Für die Türüberwachung mit Fluchtentriegelung eignen sich Sicherheitsriegel inklusive Schalter mit nicht lösbaren Befestigungen.

Für die Türüberwachung mit Fluchtentriegelung eignen sich Sicherheitsriegel inklusive Schalter mit nicht lösbaren Befestigungen.Pilz

Eine Herausforderung im Maschinenbau liegt darin, das Spannungsfeld zwischen Sicherheit, Produktivität und Ergonomie der Anlagen zu lösen. Gelingt das nicht, sind häufig Manipulationen an Schutzeinrichtungen die Folge. Es liegt in der Natur des Menschen, stets zu versuchen, in einen Prozess einzugreifen, wenn der nicht so verläuft, wie es für ihn optimal ist. Werker können Barrieren an Maschinen durchaus als persönlichen Misserfolg für die reibungslose Erfüllung ihrer Aufgabe sehen. Die bei einer Umgehung der Sicherheitsmaßnahmen weniger aufwendige Arbeit ist für ihn ein Vorteil. Sukzessive sinkt dann das Bewusstsein für die Gefahr, je länger mit derart manipulierten Einrichtungen gearbeitet wird. Verschiedene Untersuchungen belegen das: Es gibt einen Zusammenhang zwischen dem Umgehen von Schutzeinrichtungen und Unfällen an Maschinen. Geschätzt sind 25 % aller Unfälle auf Manipulation zurückzuführen. Laut einer Befragung des Hauptverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaften gibt es an mehr als jede dritte Schutzeinrichtung dauerhaft oder vorübergehend Manipulationen.

Elektromagnetische Verriegelungen sind erstmals in der ISO 14119 aufgeführt.

Elektromagnetische Verriegelungen sind erstmals in der ISO 14119 aufgeführt.Pilz

In der Praxis können verschiedene Lösungsansätze die Manipulationen verringern. Dazu gehören sowohl die Qualifizierung der Mitarbeiter als auch die Berücksichtigung der neuen Norm ISO 14119: Diese gibt Maschinenherstellern, Maschinenbetreibern und Komponentenherstellern Vorgaben und Hilfestellungen, damit nicht nur die Sicherheit gewährleistet ist, sondern Maschinen auch hoch verfügbar betrieben werden können. Der Anreiz zur Manipulation lässt sich auf verschiedene Weise verringern:

  • über das Maschinendesign,
  • durch die Auswahl von Komponenten und
  • durch die Prägung der Unternehmenskultur.

Wichtig ist, dass Maschinenhersteller, Komponentenhersteller und Maschinenbetreiber alle drei Ansätze nicht isoliert betrachten.

Sicheres Maschinendesign: ISO 14119 gibt Leitlinien vor

Beim Design einer Maschine sind die äußeren und personenbezogenen Anreize zur Manipulation zu berücksichtigen. Mit der Festlegung der Gestaltung einer Maschine oder Anlage sollten Ergonomie, Kontrollmöglichkeiten der Prozesse durch den Maschinenführer sowie der generelle Arbeitsablauf und das Vermeiden potenzieller Gefahren beachtet werden.

Hierzu ist es wichtig, dass sich die Mechaniker und Elektriker bereits während der Konstruktion einer Maschine abstimmen. Zum Beispiel sollten Reaktionszeiten von Mensch, Mechanik und Elektrik aufeinander abgestimmt sein. Werden schon in der Konzeptionsphase einer Maschine alle Anreize zur Manipulation ausgeschlossen, lässt sich die Maschine später kostengünstig und durchgängig sicher konstruieren.

Die Norm ISO 14119 ‚Sicherheit von Maschinen – Verriegelungseinrichtungen in Verbindung mit trennenden Schutzeinrichtungen – Leitsätze für Gestaltung und Auswahl‘ greift das Umgehen von Schutzeinrichtungen als zentralen Punkt auf. Als Nachfolgenorm der EN 1088, deren Übergangsfrist 18 Monate nach Veröffentlichung der ISO 14119 im europäischen Amtsblatt ausläuft, beschreibt die neue Norm die Auswahl und den Einsatz sicherheitsgerichteter Verriegelungseinrichtungen – eingeteilt in vier Bauarten, für die im Norm-Anhang jeweils Beispiele aufgeführt sind.

Die ISO 14119 beschreibt die Prinzipien und definiert die Anforderungen an Verriegelungseinrichtungen.

Die ISO 14119 beschreibt die Prinzipien und definiert die Anforderungen an Verriegelungseinrichtungen.Pilz

Bauart bestimmt den Aufwand

Zu den Bauarten 1 und 2 gehören die mechanischen Verriegelungseinrichtungen: uncodierte Scharnierschalter. Solche sicheren Schalter eignen sich beispielsweise für dreh- und schwenkbare Türen und Klappen. Mit einer Codierung zählen mechanische Schalter bereits zur Bauart 2. Ein codierter Betätiger ist ein speziell gestaltetes Betätigungselement, das zu einem zugewiesenen Schalter gehört. Mechanische Sicherheitsschalter wie der Psenmech mit Zuhaltung sorgen für die Verriegelung und die Zuhaltung der Schutztür, bis der gefährliche Produktionsprozess beendet ist. Außerdem können sie das Unterbrechen der Produktion durch unbefugten Zugang verhindern. Bei diesen Kategorien müssen die Schalter und Betätiger mit nicht-lösbaren Befestigungen montiert werden. Für die Betätiger muss konstruktiv sicher gestellt werden, dass diese außerhalb der Reichweite des Maschinenbedieners, abgeschirmt oder versteckt eingebaut werden.

Zu Bauart 3 gehören alle berührungslos arbeitenden Systeme (induktiv, magnetisch, kapazitiv, per Ultraschall oder optisch), die aber uncodiert sind. Der induktive Näherungsschalter Psenini erfasst berührungslos die Annäherung metallischer Objekte und liefert die notwendigen sicheren Signale über Positionen und Endlagen und sorgt damit für einen reibungslosen Produktionsablauf. Verriegelungseinrichtungen der Bauart 3 können eingesetzt werden, wenn konstruktive oder zusätzliche Schutzmaßnahmen eine Manipulation verhindern.

Bauart 4 umfasst alle codierten Sensoren, die magnetisch, per RFID oder optisch arbeiten. Sie übernehmen sowohl die Stellungsüberwachung von trennenden Schutzeinrichtungen als auch die Positionsüberwachung. Für eine präzisere Gruppierung, teilt die Norm die Verriegelungseinrichtungen der Bauart 4 zusätzlich in drei Codierungsstufen (niedrig, mittel und hoch) ein. Für die Bauart 4 gelten dieselben konstruktiven Maßnahmen der Bauart 2. Nur die hoch codierten Schalter geben den Freiraum, sie frei zugänglich einzubauen. Die Kodierung verhindert die Manipulation durch Maschinenbediener mit einem Ersatzbetätiger.

Erstmals beschreibt die Norm auch neue Schaltertypen wie elektromagnetische Verriegelungseinrichtungen mit Zuhaltung. Diese arbeiten verschleißfrei in der Verriegelung wie auch in der Zuhaltung. Ein Beispiel hierfür sind sichere Schutztürsysteme Psenslock von Pilz.

Standards erleichtern Auswahl

Der Einfluss der eingesetzten Komponenten auf die Ergonomie und Kontrollmöglichkeiten ist enorm. Durch die Einteilung etablierter Komponenten wird deren Auswahl vereinfacht. Die Standardisierung lässt sich zum Beispiel anhand der Klassifizierung der Sensoren durch Normen wie die ISO 14119 ‚Bauarten von Verriegelungseinrichtungen‘ oder die EN IEC 61496 ‚Typen von Lichtgittern‘ erkennen. Anwender stehen so beim Kauf von Maschinen objektive Kriterien zur Verfügung, um beurteilen zu können, ob Anreize zur Manipulation vorhanden sind.

Verschleißbehaftete und an exponierter Stelle angebrachte Verriegelungen waren immer ein Anreiz zur Manipulation – und sind es auch heute noch. Ein Grund: Ihre Zuverlässigkeit lässt gerade bei häufiger Betätigung nach. Aktuelle Produktgenerationen sind dagegen verschleißfrei und kompakter. Dies schafft Freiräume für den Konstrukteur, besser gegen Manipulation geschützte Einbaumöglichkeiten an der Maschine zu nutzen bis hin zu anwendergerechten Komplettlösungen für bestimmte Sicherheitsfunktionen. Das Schutztürsystem Psensgate integriert beispielsweise alle Sicherheitsfunktionen und Bedienelemente inklusive von Funktionen wie Not-Halt und Fluchtentriegelung.

Neben Design und Technik kann auch eine entsprechende Unternehmenskultur die Anreize zur Manipulation verringern. Es ist nachgewiesen, dass die Zahl der Manipulationen sinkt, wenn das Thema Manipulation Bestandteil von Mitarbeitergesprächen und Zielvereinbarungen ist. Grundlage für den Erfolg dieser Maßnahmen bildet das Wissen um Manipulation und dessen Bedeutung. Viele Kenntnisse werden dabei durch Unterweisungen von Mitarbeiter an Mitarbeitern weitergeben. Dieses Know-how vermitteln ebenso Maschinenzulassungsstellen an Maschinenbetreiber und Komponentenhersteller.

Martin Bellingkrodt

arbeitet im Produktmanagement bei der Pilz GmbH & Co. KG in Ostfildern

(sk)

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