Die Forscher des Fraunhofer IFF entwickelten den autonomen Roboter Annie, um die heutigen technischen Möglichkeiten im Bereich der Assistenzrobotik zu demonstrieren.

Die Forscher des Fraunhofer IFF entwickelten den autonomen Roboter Annie, um die heutigen technischen Möglichkeiten im Bereich der Assistenzrobotik zu demonstrieren.Fraunhofer IFF

Schon die nahe Zukunft könnte so aussehen: Roboter, die selbstständig durch Produktionshallen fahren und Fachkräfte bei der Montage von schweren Bauteilen oder bei der Qualitätsprüfung unterstützen. Ein Pfleger im Krankenhaus, der gemeinsam mit einem Roboter die Patienten versorgt. Oder eine Laborassistentin, die ihrem mechanischen Kollegen Petrischalen mit Proben zeigt und ihm aufträgt, den nächsten Test allein durchzuführen.

Teilweise existieren die dafür notwendigen Technologien schon heute. Einige werden längst genutzt. Andere müssen noch weiterentwickelt werden oder warten nur noch auf ihren ersten richtigen Einsatz. „Die Robotik befindet sich an einem Wendepunkt. Sie entwickelt sich über die klassische Industrierobotik hin zum modernen Assistenzroboter“, sagt Dr. Norbert Elkmann. Der Robotikexperte am Magdeburger Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF arbeitet seit Jahren mit seinen Kollegen an neuen Robotikanwendungen und Technologien mit dem Schwerpunkt Sicherheit bei der Mensch-Roboter-­Kooperation. „Wir werden bald an vielen Stellen Roboter erleben, die uns bei unseren Aufgaben aktiv unterstützen und nicht mehr von Schutzzäunen getrennt von uns arbeiten“, prognostiziert der Forscher. Elkmann arbeitet gemeinsam mit seinen Mitarbeitern eng mit weiteren zentralen Akteuren der europäischen Roboterentwicklung zusammen und kooperiert mit Herstellern und der Industrie, die die neuen Robotikszenarien umsetzen möchten. Einige der Entwicklungen des Magdeburger Fraunhofer-Instituts werden bereits von der Industrie intensiv nachgefragt. Zum Beispiel die ‚künstliche Haut‘, ein taktiles Sensorsystem mit dem sich ein Roboter maßgeschneidert einhüllen lässt. Der Roboter fühlt damit fast wie ein Mensch Ort und Intensität einer Berührung und stoppt zum Beispiel seine Bewegung sofort, wenn ein ungeplanter Kontakt eintritt.

Dynamische Käfige aus Licht

Auch andere Sicherheitssysteme zur Überwachung von gemeinsamen Arbeitsräumen von Mensch und Roboter sind in den Laboren der Magdeburger Forscher entstanden. Dazu zählen optische Systeme wie etwa dynamische Schutzräume aus sichtbarem Licht, die jeder Bewegung des Roboters genau folgen. Sobald etwas den Lichtvorhang durchbricht, reagiert die Maschine. Neue, flexible Kinematiken in Rüssel- und Seilzugrobotern gehören ebenfalls dazu. Sie besitzen keine Scher- oder Klemmstellen mehr oder so geringe Massen und Geschwindigkeiten, dass sie Menschen nicht mehr verletzen können. „Wir entwickeln Technologien, die es Robotern einerseits erlauben, sich frei unter uns zu bewegen, und die es andererseits uns Menschen gestatten, ganz intuitiv und ohne Verletzungsrisiko mit der Maschine zusammenzuarbeiten“, fasst Elkmann zusammen.

Kuka stellte auf der Fachtagung des Fraunhofer IFF zur Mensch-Roboter-Kooperation in Magdeburg seinen neuen Leichtbauroboter vor.

Kuka stellte auf der Fachtagung des Fraunhofer IFF zur Mensch-Roboter-Kooperation in Magdeburg seinen neuen Leichtbauroboter vor.Fraunhofer IFF

Im Rahmen der großen jährlichen Wissenschaftskonferenz des Fraunhofer IFF, den IFF-Wissenschaftstagen, luden die Forscher am 20. Juni 2013 zu ihrer regelmäßigen Fachtagung zur Mensch-Roboter-Kooperation nach Magdeburg ein. Mehr als einhundertzwanzig Experten aus Forschung und Industrie folgten der Einladung und diskutierten untereinander und mit den Referenten, wie Prof. Alois Knoll von der TU München, Prof.Bernd Kuhlenkötter von der TU Dortmund oder Dr. Ralf Koeppe , Leiter des Bereichs Forschung und Entwicklung bei Kuka, über die Zukunft der Robotik.

Über einhundert Fachleute

In diesem Jahr bewegten sich die Vorträge um die Themen Sicherheit, multimodale Interaktion, intuitive Roboterprogrammierung, psychosoziale Aspekte der Mensch-Roboter-Kooperation sowie aktuelle Planungsvorhaben der Industrie zu der Einführung von Assistenzrobotern. Vor allem die Automobilindustrie ist diesbezüglich ein Vorreiter. Die Vertreter der großen deutschen Automobilhersteller waren darum auch vollständig angereist. Genauso wie die Fachexperten der Universitäten aus München, Bielefeld und Dortmund, des KIT in Karlsruhe oder der Entwicklungsabteilungen der Unternehmen Kuka und Pilz. Letztere zeigten in der begleitenden Fachausstellung gemeinsam mit dem Fraunhofer IFF auch gleich neue Entwicklungen zur Robotik und der sicheren Mensch-Roboter-Interaktion, wie ein System zur optischen Arbeitsraumüberwachung von Pilz und den Kuka-Leichtbauroboter.

Aber auch ein anderes Thema spielte auf der Fachtagung eine zentrale Rolle: die Festlegung von Beanspruchungskriterien beim Menschen im Kontakt mit Robotern. Im Klartext: Wie stark darf eine Berührung von Mensch und Maschine höchstens sein, damit es nicht zu Verletzungen kommt? Die Vertreter des Instituts für Arbeitsschutz IFA sowie das Fraunhofer IFF stellten ihre jeweiligen Studien vor, in denen die biomechanischen Belastungsgrenzen erstmals wissenschaftlich untersucht werden. Ihr Ziel ist die genaue Definition der Schmerz- und Belastungsgrenzen, nach denen die Hersteller und die Anwender in der Industrie die neuen Assistenzroboter künftig auslegen können.

Für Dr. Elkmann ist der Trend klar: „Es geht darum, Roboter zu entwickeln, die sich an uns und unsere Alltags- und Arbeitswelten anpassen, und nicht mehr umgekehrt.“ Beispielhaft haben er und sein Team als Forschungsplattform den mobilen Assistenzroboter Annie entwickelt. Der Assistenzroboter erkennt seine Umgebung, fährt selbstständig und sicher durch Räume, besitzt sensible Greifer und öffnet auch schon mal ganz vorsichtig eine zerbrechliche Glastür. Seine möglichen Einsatzgebiete sind vielfältig. Die IFF-Entwickler sehen ihn zum Beispiel als Assistenten in der Logistik, für Hol- und Bringdienste, für die Bestückung von Maschinen, in der Laborautomatisierung oder im Heim- und Pflegebereich. „Aber das sind nur ein paar der möglichen zukünftigen Anwendungen“, fasst Elkmann zusammen.

(mf)

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