Das Ethernet hat die Kommunikation in der Automatisierung verändert. Klassische Feldbusse müssen sich behaupten, neue Feldbusse müssen zuverlässiger und sicherer werden

Das Ethernet hat die Kommunikation in der Automatisierung verändert. Klassische Feldbusse müssen sich behaupten, neue Feldbusse müssen zuverlässiger und sicherer werdenMystock – Fotolia.com

Glauben Sie daran, dass sich die vielen Feldbusse irgendwann auf wenige reduzieren lassen?

Holger Zeltwanger, CiA: Mitte der 90er Jahre gab es über 20 sogenannte Feldbus-Systeme. Von diesen sind nur wenige übrig geblieben: CANopen, CC-Link, Devicenet und Profibus. Wobei CANopen und Profibus dominieren, die beiden anderen werden im wesentlichen von den Hauptprotagonisten eingesetzt.

Dr. Peter Wenzel, PNO: In der IEC 61158 sind derzeit etwa 20 Feldbusse und Ethernet-basierte Kommunikationssysteme enthalten. Davon haben jedoch nur einige signifikante Marktrelevanz erreicht. Profibus ist Weltmarktführer, nicht zuletzt weil er der einzige Feldbus ist, der die Fabrik- und Prozessautomatisierung abdeckt.

Robert Diosi, VNO: Eine gewisse Reduzierung wird es mittelfristig sicherlich geben. Der Markt wird sich jedoch nicht auf einige wenige Bussysteme beschränken, da die unterschiedlichen Interessen der Hersteller nicht außer acht gelassen werden dürfen. Hinzu kommt die Tatsache, dass verschiedene Anwendungen auch unterschiedliche Anforderungen an das Bussystem stellen, und es dadurch auch in Zukunft eine Vielzahl von Bussystemen geben wird.

Wie sehen Sie die Situation zwischen nicht-Ethernet und Ethernet-basierten Feldbussen?

Holger Zeltwanger ist geschäftsführendes Vorstandsmitglied bei CAN in Automation (CiA).

Holger Zeltwanger ist geschäftsführendes Vorstandsmitglied bei CAN in Automation (CiA).CiA

Holger Zeltwanger, CiA: Ethernet ist schneller als die herkömmlichen industriellen seriellen Bussysteme, die oft fälschlicherweise als Feldbus-Systeme bezeichnet werden. Allerdings benötigen Ethernet-basierende Kommunikationssysteme aktive Netzwerkkomponenten – zum Beispiel Hubs und Switches -, welche die Gesamtzuverlässigkeit des Systems verringern. CAN-basierende Netzwerke sind nicht nur zuverlässiger, sondern auch robuster gegen elektromagnetische Störungen und andere Umwelteinflüsse.

Dr. Peter Wenzel, PNO: Klassische Feldbusse werden nach wie vor stark nachgefragt. Mittelfristig werden sich allerdings aufgrund des kontinuierlichen technologischen Fortschritts Ethernet-basierte Systeme durchsetzen. Die Innovation zur Ethernet-basierten Kommunikation wird aber in den verschiedenen Branchen unterschiedlich schnell erfolgen. In der Automobilindustrie zum Beispiel ist bereits heute Profinet flächendeckend installiert. In der Prozessautomatisierung findet derzeit der Einzug von klassischen Feldbussen statt.

Robert Diosi, VNO: Mittelfristig wird sich die Automatisierungstechnik sicherlich in Richtung Ethernet-basierte Feldbusse bewegen. In diesem Markt wird aktuell auch viel im Bereich Anschluss- und Verdrahtungstechnik für die Automatisierung entwickelt. Die hohe Verbreitung von zum Beispiel CAN-Bus und die günstig verfügbaren Microcontroller mit CAN-on-board werden sicher noch über längere Zeit den Automatisierungsmarkt mitbestimmen.

Wie hoch schätzen Sie den Drang der Endanwender hin zu Wireless ein?

Holger Zeltwanger, CiA: Jede drahtgebundene Kommunikation ist zuverlässiger und weniger störanfällig als ein Funkverbindung. Von daher sind Wireless-Netzwerke in ihrer Anwendung prinzipiell eingeschränkt. Außerdem besteht bei allen Funkverbindungen ein erhöhtes Security-Risiko.

Katherine Voss ist Executive Director der Open Devicenet Vendor Association (ODVA).

Katherine Voss ist Executive Director der Open Devicenet Vendor Association (ODVA).ODVA

Katherine Voss, ODVA: In der Theorie ist Wireless die ‚Killer-App‘ der industriellen Automation. Deshalb werden Endanwender weiterhin Innovationen antreiben, die den breiten Einsatz von Wireless-Technologien ermöglichen. Allerdings ist Wireless keine einzelne Technologie für sich, sondern setzt sich aus einem ganzen Spektrum von Technologien zusammen, die von verschiedenen Organisationen und staatlichen Stellen reguliert wird. Wireless bringt aber erhebliche Bedenken bezüglich der Sicherheit mit sich. Daher kann die Industrie weiterhin ein starkes Interesse von Seiten der Endanwender erwarten, aber nur einen schrittweisen Einsatz innerhalb der industriellen Automation während sukzessive Neuentwicklungen und Bestimmungen die verschiedenen gängigen Anwendungsfälle in der Automation sowie die Sicherheitsfrage lösen werden.

Robert Diosi, VNO: Wir glauben, dass dieser Wunsch vor allem aus der IT-Welt kommt, sich die Endanwender jedoch noch keine Gedanken über Bandbreite, Sicherheit, Reichweite oder Störanfälligkeit der Wireless-Anwendungen gemacht haben. Um hier erfolgreich zu sein, müsste man die Frequenzen für kommerzielle und industrielle Anwendungen trennen. Ein Beispiel: Man stelle sich eine kleine Produktionshalle mit fünf Maschinen, einem entsprechenden kommerziellen IT-Netzwerk mit einigen Wireless-Access-Points, dazu noch ein paar Smart-Phones, in derselben Halle vor. Schon hier ist der Datendurchsatz unplanbar.

Was sind momentan die größten Probleme bei der Installation und dem Betrieb eines Feldbusses?

Katherine Voss, ODVA: Die Zunahme der Feldbus-Varianten in der Maschinenautomatisierung, die nicht auf jedem Level mit dem OSI-7-Layer-Modell zusammenarbeiten, macht die Integration schwieriger. Ferner ist das Leben einer Maschine lang, daraus ergeben sich viele Installationen mit Altlast-Netzwerken. Es kann schwierig sein, die Kosten für das Ersetzen von Verkabelung zu rechtfertigen, was Maschinenbauer davon abhält, sich weiterzuentwickeln und die Installationen weiter kompliziert.

Dr. Peter Wenzel ist Geschäftsführer der Profibus Nutzerorganisation (PNO) und des Profibus und Profinet International (PI) Support Centers.

Dr. Peter Wenzel ist Geschäftsführer der Profibus Nutzerorganisation (PNO) und des Profibus und Profinet International (PI) Support Centers.PNO

Dr. Peter Wenzel, PNO: Solange bestimmte Regeln und festgelegte Prozeduren eingehalten werden, gibt es keine echten Probleme bei der Installation und dem Betrieb eines Feldbusses. Dazu gehören beispielsweise die Zertifizierung von Geräten oder die Einhaltung von Richtlinien zur Planung, Montage und Inbetriebsetzung von Automatisierungssystemen. Erfahrungsgemäß bereiten Geräte mit zertifizierten Kommunikationsschnittstellen keine Probleme bei der Interoperabilität mit Produkten der verschiedenen Hersteller in der Anlage. Für Profinet-Geräte besteht eine Verpflichtung zur Zertifizierung.

Robert Diosi, VNO: Eines der größten Hindernisse ist sicherlich die oft noch benötigte Netzwerkkonfiguration beziehungsweise der Tausch von Komponenten im laufenden Betrieb.

Mehr Daten, mehr Probleme? Wie wichtig sind heute Monitoring-Systeme?

Dr. Peter Wenzel, PNO: Mehr Daten bedeuten für den Anwender nicht automatisch mehr Probleme, sondern im Gegenteil, mehr Chancen. Genaue Daten bieten erst die Grundlage, mit der beispielsweise ein Prozess hinsichtlich Energieverbrauchs oder eine Anlage hinsichtlich Signalgüte optimiert werden kann. Selbstverständlich müssen die Daten in einer geeigneten Form zugänglich sein. Für eine detaillierte Diagnose können daher Monitoring-Systeme, die den Datenverkehr überwachen, hilfreich sein. Fehlertelegramme, Telegrammwiederholungen oder Zykluszeiten lassen sich damit auf einen Blick erkennen und bewerten.

Robert Diosi ist Technology Consultant bei der Varan-Bus-Nutzerorganisation (VNO).

Robert Diosi ist Technology Consultant bei der Varan-Bus-Nutzerorganisation (VNO).VNO

Robert Diosi, VNO: Monitoring-Systeme sind ein wichtiger Bestandteil der modernen Bussysteme. Ein effizientes Diagnose Tool mit dem sich Probleme schnell identifizieren und lösen lassen, ist ein essentieller Faktor bei der Entscheidung für oder gegen ein Bussystem.

Wie präsent ist das Thema Security in der industriellen Kommunikation?

Holger Zeltwanger, CiA: Security ist immer dann ein Thema, wenn jemand unberechtigt in das Netzwerk eindringen und Schaden anrichten kann. Dies trifft insbesondere auf Netzwerke zu, die an das Internet angebunden sind oder über eine offene Funkstrecke verfügen. Bei eingebetteten Netzwerken ist diese Gefahr prinzipiell geringer, als bei Ethernet-basierten Lösungen.

Katherine Voss, ODVA: Das Thema ist universell mit den Themen Unternehmensintegration und sicherer Fernzugriff. Es beeinflusst außerdem eine Präferenz hin zu Wireless-Zugangspunkten für die Übertragung von lokalen Daten gegenüber physikalischen Medien wie einem USB-Stick. Die Tiefe der Diskussion hat zugenommen, da Endanwender unmodifiziertes Standard-Ethernet und Internet-Technologien bei industriellen Anwendungen zu ihrem Vorteil nutzen. Obwohl es derzeit keine ‚eine für alles‘-Lösung für Cyber-Sicherheit in der industriellen Automation gibt, gibt es Best-Practicse-Beispiele und empfohlene Überlegungen, die heute fortlaufend Verbesserungen der Sicherheit in der Produktionsebene liefern.

Dr. Peter Wenzel, PNO: In klassischen Feldbussen gab es keine Probleme mit der Security, da es sich um abgeschlossene Systeme handelte. Mit dem Einzug von Ethernet in die Produktion erkauft man sich bei allen Vorteilen – höhere Leistung bei der Datenübertragung, die Möglichkeit, Lösungen aus der IT zu verwenden oder die Nutzung von Internet für Remote-Engineering oder standortübergreifende Produktionssteuerung – auch den Nachteil der Angreifbarkeit. Die PNO hat praktisch mit dem Start der Entwicklung von Profinet das Thema Security aufgenommen und eine Guideline herausgegeben. Um der veränderten Anforderungslage gerecht zu werden, wurde der zuständige Arbeitskreis der PNO in 2011 reaktiviert. Ergebnisse werden in 2012 erwartet.

Robert Diosi, VNO: Datensicherheit ist ein hochbrisantes Thema, das in der Industrie jedoch noch zu wenig Beachtung findet. Der Stuxnet-Angriff im letzten Jahr hat die Wichtigkeit dieser Thematik auf den Punkt gebracht. Viel zu oft wird der Endanwender mit der Entscheidung der Datensicherheit sich selbst überlassen. 

Melanie Feldmann

: Redakteurin IEE

(mf)

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