Was als Ein-Mann-Ingenieurbüro vor knapp 23 Jahren begann, kann sich heute sehen lassen. Mit etwa 20 Mitarbeitern generiert Kraus Hardware einen jährlichen Umsatz von 4 Mio. Euro. Dies gelingt ihm, weil „wir nicht nur mit Rückgrat und Herzblut individuelle Lösungen für unsere Kunden anbieten, sondern auch unsere Herzklappen intensiv einsetzen“, betont Firmengründer und Geschäftsführer Andreas Kraus. Die Metapher ist passend: Die vier Herzklappen wirken im Herz als Ventile und verhindern einen Rückstrom des Blutes in die falsche Richtung. In etwa so gestaltet sich auch die enge Partnerschaft mit den derzeit rund 80 aktiven Kunden, die nicht nur im deutschsprachigen Raum angesiedelt sind, sondern auch aus dem Ausland wie etwa Indien kommen. Im Zentrum von Kraus Hardware stehen die qualifizierten Mitarbeiter, die dafür Sorge tragen, dass am Ende die elektronische Baugruppe oder das Produkt fehlerfrei funktioniert.

Nicht nur, dass die Mitarbeiter regelmäßig geschult werden, drei von ihnen sind als Entwickler tätig, zudem wurde ein Mitarbeiter zum Certified IPC Trainer (CIT) und zwölf zum Certified IPC Specialist (CIS) ausgebildet. Das erlaubt eine flexible Personalplanung im Baukastenprinzip: Denn egal, was der Kunde aus dem Leistungsspektrum benötigt, durch fundiertes Expertenwissen sind die Mitarbeiter in der Lage, an verschiedenen Fertigungsstationen zu arbeiten und dadurch auch schnell auf Kundenforderungen zu reagieren. Der Kunde kann – wenn er nicht die gesamte Wertschöpfungskette in Anspruch nehmen will – aus jedem einzelnen Prozessschritt entlang der Baugruppenentwicklung und Baugruppenfertigung wählen: „Manche benötigen nur eine Röntgenanalyse, andere wieder wollen nur etwas bestückt bekommen, benötigen einen Chiptausch auf der Leiterplatte“ oder eine komplette Entwicklung für die spätere Großserienfertigung, erläutert Kraus. Darüber hinaus bietet das Unternehmen auch Mechanik-Dienstleistungen wie das Fräsen von Metallen und Kunststoffen an, etwa für Gehäuse und Fertigungshilfsmittel. Egal welche Dienstleistung in Anspruch genommen wird, der Kunde profitiert von dem Know-how der kompletten Wertschöpfungskette: „Ist die Anforderung auch noch so ‚abgedreht‘, wir nehmen uns der Herausforderung an und suchen zusammen mit dem Kunden nach einer praktikablen Lösung.“

Lückenlose Qualitätskontrollen

Zentrales Bindeglied ist eine engmaschige Qualitätskontrolle: Die Ursprünge von Kraus Hardware liegen in der Entwicklung und Fertigung von MSR-Echtzeitlösungen. Weil sich Anfang der 1990er Jahre in der Umstellungsphase vom Microsoft Betriebssystem DOS auf Microsoft Windows keine Echtzeitprozesse für dynamische MSR-Anwendungen abbilden ließen, ersann Hubert Morgenstern und Andreas Kraus jenes Messdaten-Erfassungssystem Adwin, das heute noch vor allem in der Automobilindustrie und im „Dunstkreis“ davon, aber auch bei Kraus Hardware selbst zum Baugruppentest zum Einsatz kommt. Bei Adwin handelt es sich um einen erweiterten Funktionstester. Die Schnittstelle eines zu testenden Prüflings werden durch ein Adwin-System vollständig nachgebildet, überprüft und dokumentiert. Der modulare Aufbau erlaubt ein maßgeschneidertes Echtzeitsystem, das in Kombination mit der Entwicklungsumgebung Adbasic selbst bei verzwickten Testfunktionen eine passende Lösung zu bieten vermag. Software, Vertrieb und Support übernimmt dabei Jäger Computergesteuerte Messtechnik während Kraus Hardware sich um die Hardwareentwicklung, komplette Systemfertigung inkl. der Baugruppenbestückung, Kalibrierung und Reparatur der Systeme kümmert.

Qualität liegt Andreas Kraus am Herzen. Die lückenlose Qualitätskontrolle ist deshalb einer der Dienstleistungsschwerpunkte seines Unternehmens. Bei Kraus Hardware beginnt diese bereits in der Wareneingangskontrolle, setzt sich über den gesamten Fertigungsprozess und endet in der abschließenden Kontrolle der Baugruppe oder des Produkts. Allerdings ist eine Kombination von verschiedenen Testverfahren unbedingt notwendig, will man bei den heutigen komplexen elektronischen Baugruppen eine hohe Prüfabdeckung ohne Mehrfachprüfung erreichen. Neben den optischen Testverfahren MOI, AOI, 2.5/3D-Röntgenanalyse und AXI, runden die elektrischen Testverfahren Flying-Probe-In-Circuit-Test, Boundary-Scan und Funktionsprüfung die umfangreiche Qualitätskontrolle ab. „Unser nach DIN EN ISO 9001:2008 zertifiziertes Qualitätsmanagementsystem stellt eine gleichbleibend hohe Qualität unserer Produkte und Dienstleistungen sicher“, kommentiert Andreas Kraus die konsequenten Maßnahmen. Der Elektronikfertigungs-Dienstleister sieht sich als Full-Service-Provider: Das Angebotsspektrum reicht dabei vom Schaltungsdesign und Layout über die Fertigung bis hin zum Test, gepaart mit einem umfassenden Service für den Materialeinkauf, die fachgerechte Lagerung und die Logistik. Mit diesem Portfolio sieht sich Kraus als EMS-Anbieter sowohl für komplexe und vielfältige Projekte als auch für Prototypen, kleine und mittlere Serien und kann daher eine breite Kundenbasis bedienen, die von Kleinunternehmen, Forschungsinstitute bis hin zu Global Playern reicht.

Umfangreiche Prüfstrategie

Nur in Produkte umgesetzte pfiffige Ideen alleine reichen heute nicht mehr aus. Deshalb investiert der Mittelständler kontinuierlich in seinen Maschinenpark. Bereits im Jahr 1997 wurde in den ersten Flying-Probe ICT und im Jahr 2009 in das erste 2D-Röntgeninspektionssystem investiert. In den letzten Jahren kam noch der Boundary-Scan-Test hinzu. Die zerstörungsfreie Röntgenanalyse als Dienstleistung wie auch zur Kontrolle der hauseigenen Prozesse gelingt mit dem 2.5D-Mikrofokus-Röntgensystem Y.Cheetah von Yxlon mit 3D-Analytik erweitert. Derzeit wird über eine Investition in ein 3D-AOI-System nachgedacht.

Die vielfältigen Testdienstleistungen haben sich als erfolgreicher Geschäftsbereich des Mittelständlers etabliert. Bereits bei der Produktentwicklung wird das Ziel der Baugruppenprüfung systematisch verfolgt und kontinuierlich überprüft – bei minimalem Aufwand an Zeit und Equipment. Das umfangreiche Sortiment an Test- und Prüfsystemen erlaubt es dem EMS, für die jeweilige Prüfanforderung gerüstet zu sein. Zum Maschinenpark gehört daher auch der Flying-Probe-ICT GRS500 von Polar Instruments und das Boundary-Scan-System Cascon von Göpel Electronic. Mit dem Adwin lassen sich die Schnittstellen des Prüflings für den Funktionstest realisieren, ebenso dürfen sowohl die EMV-Prüfung als auch die klassische Messtechnik und Fehleranalyse über Oszilloskop und Multimeter nicht fehlen. Thermische Stresssimulation von Baugruppen in den spezifizierten Temperaturbereichen, Burn-In und Dauertests zum Erkennen von Frühausfällen und zur Überwachung von sporadischen Störungen runden die umfangreiche Prüfstrategie von Kraus Hardware ab.

„Da wir all diese Testverfahren als Serviceleistung im eigenen Haus anbieten, sind wir in der Lage, schnellstmöglich auf die jeweiligen Kundenanforderungen zu reagieren“, erläutert Kraus. Entscheidend dabei sei, mit welchem Testverfahren und Strategie man prüfe, um eine möglichst hohe Prüfabdeckung ohne Doppelprüfung zu erreichen. Zudem sieht sich der EMS in der Lage, die notwendigen Prüfprogramme selbst zu erstellen – für Kraus stellt dies ein Alleinstellungsmerkmal dar. Die Prüfprogramme für die verschiedenen Baugruppen werden aus den CAD-Daten weitestgehend automatisch generiert. „Sofern wir die Entwicklung der Baugruppe in der Hand haben, beziehungsweise Einfluss nehmen können, prüfen wir in der Designphase die Einhaltung der Design-for-Testability-Regeln, um die optimalen Testverfahren für eine Baugruppe bestmöglich vorzubereiten.“ Mitunter ist es sinnvoll, eine Platine zu optimieren, um die Prüfabdeckung zu erhöhen.

Reworken als Dienstleistung

Die enge Verzahnung der Prozesse findet auch beim Rework seinen Widerhall. Mehr Sicherheit mit röntgenüberwachter Baugruppenreparatur verspricht Andreas Kraus durch die im Einsatz befindlichen Reworksysteme Onyx 29 von Zevac. „Als wir erkannten, dass diese Rework-Dienstleistung von vielen nicht mit der notwendigen Qualität erbracht wird, haben wir sie mit in unser Repertoire genommen“, berichtet Kraus. Mit den Systemen von Zevac und dem qualifizierten Personal stellt der EMS einen hochwertigen, reproduzierbaren und dokumentierbaren Reparaturprozess an den Baugruppen sicher, der auch in der Automobilindustrie anerkannt ist: „Das war uns von Anfang an sehr wichtig“. Meist findet eine gemeinsame Prozessevaluierung mit dem Automobilzulieferer statt. Besonders beim Einsatz an massehaltigen Baugruppen zeigt sich die Stärke der Anlagen. „Bei Baugruppen mit hoher Wertschöpfung ist es häufig vorteilhaft, diese zu ‚reparieren‘ statt neu zu bestücken“, erklärt er. Sämtliche Bauteile wie 01005, Flip Chip, µBGA, CSP, BGA, LGA, CCGA, TCP, QFP, Fine-Pitch-SMD-Stecker, Sockel und RF-Abschirmungen lassen sich verarbeiten. Auch anspruchsvolle Modifikationen wie Verdrahtungen unter dem BGA und Reparaturen an den Baugruppen sind reproduzierbar und röntgenüberwacht mit hoher Qualität machbar.

Seit dem Jahr 2007 bietet er erfolgreich diese Dienstleistung an, die sich als zweites großes Standbein erwiesen hat: „Unsere Kunden sind hauptsächlich EMS-Anbieter oder Endanwender, die Bauteile getauscht haben wollen. Gründe können Leiterplatten- beziehungsweise Bauteilprobleme oder fehlerhafte Verarbeitung der Baugruppen sein“. In diesem Jahr wurde in ein zweites Onyx-System investiert. Die Kapazitätserweiterung begründet Kraus mit „dem gestiegenen Bedarf an Rework- und Selektivheißgaslötprozessen“. Dabei geht es häufig neben dem klassischen Rework auch um entwicklungsbegleitenden Rework, wie der Tausch von Chips mit neuem Revisionsstand, Test der Second-Source oder Versuche mit einem anderen, höher getakteten Chip. Bei Qualitätsthemen kommen die Qualitätsabteilungen häufig mit Baugruppen und wollen einen Kreuztausch bei den Chips vornehmen. Auf diese Weise lässt sich erkennen, wenn ein Fehler nicht eindeutig zuzuweisen ist ob ein Fehler an dem Chip oder an dem Rest der Baugruppe vorliegt. Hierzu müssen die Chips auch häufig einem Reballing unterzogen werden.

Diffizile Lötaufgaben bewältigen

Neben der klassischen Lötanlage hat das Unternehmen auch in ein Kondensationslötsystem CondensoXM von Rehm investiert. Dadurch sieht sich der Elektronikfertigungs-Dienstleister in der Lage, Dampfphasenlöten mit Vakuum für Bauelemente mit „Problemgehäusen“ offerieren zu können. Die Investition ist eine Antwort auf die steigenden Anforderungen an hohe mechanische Stabilität und porenarme Lötverbindungen mit niedrigem thermischem Widerstand. „Auf diese Art wollen wir die Weichen zur Fertigung anspruchsvoller Stromversorgungen, Baugruppen für regenerativen Energien und Elektromobilität stellen“, kündigt der Geschäftsführer an.

Der Wettbewerb in der Elektronik produzierenden Industrie hat sich in den letzten Jahren kontinuierlich verschärft. Da gilt es, den enormen Kostendruck und die steigenden Forderungen nach höherer Qualität bei kürzeren Durchlaufzeiten mit modernen Produktionsanlagen zu begegnen. Mit der Ecoselect 1 genannten Selektivlötanlage von Ersa will Kraus Hardware dieser Herausforderung begegnen: „Mit dieser Investition lassen sich nun auch massehaltige Baugruppen mit doppelseitiger SMD-Bestückung automatisiert verarbeiten“, ist Kraus zuversichtlich.

Die künftige Ausrichtung geht in Richtung Industrie 4.0, erläutert Kraus: „Wir wollen uns auch in Zukunft kontinuierlich weiterentwickeln, weshalb wir gerade daran arbeiten, unsere Prozesse noch transparenter zu gestalten.“ Kraus Hardware offeriert die Möglichkeit, sich Vorort einen Eindruck „frei nach dem Herzklappenprinzip“ zu verschaffen, um so einen Einblick über die Möglichkeiten und Unterschiede der kompletten Wertschöpfungskette der Baugruppenfertigung zu erhalten. Darüber hinaus will sich der EMS künftig mehr den Bereichen Luftfahrt- und Medizintechnik widmen, weshalb der Fokus auf die Erlangung weiterer Zertifizierungen liegt.

Im Schulterschluss mit dem Kunden

Über die Jahre hat sich Kraus Hardware ein fundiertes Know-how bezüglich Entwicklung, Baugruppenfertigung, elektrischer Baugruppentest, Röntgenanalyse 2D/3D (als Dienstleistung und Qualitätssicherung) sowie Rework komplexer Baugruppen und Bauteile erarbeitet. Darüber hinaus bietet das Unternehmen auch Mechanik-Dienstleistungen wie das Fräsen von Metallen und Kunststoffen an. Möglich macht dies, die kontinuierliche Investition in einen modernen Maschinenpark und die offene Kommunikation mit den Mitarbeitern und Kunden, das letztlich durch intensive Mitarbeiterschulungen für Prozesse und Maschinen als motiviertes, qualifiziertes Team dem Kunden zur Seite steht.

Marisa Robles Consée

ist Chefredakteurin Productronic.

(mrc)

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Unternehmen

Kraus Hardware GmbH

Gewerbegebiet Ringheim Süd, Ostring 9c
63762 Großostheim / Ringheim
Germany