Smart SMT Factory - Die Phase der Visionen ist vorbei, die Umsetzung beginnt. Smart Factory Lösungen von ASM werden heute schon erfolgreich eingesetzt.

(Bild: ASM)

Jörg Cwojdzinski erläutert das Pick-by-Light Systeme an den Kanban-Regalen der Montage. Die LEDs leuchten in unterschiedlichen Farben, so werden an einem Regal mehrere Mitarbeiter geführt.

Jörg Cwojdzinski erläutert das Pick-by-Light Systeme an den Kanban-Regalen der Montage. Die LEDs leuchten in unterschiedlichen Farben, so werden an einem Regal mehrere Mitarbeiter geführt. ASM

Wie smart produzieren die Hersteller von Smart-SMT-Equipment? „Für mich als Praktiker ist Industrie 4.0 ein großes, ja sogar ein sehr großes Wort, ein Politikbegriff und ein abstraktes Konzept von Beratungshäusern und Universitäten. Ich selbst brauche in meiner Fertigung aber praktikable, konkrete Ideen. Dann kann ich mich an die Umsetzung machen“, so formuliert es Jörg Cwojdzinski, Vice President SCM von ASM. Mit diesem Statement dürfte er vielen Fertigungs-Verantwortlichen aus dem Herzen sprechen.

Internet of Things: Vernetzte Drehmomentschlüssel stellen auftragsgesteuert das richtige Drehmoment, jeder Vorgang wird als Track

Internet of Things: Vernetzte Drehmomentschlüssel stellen auftragsgesteuert das richtige Drehmoment, jeder Vorgang wird als Track&Trace-Info gespeichert, Schlüsselaufsätze werden per Pick-by-Light freigegeben. ASM

Für Cwojdzinski und sein SCM-Team hat Industrie 4.0 die Hype-Phase definitiv durchschritten und es kommen die ersten praktikablen Lösungen in Sichtweite. Allerdings bei der Vielfalt der Lösungen – Roboter, Apps, Datenbrillen, neue mobile Geräte und Bedienmöglichkeiten, IT-Lösungen etc. – kann man schnell den Überblick verlieren. Cwojdzinski und sein Team haben für ASM  daher ein gemeinsames Projekt mit einer Universität durchgeführt und den Markt für smarte Lösungen auf konkrete Einsatzmöglichkeiten und deren Reifegrad scannen lassen. „Ich sehe Industrie 4.0 wie Lean Methoden: ein riesiger Instrumentenkasten. Jedes Unternehmen muss wählen, was und wann es für seine Fertigung passt. Was für uns in der Automatenfertigung funktioniert, muss bei unseren Kunden in der Elektronikfertigung vielleicht anders gelöst werden. Für alle gilt die bekannte Industrie-4.0-Pyramide, die Reifegrade und Zwischenschritte differenziert. Die Ziele aber ändern sich nicht: Steigerung von Effizienz, Qualität und Flexibilität, Kostensenkungen.“

Strategisches Projekt Smart Supply Chain

Das hochkonzentrierte Arbeiten erschöpft schnell: Künftig übernimmt ein Roboterarm die Arbeit an einem ganzen Karussell von Microdosierern für Kleber.

Das hochkonzentrierte Arbeiten erschöpft schnell: Künftig übernimmt ein Roboterarm die Arbeit an einem ganzen Karussell von Microdosierern für Kleber. ASM

Bei ASM mit seiner globalen Fertigung und Supply Chain wird in mehrjährigen Strategiezyklen gedacht – und das zu recht: Im Jahr 2012 wurde die Fertigung in München für ihre beispielhafte Umsetzung von Lean-Factory-Prozessen vom Fachmagazin Produktion zusammen mit AT Kearney mit dem Excellence in Operations Award ausgezeichnet. 2017 startet jetzt der Zyklus Smart Supply Chain. Das Unternehmen hat Ziele formuliert und – wichtig – Verantwortliche für deren Umsetzung benannt. In der aktuellen Phase steht dabei das Lernen im Vordergrund: Für die SCM-Verantwortlichen bei ASM verlangt die Smart Factory ein neues Denken. Ähnlich wie bei der Einführung von Flussfertigung und Lean Prozessen muss dieses Denken in konkreten Projekten erlernt werden. Erst wenn es fest verankert ist und von den Mitarbeitern in der Fertigung „gelebt“ wird, kann die Smart Factory ihre Vorteile auf ganzer Breite entfalten, so die Überzeugung der ASM-Verantwortlichen. Das Unternehmen hat vier Stoßrichtungen für konkrete Projekte identifiziert: Smarte Montage, Automatisierung, 3D-Druck und Digitalisierung/IT-Systeme.

Stoßrichtung 1: Smarte Montage mit Werkerführung

Jörg Cwojdzinski, Vice President SCM bei ASM: „Ich sehe Industrie 4.0 wie Lean Methoden: ein riesiger Instrumentenkasten, aus dem wir uns bedienen können.“

Jörg Cwojdzinski, Vice President SCM bei ASM: „Ich sehe Industrie 4.0 wie Lean Methoden: ein riesiger Instrumentenkasten, aus dem wir uns bedienen können.“ ASM

Den größten Anteil in der Bestückautomatenfertigung haben Montageprozesse. Es verwundert also nicht, wenn ASM genau hier die ersten Projekte in Richtung Smart Factory umgesetzt hat. Beispiel: Montageplätze sind mit neuen Monitoren und Beamern ausgestattet. Früher konnten die Mitarbeiter zu Aufträgen die Texte mit den Montageanleitungen suchen und aufrufen. Heute starten mit dem Auftrag sofort Videos oder Bilderserien, die alle Arbeitsschritte exakt visualisieren. An Plätzen mit Schlauchmontagen werfen Beamer das Bild des nächsten Schlauchs auf die Arbeitsfläche und ein spezielles Gerät gibt immer den nächsten Schlauch aus – in der richtigen Farbe und Länge. Beispiele in der Montage für intelligent vernetzte und synchronisierte Prozesse.

Die Materialausgabe an den Tischgruppen einer Montageeinheit wird über Pick-by-Light-Prozesse gesteuert. Dabei sind die verschiedenen Tische farblich markiert und die LEDs an den Regalen wechseln die Farben, sodass mehrere Mitarbeiter, Montageprozesse und Arbeitsplätze über ein Pick-by-Light-System angeleitet werden. Jede Entnahme wird per Knopfdruck am Regal quittiert. Eine Zwischenlösung: Künftig sollen intelligentere Systeme wie Lichtschranken, Kameras oder Waagen die Entnahme verifizieren. Die Werkerführung soll auch die Qualität von Montagevorgängen erhöhen. So werden in ersten Montageeinheiten intelligente und mobil vernetzte Drehmomentschlüssel genutzt. Mit dem Empfang der Auftragsdaten stellen sich automatisch die Drehmomente ein – und der Wechsel der Spezialaufsätze wird per Pick-by-Light bzw. Verriegelung der nicht-gebrauchten Aufsätze angeleitet. Das Ziel: Eine hundertprozentige Qualität bei den Verschraubungen.

Stoßrichtung 2: Automatisierung

User Guidance: Auftragsgesteuerte Videos auf Monitoren und auf den Arbeitstisch projizierte Bilder unterstützen die Kabelkonfektion

User Guidance: Auftragsgesteuerte Videos auf Monitoren und auf den Arbeitstisch projizierte Bilder unterstützen die Kabelkonfektion ASM

Auch mit dem Einsatz von Robotern experimentiert ASM. „Moderne Roboter sind flexibler, günstiger und insbesondere leichter zu programmieren. Unsere Richtung: Wir wollen erste Prozesse über Standardroboter automatisieren, die dann später parallel noch andere Prozesse übernehmen oder sich an völlig anderen Arbeitsplätzen einsetzen lassen. Deshalb ist uns wichtig, dass wir die Kompetenzen für Konfiguration und Programmierung von Robotern auch intern aufbauen“, erklärt Jörg Cwojdzinski. Erste Einsatzfelder sind verschiedene Klebestationen. Hier mussten Mitarbeiter bisher an halb-automatisierten Arbeitsplätzen extrem präzise positionieren und exakt dosieren. Eine extrem konzentrierte und anstrengende Arbeit für das Personal, das daher auch innerhalb von Schichten gewechselt wurde. Hier ersetzt ein Roboterarm ein ganzes Karussell von Klebestationen, um mit absolut gleichbleibender Präzisionsarbeit die Mitarbeiter zu entlasten.

Einfaches Handling: Die Fräsautomaten-Entnahme und das Aufschichten von Zahnrädern und Abstandshalter für den Härtungsprozess übernimmt ein Roboterarm – der auch andere Handlingsaufgaben flexibel übernehmen kann.

Einfaches Handling: Die Fräsautomaten-Entnahme und das Aufschichten von Zahnrädern und Abstandshalter für den Härtungsprozess übernimmt ein Roboterarm – der auch andere Handlingsaufgaben flexibel übernehmen kann. ASM

Weitere Einsatzfelder für flexible Roboterarme: die Entnahme von Zahnrädern aus einem Fräsautomaten, deren Sortierung und Aufreihen mit Abstandshaltern vor dem Härten sowie die THT-Bestückung auf Leiterplatten für die Bestückautomaten. In dieser letztgenannten Anwendung wird sich der Roboterarm die Bauteile künftig aus Siplace Bauteilewagen holen, damit die Materialbereitstellung wie überall in der ASM-eigenen SMT-Fertigung erfolgen kann. Als weitere Roboteranwendung wird in Kürze ein fahrerloser Kanban-Materialzug folgen. Der Clou hier: Der sich frei orientierende Zug soll nicht aufwändig programmiert werden, sondern leere Kanban-Behälter in den Montageregalen erkennen, entnehmen und damit automatisch die Wiederbefüllung anstoßen.

Stoßrichtung 3: 3D-Druck

Noch in einer sehr frühen Phase sind erste Projekte im Bereich 3D-Druck. Bevor diese Verfahren für Teile genutzt werden können, die in den Bestücklösungen verbaut werden, sind noch viele Tests erforderlich. Daher zielen die ersten Umsetzungsprojekte auf Toolings ab. Statt Spezialtools für die Fertigung in kleinsten Stückzahlen und mit langen Wiederbeschaffungszeiten aufwändig fertigen zu lassen, sollen diese in additiver Fertigung vor Ort produziert werden.

Stoßrichtung 4: Digitalisierung – mit einem eigenen Blick auf Big Data

Schon die ersten Smart-Projekte bei ASM zeigten: Daten und IT sind enorm wichtig für die Smart Factory. Den Praktikern bei ASM geht es derzeit um die Aufrüstung für die Zukunft mit Big Data und damit um verlässliche Stammdaten und ein optimierte Bedienung der Systeme im Prozess. Welche Systeme sind für die Bereitstellung von Guidance-Videos an den Arbeitsplätzen erforderlich? Wie lassen sich diese Videos mit Aufträgen koppeln? Wie lässt sich die Bedienung an den Arbeitsplätzen vereinfachen und optimieren? Jörg Cwojdzinski ahnt: „Das wird eine große Baustelle – und mit jedem Erfolg bei der Integration des Shopfloors in die IT werden die Datenmengen wachsen. Hier müssen wir den Überblick behalten – und die IT wird Erfahrungen sammeln müssen, wie man IT-Systeme zuverlässig in der laufenden Fertigung einführt, verändert und integriert.“

SMT Center of Competence (CoC) bei ASM: Experimentierfeld für die Smart SMT Factory

Bernhard Fritz, Leiter des SMT Center of Competence: „Es gibt nicht ‚die eine‘ Smart SMT Factory, sondern viele Varianten.“

Bernhard Fritz, Leiter des SMT Center of Competence: „Es gibt nicht ‚die eine‘ Smart SMT Factory, sondern viele Varianten.“ ASM

Digitalisierung und Industrie 4.0 verändern vieles – auch die Anforderungen an die Präsentation von Produkten und Lösungen. Ein sehr interessantes Pilotprojekt hat ASM mit dem SMT Center of Competence – kurz CoC – in München geschaffen.

“Wir sind überzeugt, dass Elektronikfertiger künftig unternehmensspezifische Lösungen suchen, um die eigenen Prozesse optimal unterstützen zu können. Es gibt eben nicht “die” Smart SMT Factory, sondern viele Varianten davon. Als Hersteller müssen wir künftig Lösungen im Dialog mit dem Kunden konzipieren, konfigurieren und testen”, erläutert Bernhard Fritz, Leiter des SMT Center of Competence. Genau einen solchen Dialog erlaubt das CoC. Hier ist eine komplette Elektronikfertigung mit SMT-Linien, Planungs- und Logistikbereichen aufgebaut. Dabei kommen neben SIPLACE- und DEK-Lösungen auch Produkte von Partnern zum Einsatz, um die aktuell effizientesten Workflows in der Elektronikfertigung durchgängig abbilden, unterstützen und im Einsatz zeigen zu können.

Zusätzlich können Kunden die Experten im SMT Center of Competence mit konkreten Fragestellungen konfrontieren und sich Lösungen dafür im CoC zeigen lassen. Hierzu werden in CoC-Workshops mit Teams der Kunden durchgeführt, bei denen sich die Experten von Hersteller und Fertiger direkt und persönlich austauschen können. Die dabei konzipierten Lösungen können dann im CoC nachgebildet und konkret getestet werden. Dabei bekommen die Kunden auch Einblicke in aktuelle Smart Factory Entwicklungsprojekte. Beispiele hierfür sind die gurtlose Bauteilbereitstellung mit dem Siplace-Bulk-Feeder, das selbstlernende SPM-Expertensystem ASM Process-Expert oder die Unterstützung des Materialflusses durch selbstfahrende, den Operator assistierende Kuka-Roboter.

Und: Wie sieht es nun aus?

Die Beispiele zeigen, dass nicht nur bei den Siplace- und DEK-Kunden, die erfolgreich die Smart-Factory-Lösungen von ASM einsetzen, sondern auch in den Fertigungen der Hersteller von SMT-Equipment der Zug in Richtung Smart Factory deutlich an Fahrt aufnimmt. Die Phase der Visionen ist vorbei, die Umsetzung beginnt. Im Falle ASM als strategische Initiative, organisatorisch klar verankert und in konkrete Stoßrichtungen und Projekte gegliedert.

Dabei wird bei ASM das Experimentieren und systemisches Lernen gefördert. Das Ziel ist es, internes Know-how zu den Methoden und Technologien im Bereich der Smart Factory aufzubauen und für die unternehmensspezifischen Aufgabenstellungen zu adaptieren. Die Auswahl der ersten smarten Projekte bei ASM zeigt: So werden Lösungen dort implementiert und getestet, wo bestehende Prozesse optimiert werden können und ein besonders großer oder nachhaltiger Beitrag zu Effizienz- und Qualitätssteigerungen oder zu Kostensenkungen zu erwarten ist.

Lücken schließen: smt-smart-factory-forum.com

„Wir wollen helfen, die Lücke zwischen Vision und Wirklichkeit in der Smart Factory schließen“, so HighTech communications Geschäftsführer Peter Kronfeld.

„Wir wollen helfen, die Lücke zwischen Vision und Wirklichkeit in der Smart Factory schließen“, so HighTech communications Geschäftsführer Peter Kronfeld. Hightech Communications

Als offene Dialogplattform für Verantwortliche und Praktiker in der Elektronikfertigung versteht sich ein neuer Blog: das Smart-SMT-Factory-Forum. Betrieben wird die Online-Plattform von der Münchner Hightech Communications. Wir sprachen mit dem Geschäftsführer Peter Kronfeld.

Was will der Blog leisten und wer sollte Ihr neues Online-Angebot wahrnehmen?

“Wir wollen helfen, die Lücke zwischen Vision und Wirklichkeit in der Smart Factory schließen. Dazu braucht es endlich einen echten Dialog unter den Praktikern. Sie müssen sich über die Umsetzung dieser neuen Konzepte austauschen, über eigene Erfahrungen berichten können. Wie kann ich mich schrittweise der Smart Factory nähern? Was rechnet sich, was rechnet sich noch nicht? Und das branchenspezifisch – denn ein Elektronikfertiger braucht konkrete Informationen zu vernetzten SMT-Linien und keine Artikel zu vernetzten, selbstfahrenden Autos.”

Warum ein Blog?

“Das Thema ist extrem dynamisch, vielschichtig und wird uns über Jahre begleiten. Ein ständig aktualisierter Blog, offen, als Informations- und Diskussionsplattform jederzeit erreichbar, mit Beiträgen von Praktikern erschien uns hier als ideales Medium.”

Wer schreibt die Beiträge?

“Autoren sind Praktiker aus der Industrie, die Redaktion liegt bei uns. Über die Kommentarfunktionen der Blogbeiträge können die Besucher mitdiskutieren oder Fragen an die Autoren stellen.”

Wie finanzieren Sie sich?

“Über Engagement und Werbung. Die Autoren erhalten von uns kein Geld – die Kosten für Entwicklung und Betrieb der Plattform spielen wir über Werbung und durch Sponsoren ein.”

Die Fragen stellte Marisa Robles Consée

Peter Kronfeld

(Bild: Hightech Communications)
Geschäftsführer von Hightech Communications

(mrc)