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Bild 1: Elektronikkoffer auf Abwegen: Für den Transport zu einer Ausstellung in Prag mussten Reliquiare unschätzbaren Wertes sicheren Schutz erhalten.

Bild 1: Elektronikkoffer auf Abwegen: Für den Transport zu einer Ausstellung in Prag mussten Reliquiare unschätzbaren Wertes sicheren Schutz erhalten.Santox

Praktisch immer übersteigt der Wert der in mobile Gehäuse eingebauten Geräte den Preis des Koffers um ein Vielfaches. Das gilt selbst dann, wenn es um qualitativ in der Oberliga spielende Packaginglösungen wie die von Santox geht, die zusätzlich noch ein umfassendes Paket an Mechatronik- und Klimatisierungskomponenten beinhalten. Dennoch gibt es schwierig umzusetzende Anwendungen.

Dass sakrale Objekte mit siebenstelligem Versicherungswert1 in zwei mobilen Koffern Unterbringung finden sollen, ist einzigartig. Es war sofort klar, dass für diese exklusiven Stücke nicht irgendein Baumarkt-Koffer ausreicht. Die Wahl fiel daher auf einen Santox-Koffer vom Typ S2000. Von vornherein klar war dabei auch, dass der erzielbare Verkaufspreis nicht kostendeckend, sondern werksintern nur als Kunstmäzentum zu rechfertigen sein würde.

Bitte nicht berühren!

Bild 2: Basierend auf 3D-Scans setzte Santox die diffizile Sicherung und Klimaüberwachung um.

Bild 2: Basierend auf 3D-Scans setzte Santox die diffizile Sicherung und Klimaüberwachung um. Santox

„Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass.“ lautet ein bekanntes Sprichwort. Genau mit dieser Problematik sah man sich konfrontiert, denn es galt, festzuhalten, ohne fest zu halten. Einerseits mussten die Preziosen fest und unverrückbar in den Koffern gesichert sein. Immerhin sollen sie aus dem Tresor der ehemaligen Benediktinerabtei Zwiefalten der Diözese Rottenburg, den sie sonst (wenn überhaupt) nur an wenigen, ausgesuchten Feiertagen verlassen, die weite Reise zu einer fünfmonatigen Ausstellung in Prag antreten.

Bild 3: Datenlogger, Trockenbox und Luftführung waren so zu konzipieren, dass sich repräsentative Messwerte ergeben.

Bild 3: Datenlogger, Trockenbox und Luftführung waren so zu konzipieren, dass sich repräsentative Messwerte ergeben.Santox

Andererseits jedoch kamen für die rüttel- und stoßfeste Fixierung nur ganz wenige Flächen in Frage, auf denen sich etwa keine eingesetzten Juwelen oder filigranen Ausprägungen befinden. Die Lösung waren passgenau konstruierte und CNC-gefräste PE-Schaum-Formteile, deren Oberflächen man nach der Bearbeitung thermisch schloss. Aufgrund jahrelanger Erfahrung bei Industrieapplikationen konnte Santox garantieren, dass

  • die verwendeten Materialien reinraum- und medizingerätetauglich sind, also vollständig frei von organischen oder natürlichen Stoffen sowie bis hinein in feinste Nuten und Spalten keine Bearbeitungsrückstände wie Stäube, Späne oder unsaubere Entgratungen haben, von denen sich Material ablösen kann;
  • die Materialien chemisch und physikalisch neutral sind;
  • die Koffer für den Transport einen hohen Schutz bieten, wie er sonst in industriellen Applikationen als IP-Schutzart bekannt ist.

Bitte nicht berühren – das galt selbst für das betreuende Fachpersonal: den Restaurator Hans-Joachim Bleier aus Rottenburg und Dr. Melanie Prange, Konservatorin der Diözese Rottenburg. Zumindest nicht mit bloßen Händen. Deshalb ist in beiden Koffern jeweils ein Fach für feine Schutzhandschuhe integriert.

Bild 4: Die  Gehäusefamilie S4000 zeigt für eine Elektronikanwendung eine Kühlkonzeption mit mehreren Lüftern.

Bild 4: Die Gehäusefamilie S4000 zeigt für eine Elektronikanwendung eine Kühlkonzeption mit mehreren Lüftern.Santox

Beide Objekte wurden deshalb auch dreidimensional gescannt. Diese digitalen Scandateien waren Ausgangspunkt für die Konstruktion bei Santox (Bild 2), man musste also aus deren richtiger Interpretation die entscheidenden Auflage- und Gegenhaltepunkte ableiten. Die kostbaren Unikate durften aus Sicherheitsgründen nicht nach Löffingen-Unadingen reisen.

Dokumentiertes Wohlfühlklima

Der mechanische Transportschutzkoffer – der dem Wert des kunsthistorischen Inhaltes auch vom Äußeren her Rechnung tragen sollte – war allerdings nicht die einzige Anforderung an das mobile Gehäuse. Wie bei vielen technischen Anwendungen waren die klimatischen Bedingungen im Inneren des Koffers auch in diesem Fall besonders wichtig. Luftfeuchtigkeit und Temperatur während der Transportzeit mussten dazu lückenlos dokumentiert werden. Hierzu integrierten die Ingenieure in beide Koffer einen batterieversorgten Datenlogger LOG 20 von Dostmann Electronic (jeweils das obere Fach in Bild 2). Santox übernahm für den Kunden auch dessen Beschaffung und stellte konstruktiv die richtige Platzierung und Luftzirkulation für repräsentative Messwerte sicher. Für angepasste, gemäßigte Trockenheit sorgten granulatgefüllte Trockenboxen (in Bild 2 unten).

Auf der Hinreise, so lässt sich festhalten, ist das Schutzkonzept vollständig aufgegangen. Bleibt lediglich, den Reliquien nach Beendigung der Ausstellung eine ebenso geglückte Rückreise nach Zwiefalten zu wünschen. Kofferseitig jedenfalls sind dafür alle Voraussetzungen geschaffen.

Individuellen Schutz ermöglichen

Bild 5: Mit dem Klassiker S2000 lassen sich Gehäuse und Koffer modular aus dem Systembaukasten konfigurieren.

Bild 5: Mit dem Klassiker S2000 lassen sich Gehäuse und Koffer modular aus dem Systembaukasten konfigurieren.Santox

Generell kann sich die Dienstleistungspalette bei der individuellen Kofferkonstruktion über einen weiten Bereich erstrecken. Dazu zählen mechanische Bearbeitungen aller Art auf Bearbeitungszentren, Beschriftung, Funktionsprüfung, Beschaffung und Überwachung aller Bauteile eines Komplettsystems, Herstellung von Kunststofftiefziehteilen und von maßgeschneiderten PE-Schaumstoffteilen sowie das Klimamanagement.

Laut Santox steht das Unternehmen mit einem modularen mechatronischen Gesamtlösungsprogramm für mobile, ganzheitliche, funktionelle und meist hoch technische Lösungen. Zielgruppe sind Anwender, die für ihre Applikationen ein adäquates Äußeres in hoher Qualität suchen.

Eckdaten

In der kundenspezifischen Realisierung mobiler Gehäuselösungen für elektronische, mechatronische und anspruchsvolle technische Gerätschaften sieht Santox seine Kernkompetenz. Die Gelegenheit, die dabei gewonnene Erfahrung einem kunsthistorischen Zweck zur Verfügung zu stellen, motivierte den Verfasser dieses Beitrags zur Entwicklung von zwei Transportkoffern der besonderen Art. In diesem Fall beschrieb der Kunde den zu verpackenden Inhalt verbal und lieferte 3D-Scans der wertvollen Reliquiare. Für die Platzierung, die ein schonendes Handling und die stehende Entnahme des filigranen Inhaltes sichert, sowie für die Überwachung des Klimas sorgte Santox. In kurzer Zeit erstellte man die Konstruktionszeichnungen und baute die beiden Koffer samt Innenleben auf.

Klosterschätze Zwiefalten

Sicher verwahrt für die Reise. Dieser Satz charakterisiert die anspruchsvolle Aufgabe, die Santox mit dem Transport von zwei Reliquiaren aus dem Zwiefalter Münsterschatz übernommen hat. Für die Ausstellung „Die Benediktiner im Herzen Europas 800 bis 1300“, die noch bis zum 15. März 2015 in Prag zu sehen ist, haben zwei wertvolle Stücke ihre Heimat verlassen. Die Goldschmiedearbeiten gehören zu den Glanzstücken der Ausstellung.

Die Zwiefalter Staurothek ist ein Reliquiar, dessen älteste, zentrale Teile vor 1138 entstanden. Es sei ein in dieser Form weltweit einmaliges Werk, versichert die verantwortliche Diözesenkonservatorin Dr. Melanie Prange. Auf dem reich mit Golddraht verzierten Tafelreliquiar aus goldbedecktem Eichenholz mit Perlen und Edelsteinen symbolisieren Tiere und Fabelwesen die erlösungsbedürftige Welt. Das Zentrum bildet ein Doppelkreuz in byzanthinischer Form.

Das Zwiefalter Reliquienkreuz entstand im ersten Viertel des 12. Jahrhunderts. Als Vortragekreuz konnte man es auf eine Stange stecken. Ein im 19. Jahrhundert aufgebrachter Christuskorpus verweist auf den Erlöser. Das Kreuz, dessen heutige Vorderseite ursprünglich die Rückseite war, betont die Herrschaft Christi über die Erde. Für Kunsthistoriker liefern beide Werke eine faszinierende Fülle künstlerischer Details und religiöser Botschaften.

Prima Klima

Durchdachten Klimatisierungskonzepten kommt zunehmende Bedeutung bei mobilen Gehäusen und hochwertigen Gerätekoffern zu. Oft geht es dabei um eine wirkungsvolle Kühlung, also um das Ableiten der im Inneren erzeugten Wärme. Unter frostigen Bedingungen ist gelegentlich eine Geräteheizung für die störungsfreie Funktion gefragt. Wenn es ganz dick kommt, muss im mobilen Gehäusekoffer Platz für beides – Kühlen und Heizen – sein. Gleichzeitig müssen Betriebssicherheit und hoher mechanischer sowie gegebenenfalls auch elektromagnetischer Schutz für die Anwendung gewährleistet sein.

Die Praxis zeigt, dass optimale Modelle immer dann entstehen, wenn die gehäusespezifischen Gegebenheiten und Vorteile mit der erforderlichen Klimatisierungslösung von Anfang an verzahnt sind. Das heißt, dass der ganzheitliche Entwicklungsprozess in Zusammenarbeit abläuft. Grundsätzlich sollte man dabei verschiedene Klimatisierungstechnologien beherrschen, um durch geschickte Auswahl aus einem ganzen Bündel an Möglichkeiten die wärmetechnisch geeignete auswählen zu können.

Santox kann auch das Wärmemanagement übernehmen. Beim Einbau aktiver, Verlustwärme erzeugender Elemente klassifizieren die Ingenieure bereits ab dem ersten Kundengespräch die einzelnen Komponenten der Applikation und ordnen sie wärmetechnisch sinnvoll an. Dabei gilt die Devise: So klein wie möglich und dabei groß genug für das richtige Klima.

Weit verbreitet bei mobilen Anwendungen ist die Kühlung per Luftumwälzung über Radiallüfter. Obschon zunächst trivial erscheinend, ist auch dabei ingeniöse Planung gefragt. Beispielsweise um Luftkurzschlüsse zu vermeiden und Hotspots erst gar nicht entstehen zu lassen. Auch die vordergründig nahe liegende Formel mehr Lüfter gleich mehr Kühlung geht dabei nicht automatisch auf: Sind mehrere Lüfter im Einsatz, können diese auch gegeneinander arbeiten, anstatt sich wirkungsvoll bei der Wärmeabfuhr zu unterstützen. Bild 4 zeigt am Beispiel der Gehäusefamilie S4000 für eine Elektronikanwendung eine Kühlkonzeption mit mehreren Lüftern, die sich zusätzlich durch spezifisch gestaltete Luftleitbleche unterstützen lassen.

Fußnote

1 Ein realer Wert lässt sich nicht angeben, da es sich um mittelalterliche Unikate handelt. Siehe hierzu Kastentext Klosterschätze Zwiefalten.

Peter Hauser

war Gründer von Santox-Industriekoffer und ist verantwortlich für Technik und Entwicklung bei Santox in Löffingen-Unadingen.

(rao)

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