Nachdem der Roboter einen Bremskolben in die Schleif­maschine eingelegt hat und dieser bearbeitet wird, holt er das nächste Teil aus dem Magazin.

Nachdem der Roboter einen Bremskolben in die Schleif­maschine eingelegt hat und dieser bearbeitet wird, holt er das nächste Teil aus dem Magazin.DMC

Bremskolben für Scheibenbremsen gibt es in den unterschiedlichsten Varianten: Sie können zwischen 30 und 100 mm hoch sein, Außendurchmesser von 15 bis 70 mm und verschiedene Innenausdrehungen aufweisen. Alle müssen jedoch die gleichen Anforderungen erfüllen: Sie müssen absolut frei von Kratzern und Kerben sein, ein homogenes Schliffbild aufweisen und in sortenreinen Packungsmengen verfügbar sein. Um diese Anforderungen zu erfüllen, hat bisher ein Arbeiter die Bremskolben nach dem automatisierten elektrolytischen Galvanisieren und Trocknen manuell aus einem Magazin entnommen und in eine Bandschleifmaschine gelegt. Einanderer hat anschließend eine Sichtprüfung der gesamten Zylinderoberfläche durchgeführt. Je nach Prüfergebnis erfolgte anschließend das Sortieren zum Endverpacken, zur Nacharbeit oder zum Ver­schrotten. Diese sehr personalintensiven Arbeiten erwiesen sich als unsicher, zeit­aufwendig und teuer, sodass der Auftraggeber nach einer möglichst vollautomatischen Lösung suchte, die er leicht in den Produktionsablauf integrieren konnte.

Der grundlegende Aufbau der Anlage

Für den Transport der Magazine, die bis zu 50 kg wiegen können, dient eine Sonder­maschine mit Kettenantrieb. Das Bewegen der einzelnen Kolben übernimmt ein Industrieroboter, einschließlich Steuerung und Bedienpanel mit einer Traglast von 10 kg und einer Reichweite von 1,6 m. Der Roboter verfügt über eine Kombination aus pneumatischem Dreifinger-Greifer und Kamera mit Objekt­beleuchtung sowie diversen Endschaltern. Das Sortieren der geprüften Kolben in verschiedenen Güteklassen übernimmt ein Förderband. Der Schleifprozess einschließlich Absaugeinrichtung obliegt einer seriennahen Schleifmaschine der Firma Fein.

Die Inspektion der Kolbenoberfläche erfolgt über eine hochauflösende monochromatische Kamera in Kombination mit einer speziell entwickelten Abbildungsoptik, sodass ein Drehen des zu prüfenden Kolbens oder der Einsatz mehrerer Kameras nicht nötig ist.

Der eingesetzte Visioncontroller verfügt über mehrere Kameraanschlüsse, digitale Ein- und Ausgangssignale, diverse USB-Anschlüsse zur Verbindung mit externen Massenspeichern, Tastatur, Datenmaus und Schnittstellen zur Kopplung mit der Robotersteuerung und den Netzwerk­anschluss über Ethernet. Das Basis-­Betriebssystem des Controllers ist ein Embedded Windows CE, auf das eine ­Vision-Software mit allen Funktionen moderner Bildverarbeitungssysteme aufgesetzt ist.

Die Software denkt mit und zeigt es auch

Von Anfang an war es der Wunsch des Anwenders, die Anlage mit möglichst wenigen Eingabe-Parametern und Anzeige­größen über das Firmen-Netzwerk zu steuern, und wenn möglich im Fernbedienungsmodus zu betreiben. Zudem lag es auf der Hand, die Mess- und Inspektionskameras in den Steuerungsablauf so zu integrieren, dass der Anwender jederzeit auf die relevanten Kamerabilder zugreifen kann. Damit ist der gesamte Produktionsablauf nicht nur textuell sondern auch durch bewegte beziehungsweise zwischengespeicherte Bilder und Grafiken am Bildschirm nachvollziehbar. Diese Anforderungen erfüllen moderne Visionsysteme wie der Visioncontroller der FZ4-Serie von Omron, der als Master ausgewählt wurde.

Die Steuerung berechnet in wenigen Millisekunden die Positionsabweichungen der Produkte in der X-/Y-Ebene des Magazins relativ zu den Greifer-Koordinaten. Abweichungen von ±30 mm lassen sich bestimmen.

Die Steuerung berechnet in wenigen Millisekunden die Positionsabweichungen der Produkte in der X-/Y-Ebene des Magazins relativ zu den Greifer-Koordinaten. Abweichungen von ±30 mm lassen sich bestimmen.DMC

Der Datenaustausch zwischen Vision- und Robotercontroller erfolgt sowohl über Ethernet als auch über digitale Ein- und Ausgänge. Die Robotersteuerung ist in der Lage, parallele Prozesse quasi gleichzeitig zu bedienen. Das bedeutet, dass sie die Bewegung des Roboters und die pneumatische Antriebstechnik für den Schleifprozess, die Steuerung der Magazinbewegung und des Sortierbandes einschließlich der gesamten Sicherheitstechnik, wie Not-Aus-Überwachung, Halt bei Zyklusende oder Signalleuchte übernimmt.

Neben dem Vision-Bildschirm gibt es ein Handprogrammiergerät mit integriertem Bildschirm als zweites Ein-/Ausgabemedium. Dieser Touch-Bildschirm dient jedoch ausschließlich zu Programmier- und Servicezwecken des Roboters – für den normalen Produktionsbetrieb ist er nicht notwendig.

Am Anfang waren die Daten

Voraussetzung für die Produktion und automatische Sichtprüfung eines Loses Bremskolben ist ein Produktdatensatz. Liegt der Datensatz dem System bereits vor, ist lediglich am Vision-Bildschirm die entsprechende Artikelnummer zu laden und die Gesamtzahl der zu bearbeitenden Produkte einzugeben. Im Falle von noch nicht hinterlegten Produktdaten, zum Beispiel bei neuen Produkten, genügt die Eingabe von wenigen geometrischen Daten des Neuprodukts wie Außendurchmesser, Höhe und Anzahl der Kolben pro Magazin. Die entsprechende Datei wird mit der zugehörigen Artikelnummer versehen und ist damit bereit zur Produk­tion. Alle weiteren vision- und roboter­abhängigen sowie schleif- und fördertechnischen Parameter, leitet das System automatisch daraus ab.

Die Schleifmaschine wird über ein Pneumatikventil in Betrieb gesetzt und der Bremskolben läuft entlang des Schleifbandes. Über eine weitere Laserlichtschranke erkennt die Robotersteuerung die Endposition des Produkts am Schleifband, schaltet den Schleifvo

Die Schleifmaschine wird über ein Pneumatikventil in Betrieb gesetzt und der Bremskolben läuft entlang des Schleifbandes. Über eine weitere Laserlichtschranke erkennt die Robotersteuerung die Endposition des Produkts am Schleifband, schaltet den SchleifvoDMC

Der Automatikbetrieb läuft und läuft…

Am Beginn des Produktionszyklus steht zum einen das Laden des entsprechenden Produktdatensatzes durch Auswahl und Aktivieren der Artikeldatei im Netzwerk und zum anderen die Bereitstellung der jeweiligen Anzahl von Magazinen. Ein Arbeiter setzt die mit den entsprechenden Produkten gefüllten Magazine mithilfe von Hubwagen und einem manuell bedienten Elektrokran auf den Kettenförderer. Bis zu vier Magazine mit einer Traglast von 50 kg lassen sich außerhalb der Roboterzelle zuführen. Dies bedeutet bei einem Fassungsvermögen von 180 Produkten je Magazin und einer mittleren Zykluszeit von 15 s einen mannlosen Betrieb von etwa drei Stunden. Die Bedienperson startet den Produk­tionszyklus über die Starttaste. Die Maschine fährt nun das erste geladene Magazin über den Kettenförderer am Einlass der Vergitterung in die Roboterzelle ein. Der Kettenförderer, gesteuert von einer Laserlichtschranke, stoppt, sobald sich das Magazin in Ladeposition befindet. Jetzt startet der Produktionszyklus mit Hochgeschwindigkeit in fünf Schritten:

Der Roboter führt zunächst die mit­bewegte Kamera in einem definierten Abstand über das erste zu entladende Produkt und löst eine geblitzte Bildauf­nahme aus. Die Steuerung berechnet in wenigen Millisekunden die Positions­abweichungen der Produkte in der X-/Y-Ebene des Magazins relativ zu den Greifer-Koordinaten. So lassen sich Abweichungen von ±30 mm bestimmen.

Nach der Positionskorrektur durch eine schnelle Roboterbewegung macht das Vision-System eine Kontrollaufnahme. Liegt die korrigierte Position innerhalb einer Toleranz von ±1 mm, erfolgt nach dem Ausgleichen der Positionsdifferenz zwischen Sensor und Dreifinger-Greifer das Rendezvous zwischen Greifer und ausgewähltem Produkt. Die kamerageführte Bewegung resultiert in einem sicheren Positionieren auch bei geringen Kolbendurchmessern. In Verbindung mit greiferintegrierten Endlagensensoren an den Fingern ist eine Kollisionsgefahr ausgeschlossen.

Sobald der Greifer die exakte Position erreicht hat, öffnet ein Pneumatikventil den Greifer und hebt das Produkt aus dem Magazin. Der Roboter verfährt das erste Produkt in die Startposition innerhalb der Schleifanlage.

Jetzt laufen zwei Prozesse parallel ab: Zum einen wird die Schleifmaschine über ein weiteres Pneumatikventil in Betrieb gesetzt und der Bremskolben läuft entlang des Schleifbandes. Über eine weitere Laserlichtschranke erkennt die Robotersteuerung die Endposition des Produkts am Schleifband, schaltet den Vorgang ab und bewegt den Bremskolben automatisch über einen langen Pneumatikzylinder zurück zur Aufnahmeposition. Zum anderen fährt zwischenzeitlich der Roboter zurück zum Magazin und entnimmt, wie bereits beschrieben, das zweite zu bearbeitende Produkt. Zum Beschleunigen des gesamten Zyklus entwickelte der Hersteller ein Dreifach-Produktpuffer, der dafür sorgt, dass der Schleifprozess für ein Produkt parallel zur Roboterbewegung, Inspektion und Sortierung des vorangegangenen Produkts erfolgt.

Aus dem Produktpuffer wird das vorderste Produkt mit dem Roboter mit hoher Geschwindigkeit an den Eingang der Inspektionskammer gefahren. Der Greifer legt den Prüfling zur Inspektion aber nicht ab. Vielmehr führt er diesen mit einer langsamen Vertikalbewegung in die Prüfkammer, wo eine hochauflösende Messkamera die Prüfung erledigt. Dazu schaltet eine spezielle Beleuchtung in der Prüfkammer ein, die mittels Ringoptik mit ein bis drei Kameraaufnahmen – abhängig von der Kolbengröße – die gesamte Zylinderoberfläche auf Kratzer und Beschädigungen untersucht. Nach wenigen Zehntelsekunden ist die Inspektion abgeschlossen und der geprüfte Kolben wird aus der Kammer herausgefahren. Mit hoher Geschwindigkeit fährt der Roboter, abhängig vom Inspektionsergebnis, zum ‚in Ordnung-‘ oder ‚nicht in Ordnung-Sektor‘ des Sortierbandes und setzt den Kolben ab. Danach fährt er sofort die nächste Aufnahmeposition des Produktmagazins an. Der Zyklus beginnt von neuem.

Die Inspektion wird bei langsamer Vertikalbewegung mit einer hochauflösenden Messkamera in der Kammer durchgeführt. Dazu schaltet eine spezielle Beleuchtung in der Prüfkammer ein, die mittels Ringoptik mit ein bis drei Kameraaufnahmen – abhängig von der K

Die Inspektion wird bei langsamer Vertikalbewegung mit einer hochauflösenden Messkamera in der Kammer durchgeführt. Dazu schaltet eine spezielle Beleuchtung in der Prüfkammer ein, die mittels Ringoptik mit ein bis drei Kameraaufnahmen – abhängig von der KDMC

Ablage Sortierband

Das Sortierband endet außerhalb der Roboterzelle an einer manuell bedienten Packstation. Die Aufnahmekapazität der Sortierbandes ist so groß, dass sich dort mehrere Magazininhalte sortieren lassen. Ein manuelles Abräumen ist nicht erforderlich. Sollte eine Sortierspur aber dennoch komplett gefüllt sein, registriert dies eine Laserlichtschranke an der Ablageposition des Roboters. In diesem Fall stoppt der Roboter und die Anlagensignalleuchte zeigt den Überfüllungszustand an.

Ist ein Magazin komplett entladen, transportiert der Kettenförderer das leere Magazin durch die Roboterzelle in Richtung Packstation, wo es, nachdem es der Bediener entnommen hat, erneut befüllt wird. Gleichzeitig wird das nächste Magazin wieder automatisch positioniert.

Roboterintelligenz durch Kameraeinsatz

Die am Roboterflansch mitbewegte Kamera versetzt das Roboterprogramm in die Lage, eigenständig Entscheidungen zu treffen. Zum Beispiel sucht es im Falle von abweichenden Kolbenanordnungen im Magazin nach dem nächstgelegenen Kolben innerhalb eines bestimmten Radius. Sollte auch dort kein Produkt zu finden sein, fährt der Roboter die nächste Depalettierposition an. Ist auch dort innerhalb des Suchradius kein Produkt, so bricht er die Suche ab und schleust das nächste Magazin zur weiteren Bearbeitung ein. Da das System jeden Produkt­zyklus zählt und mit der angegebenen Gesamtstückzahl pro Los vergleicht, kann es die Differenzstückzahl am Bildschirm anzeigen.

Dr. Hans-Georg Meißner

ist Geschäftsführer bei der DMC Vision & Motion GmbH aus Bernau.

(dl)

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