wenn ingeschlossenen Behältern Temperaturen erfasst werden sollen. In der Frontscheibe von Kraftfahrzeugen können Regensensoren per Energy Harvesting versorgt werden und auch der Energie-Bedarf drahtloser Zigbee-Netze lässt sich in vielen Fällen decken, wenn man in der Umgebung Energie erntet 

Birgit Schulze

: Bereich Markt & Produkte bei der Physik Instrumente (PI) GmbH & Co. KG in Karlsruhe/Palmbach. Ellen Christine Reiff: Redakteurin beim Redaktionsbüro Stutensee.

(mf)

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