Shalini Palmer, ADI, und Alfred Vollmer

Shalini Palmer (hier im Gespräch mit AUTOMOBIL-ELEKTRONIK-Chefredakteur Alfred Vollmer): „Wir hatten schon immer das Prinzip im Fokus, das Gesamtsystem zu verstehen und zu verbessern, um den Tier-1s sowie den OEMs einen Mehrwert auf Systemebene bieten zu können.“ (Bild: Matthias Baumgartner)

AUTOMOBIL-ELEKTRONIK: Shalini Palmer, wie laufen die Geschäfte im Automotive-Bereich?

Shalini Palmer: Die Geschäfte laufen für uns relativ gut, obwohl unser Automotive-Geschäft im zweiten Quartal global leicht rückläufig ist, aber das ist in der momentanen Marktsituation auch zu erwarten. Auf das ganze Jahr bezogen ging unser Geschäft um ein bis zwei Prozent zurück, aber wenn man die rückläufigen Produktionszahlen bei den OEMs betrachtet, dann ist unser Anteil in den Fokusbereichen gestiegen. Daher sind wir unter den gegebenen Marktbedingungen eigentlich recht glücklich.

Wir hatten sowohl in 2018 als auch im zweiten Quartal einen globalen Automotive-Anteil von 16 % am Gesamtgeschäft von Analog Devices, sodass wir 2018 einen Umsatz im Automotive-Bereich von knapp einer Milliarde US-Dollar hatten. Mit dem wachsenden Anteil von Elektronik und damit von Halbleitern sollte es keinen Grund geben, warum unser Geschäft auch mittelfristig im Automotive-Bereich nicht einen Anteil von 20 % haben sollte.

In welchen Bereichen sind Sie dabei aktiv?

Shalini Palmer: Unsere MEMS-Technologie kommt seit Generationen im Safety-Bereich zum Einsatz, der traditionell besonders von den Applikationen Airbag und Stabilitätsregelung bestimmt ist. Im Bereich Fahrerassistenz liegt unser Fokus heute auf Radar- und Lidartechnologie; hier machen wir zwar derzeit noch etwas kleinere Umsätze, aber dieser Bereich ist natürlich extrem wichtig für die Zukunft. Wir sind schon heute in Serien-Radarsystemen, die noch aus diskreten Komponenten aufgebaut sind; die höhere Integration kommt dann mit unserer 7xGHz-DigiMMIC-Radartechnologie.

Einen sehr großen Anteil unseres Geschäft machen wir In-Cabin, also im Fahrzeug-Innenraum. Hierzu gehören auch Audio-Signalverarbeitung und Voice-Processing sowie Video-Applikationen, wo wir speziell in der Videoübertragung aktiv sind. Beim Audio-Interfacing sind wir mit unserer A2B-Technologie gut etabliert, wobei A2B für Automotive Audio Bus steht.

Im Bereich Antriebsstrang generieren wir derzeit vor allem Umsätze mit dem traditionellen Powertrain. Bei den Start-Stopp-Systemen im 12-V-Batteriemanagement sind wir zum Beispiel mit einem Marktanteil von über 85 % klarer Marktführer. Hier hat ADI einen komplett integrierten Chip, der direkt auf dem Batteriepol sitzt und mittlerweile in der dritten Generation die Fabriken der Fahrzeughersteller verlässt. Hinzu kommen dann die ganzen Signalverarbeitungs-Themen wie zum Beispiel Stromsensoren etc. rund um Einspritzsysteme für Verbrennungsmotoren.

Über den Zukauf von LTC kamen ja auch die Produkte für das Batterie Management System (BMS) hinzu…

Shalini Palmer: Genau – und zwar mit einer Technologie, die ihresgleichen sucht. Auch für die Elektromobilität sind wir bestens aufgestellt. Hier ist zum Beispiel auch die galvanische Trennung zwischen Hochvolt- und Niedervolt-Teil ein wichtiger Bereich für Analog Devices. Diese isolierten Gate-Driver sind mittlerweile ein wichtiger Bestandteil unseres Powertrain-Geschäfts geworden. Hinzu kommen die Systeme zur Überwachung der Lithium-Ionen-Zellen sowie für deren Management. Noch ist dieser Markt überschaubar, aber wir investieren weiterhin sehr stark in diese Zukunftstechnologie, denn wir erwarten für elektrische Antriebe in Zukunft ein starkes Wachstum. Schon heute sind diverse Serienfahrzeuge mit unseren BMS-Chips unterwegs, und da unsere Lösung auch mit der Anzahl der Zellen gut skalierbar ist, haben wir bei Zukunftsprojekten schon eine starke Marktdurchdringung mit Design-Ins für die aktuellen und zukünftigen Generationen bei den wesentlichen OEMs auf allen drei Kontinenten. Rund um die Zellen und die Batterie haben wir eine differenzierbare Technologie, die im Automotive-Bereich aktuell neben der Radar-Technologie unsere höchsten Investments erhält; das würden wir nicht machen, wenn wir nicht erfolgreich wären.

Auf der nächsten Seite lesen Sie, wohin nach Ansicht von Shalini Palmer der Trend beim Radar geht.

 

Wo ist jetzt auf der technischen Seite das Besondere an der ADI-Lösung?

Shalini Palmer: Bei der Zellenüberwachung ermöglichen wir eine sehr hohe Messgenauigkeit: je genauer ich eine Zelle messe, desto kleiner kann ich die Sicherheitsfaktoren beim BMS auslegen und desto mehr präzise aktuelle Informationen liegen dann über die Zellen und das Gesamtsystem vor. Auch das Laden lässt sich damit besonders effizient gestalten. Damit kann der OEM bei derselben Batteriegröße eine größere Reichweite spezifizieren.

Allerdings betrachten wir nicht nur das Messen der eigentlichen Zelle, sondern das gesamte System inklusive Kommunikation und Verkabelung bis zu den darüberliegenden Einheiten. Wir unterstützen die OEMs und Tier-1s aktiv, das Komplettsystem Batterie effizient abzubilden, wobei effizient hier auf Systemseite auch Kosteneffizienz heißt. Dabei bieten wir unseren Kunden aktiven Support im Rahmen der Umsetzung der Safety unter ASIL-Gesichtspunkten. Hierfür haben wir auch selbst schon gemeinsam mit einem Partner BEV-Versuchsträger aufgebaut, um das Gesamtsystem und die Problematiken zu verstehen, damit wir diese Aspekte in zukünftigen Lösungen entsprechend wirkungsvoll adressieren zu können.

Welche Synergieeffekte ergeben sich zwischen den BMS-Lösungen von LTC und den klassischen ADI-Produkten?

Shalini Palmer: Das BMS ist definitiv ein gutes Beispiel, bei dem die Synergieeffekte der beiden Unternehmen eine große Rolle spielen. ADI hätte ohne LTC nicht die hochgenauen Zellenmonitoring-Systeme bauen können. Das hat unter anderem mit dem Zugang zur passenden Prozesstechnologie zu tun, aber auch auf Systemebene kommt hier viel Know-how von der Linear-Technology-Seite.

Shalini Palmer, ADI

„Da wir den Hochfrequenzteil und den Digital auf einem Chip realisieren, können wir diese Chips kosteneffizient skalieren und das gewünschte Interface gleich noch mitintegrieren“, sagt Shalini Palmer, ADI. Matthias Baumgartner

Andererseits kann Analog Devices durch seine Art der Zusammenarbeit mit Kunden, besonders mit globalen Unternehmen, nicht nur rund um die Batterie zur Synergie beitragen, denn wir hatten schon immer das Prinzip im Fokus, das Gesamtsystem zu verstehen und zu verbessern, um den Tier-1s sowie den OEMs einen Mehrwert auf Systemebene bieten zu können. Und mit der iCoupler-Technologie zur galvanischen Trennung, die Analog Devices vom Industrie- in den Automotive-Bereich brachte, kommt wieder ein Mosaikstein in punkto Synergieeffekte hinzu.

Wo geht der Trend in punkto Radar hin?

Shalini Palmer: Radar ist einer unserer Fokus-Bereiche. Der Schwerpunkt liegt heute für alle Anwendungen von Short- bis Long-Range auf den 77- beziehungsweise 79-GHz-Radarsystemen, während aktuell noch viele 24-GHz-Radare verbaut sind. Die Stückzahlen der Short- und Mid- Range-Radarsysteme werden massiv ansteigen – für Fahrerassistenzsysteme (ADAS) und für Anwendungen zum automatisierten Fahren, wie zum Beispiel das automatisierte Parken, wo es gilt, selbst einen 7 cm hohen Randstein sicher zu detektieren. Wir bemustern derzeit sogenannte DigiMMICs, die von der Antenne bis auf die digitale Ebene die gesamte Radarfunktionalität auf einem RF-CMOS-Halbleiterprozess abbilden. Im Prinzip handelt es sich dabei um einen hochintegrierten Radarsensor auf dem Silizium, den wir als übergreifende Plattform sehen. Weil dieser Ansatz skalierbar ist, können wir je nach Anwendungsfall unterschiedlich viele Sende- und Empfangskanäle implementieren. Bei Bedarf können wir auch die entsprechenden Prozessoren für diesen Anwendungsfall mit integrieren.

Was Shalini Palmer zu der Verarbeitung der Radardaten und zum Imaging Radar sagt, steht auf der nächsten Seite.

Wie erfolgt die Verarbeitung der Radardaten?

Shalini Palmer: In punkto Architektur unterstützen wir die heute marktüblichen Ansätze: vom zentralisierten Domänen-Controller, der ausschließlich Rohdaten vom Radarsensor erhält, bis zum System mit intensiver oder vollständiger Datenvorverarbeitung im Radarsensor. Bei Systemen mit Domänen-Controllern ist es wohl für die Zukunft aufgrund der sehr hohen Datenraten bei der Rohdaten-Übermittlung am sinnvollsten, bereits im Radarsensor eine gewisse Vorverarbeitung der Daten vorzunehmen und dann die „Point Cloud“ an die übergeordneten Systeme zu liefern. Und beim klassischen ADAS ohne Domänen-Controller, beispielsweise einem Corner-Radar, erfolgt die komplette Datenverarbeitung oft bereits im Sensor.

Unsere Lösung auf Basis einer RF-CMOS-Technologie mit minimalen Strukturbreiten von 28 nm ist skalierbar für die gesamte Bandbreite. Wir glauben, dass 28 nm in punkto Integrationsmöglichkeiten und Kosten auf absehbare Zeit die beste Technologie für solche Radarsensoren ist. 28 nm ist für Hochfrequenzen eine sehr kleine Strukturbreite, sodass es ein paar besondere Herausforderungen gibt, die notwendige Performance zu erreichen, beispielsweise beim Phasenrauschen. Diese Herausforderungen haben wir gemeistert. So übertreffen wir zum Beispiel beim Phasenrauschen, aber auch in anderen Performance-relevanten Spezifikationen, sogar die Werte von SiGe-basierten Radarsensoren. Da wir den Hochfrequenzteil und den Digitalteil auf einem Chip realisieren, können wir diese Chips kosteneffizient skalieren und das gewünschte Interface gleich noch mitintegrieren – bei Bedarf auch Ethernet.

Was tut sich beim Imaging Radar?

Shalini Palmer: Das Interesse an Imaging Radar ist auf dem Markt durchweg groß und sowohl in Europa als auch in den USA ein wichtiges Thema. Mit unseren skalierbaren Radar-Chipsätzen fällt es den Entwicklern leichter, diese Systeme abzubilden. Bei uns steht Imaging Radar definitiv mit im Fokus. Das ist mit ein Grund, warum wir vor einem Jahr die Firma Symeo in Neubiberg bei München gekauft haben, die im Bereich der kompletten Industrie-Radarsysteme sehr aktiv ist: So haben wir ein besseres Verständnis für Radar auf Systemebene bis zur Algorithmik bekommen, und diese Algorithmik können wir auch unseren Automotive-Kunden zugänglich machen.

Shalini Palmer, ADI, und Alfred Vollmer

„Das Schlüsselwort heißt Partnerschaften – wir sind da sehr aktiv mit dabei", sagt Shalini Palmer, ADI. Matthias Buamgartner

Welche Bedeutung haben Audiolösungen für ADI?

Shalini Palmer: Weil wir die akustischen Eigenschaften des Fahrzeug-Innenraums sehr genau kennen und das Audiosystem über die Algorithmen entsprechend anpassen können, ist die Audio-Performance in hochwertigen Fahrzeugen mit SHARC-Prozessoren mittlerweile besser als in den meisten Wohnzimmern. Da wir auch eng mit den Algorithmen und IP-Anbietern im Audiobereich zusammenarbeiten, um Standardalgorithmen wie zum Beispiel Dolby auf dieser Plattform mit anbieten zu können, müssen die Entwickler beim Tier-1 die Algorithmen auch nicht explizit adaptieren, was viel Zeit spart. Hierfür bieten wir die passenden Tools mit Bibliotheken quasi als Komplettlösung zur leichten Implementierung bei kurzer Time-to-Market an.

Warum Partnerschaften in der Automobilindustrie immer wichtiger werden, können Sie auf der nächsten Seite lesen.

 

Welche Rolle spielt dabei A2B?

Shalini Palmer: A2B spielt natürlich generell eine Rolle in Audio- und Sprach-Systemen. A2B ist aber auch ein sehr gutes Beispiel dafür, wie wir in den Markt gehen. Wir haben in der Diskussion mit Automobilherstellern verstanden, dass die OEMs mehrere Audioquellen, wie zum Beispiel Mikrofone im Fahrzeug verbauen wollen, was aber auch diverse Probleme generiert – von der großen Anzahl der Kabel bis zum benötigten Platz für die Steckverbinder an der Headunit – von den Kosten- und Gewichtsaspekten einmal ganz abgesehen. Der von uns entwickelte Ringbus A2B löst das Problem, sodass sich auch acht Mikrofone auf diesem 50-Mbit/s-Bus gut anbinden lassen und dabei sogar für die Slaves die Spannungsversorgung erfolgt. Ford sowie viele europäische OEMs setzen mittlerweile auf A2B in Serienfahrzeugen und in Neuentwicklungen. Für die Übertragung von Videosignalen, wie zum Beispiel in einfachen Rückfahrkameras in Asien oder Amerika, haben wir analog zu A2B auch einen C2B genannten Car Camera Bus entwickelt. In Europa spielt dieser weniger eine Rolle, da dort das Video-Interface meist schon digital ist.

Was tut sich im Bereich Powermanagement?

Shalini Palmer: Powermanagement ist eines unserer Schwerpunktthemen im Fahrzeug. Mit unseren Buck-Reglern, die aus kalifornischer Entwicklung stammen, haben wir einen echten Differenzierungsfaktor auf dem Markt, sodass wir in Kombination mit dem Business-Modell von ADI sehr zuversichtlich sind, in Zukunft große Marktanteile zu gewinnen. Seit der Übernahme von LTC haben wir bereits sehr viele Powermanagement-Designs gewonnen, die sich in Zukunft auch positiv auf den Umsatz auswirken werden. Mit innovativen Lösungen wie dem Silent Switcher sind wir sehr gut auf die kommenden Herausforderungen vorbereitet.

Welchen generellen Trend sehen Sie aus Ihrer Perspektive?

Shalini Palmer: Unter anderem getrieben durch die Megatrends übernehmen die Fahrzeughersteller jetzt viel mehr Systemverantwortung. Wir kommen dem entgegen, indem wir schon in der Konzeptionierungsphase sehr spezifisch mit den OEMs über den Aufbau der gewünschten Systeme sprechen. Mit unserem Systemverständnis können wir da wertvolle Inputs liefern, und da wir bereits in einer sehr frühen Phase mit involviert sind, können wir unsere Technologien und Produkte dann so entwickeln, dass wir sie rechtzeitig vor dem SOP auch zur Verfügung stellen können. Das Beispiel A2B hat sehr deutlich gezeigt, wie sich gute Zusammenarbeit in Form von effizienteren Systemlösungen auszahlt. Auch bei der Elektrifizierung des Antriebsstrangs und beim automatisierten Fahren gibt es solche Beispiele, es ist aber noch zu früh, darüber so offen zu sprechen wie über A2B.
Das Schlüsselwort heißt Partnerschaften. BMW und Daimler machen es beim automatisierten Fahren vor, BMW und JLR beim elektrischen Fahren. In ähnlicher Art und Weise gibt es Partnerschaften von OEMs mit Tier-2-Herstellern oder gar über die gesamte Entwicklungskette hinweg vom OEM über den Tier-1 bis zum Tier-2; wir sind da sehr aktiv mit dabei.

Alfred Vollmer

Chefredakteur AUTOMOBIL-ELEKTRONIK

(gk)

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