Bernhard Voigt, Geschäftsführer von Voigt Technology, erläutert Sinn und Ziel einer automatisierten Schraubdeckelkontrolle: „Das Aufbringen von Kunststoff-Schraubverschlüssen auf PET-Flaschen bei der Getränkeabfüllung ist mit einigen Widrigkeiten verbunden, welche auch die nachfolgende Kontrolle der Schraubdeckel auf Vorhandensein und exakten Sitz zu einer anspruchsvollen Aufgabe machen.“ Sein Unternehmen berät Getränkehersteller in allen Bereichen der Qualitätskontrolle, übernimmt Serviceleistungen und entwickelt Lösungen für spezielle Anforderungen. Eines der jüngsten Projekte ist ein neues Konzept zur Schraubdeckel-Kontrolle an PET-Flaschen auf Basis einer Smart-Kamera LSIS 412i von Leuze Electronic.
Jede Flasche ist anders
Voigt nennt als Hauptursachen für die besonderen Ansprüche einer Schraubdeckelkontrolle die Flaschentoleranzen und Umgebungsbedingungen, die mit den hohen Prozessgeschwindigkeiten einhergehen. PET-Flaschen weisen, vor allem nach mehrmaligem Waschen, Toleranzen in der Höhe auf, die durchaus mehrere Millimeter betragen können. Hinzu kommt, dass die Schrumpfungen durch die thermischen Belastungen in den Waschanlagen nicht unbedingt symmetrisch sind. Das heißt, es können bereits hieraus Schrägstellungen am Flaschenhals oder der gesamten Flasche entstehen.
Außerdem trägt das Füllgut, wie etwa Mineralwasser mit mehr oder weniger Druck durch die enthaltene Kohlensäure, zu Höhen- und Breitentoleranzen der PET-Flaschen bei. Aus dem Umfeld sind es beispielsweise Spritzbelastungen, sprich, Flüssigkeitstropfen außen an den Flaschen, die das Erkennen von Konturen erschweren. Anlagentechnisch bedingt tragen die hohen Geschwindigkeiten – 30.000 bis 40.000 Flaschen jagen pro Stunde durch die Anlage – und mechanischen Gegebenheiten an Fördereinrichtungen wie Bandunebenheiten und nicht ganz optimal eingestellten Führungsleisten dazu bei, dass die Flaschen, während sie ein Erkennungssystem passieren, nicht exakt ausgerichtet sind. Trotz genauer und schneller Triggerung wackeln und wandern die Flaschen in den Aufnahmen.
In der Regel übernehmen aufwendige Systeme die Schraubdeckelkontrolle, die mit Erkennungstechnologien wie Röntgenstrahlen, Ultraschall oder Bildverarbeitungssystemen arbeiten. Auch Aqua Römer, einer der größten Abfüllbetriebe für Mineralwasser in Baden-Württemberg, hat mehrere dieser Inspektionssysteme im Einsatz. Vor diesem Hintergrund hat der Getränkehersteller das Unternehmen Voigt beauftragt, ein kostengünstigeres und einfacher handhabbares System zu finden. Hauptziel war gleichzeitig, die Erkennungsqualität zu verbessern, um die durch Überbestimmung entstehende Pseudo-Ausschussrate zu verringern.
Alles an Bord
Voigts Lösung basiert auf der Smart-Kamera LSIS 412i von Leuze Electronic, die das Unternehmen mit einer applikationsspezifisch gestalteten Durchlichtquelle einsetzt. „Ein großer Vorteil dieser Kamera ist, dass sie alle notwendigen Komponenten von der Bildverarbeitung über Datenspeicher und Display bis zu den Schnittstellen in einem Gerät vereint“, erklärt Voigt, der sich außerdem darüber freut, dass keine zusätzlichen Anschalteinheiten erforderlich sind. Auch die industriell robuste Ausführung mit Metallgehäuse und die in diesem Fall gewählte Ausstattung mit kratzfestem Schutzglas erfüllen die Anforderungen in der Getränkeabfüllung nach Schutzart IP67.
Die Kamera führt mit ihrer pixelgenauen Bildauswertung die Anwesenheitsprüfung und Deckelschrägsitz-Kontrolle durch. Mithilfe der Blob-Analyse (Binary Large Objekt) ist es gelungen, auf die Toleranzgegebenheiten der PET-Flaschen zu
reagieren und gleichzeitig schräg sitzende Deckel in jeder Richtung, also 360° um den Flaschenhals, mit nur einer Kamera zu erkennen.
Erfolgreich prüfen
Blobs sind zusammenhängende Bereiche von Bildpunkten, deren Helligkeit zwischen definierten Grenzen liegt. Durch Eingrenzen von Merkmalen wie Länge, Breite, Höhe, Fläche, Formfaktor oder Umfang lassen sich einzelne Objekte oder Objektgruppen anhand ihrer geometrischen Merkmale erkennen und unterscheiden. „Die hohe Prozesssicherheit bei der Deckelschrägsitz-Kontrolle basiert im Wesentlichen auf der Möglichkeit zur Nachführung von Prüfbereichen“, ergänzt Voigt. Mit extra angelegten Prüffeldern wird jeweils der Flaschendeckel horizontal und vertikal gesucht, um dann die eigentlichen Prüffelder entsprechend nachzuführen. Dieses Vorgehen kompensiert Lageverschiebungen sowie Höhentoleranzen für die Kontrolle. Bei der Prüfung selbst ist schlussendlich der Tragring am Halsbereich die Referenz. Die beidseitigen Abstände vom Tragring zum Sprengring unter dem Deckel sowie Höhen- und Breiteninformationen des Deckels geben Aufschluss über dessen korrekten Sitz.
„Insgesamt ist die neue Deckelschrägsitz-Kontrolle erheblich kostengünstiger und einfacher in der Handhabung als herkömmliche Lösungen. Sie erfordert auch beim Anwender keine Einstellungen oder nennenswerten Wartungsaufwand. Außerdem liegt die Erkennungsrate bei 99,8 %“, resümiert Voigt.
(dl)