Wer Systeme mit Computer-on-Modules und individuellen Carrierboards entwickelt, steht oft vor der Frage: Passt mein Systementwurf wirklich zum Prozessormodul und kann ich das System wirklich dauerhaft und ohne Überhitzung betreiben oder schießt mir meine Applikation das Systemdesign ab, wenn es zu Belastungsspitzen kommt? Der Entwickler muss sicherstellen, dass sein Design nicht überhitzt. Glücklicherweise gibt es mittlerweile zwei Stellhebel, um Hardware-Design, Prozessor und Applikation in Einklang zu bringen.

Die Module Conga-TC170 mit 15-W-Intel-Core-Prozessoren der sechsten Generation lassen sich von 7,5 bis 15 W konfigurieren.

Die Module Conga-TC170 mit 15-W-Intel-Core-Prozessoren der sechsten Generation lassen sich von 7,5 bis 15 W konfigurieren.Congatec

Zwei Stellhebel

Der erste Stellhebel ist die konfigurierbare TDP (Thermal Design Power) der neuen Prozessoren. So sind Intels Core-Prozessoren der sechsten Generation in der lüfterlos betreibbaren 15-W-Klasse von 7,5 bis 15 W konfigurierbar und die AMD Embedded-R-Series-SoCs sogar von 12 bis 35 W. Bei Auslegung mit rund 12 bis 15 W lassen sich alle in vollständig lüfterlosen Designs einsetzen.

Der zweite Stellhebel sind die zum Computermodul und Prozessor passenden lüfterlosen Kühllösungen, sodass man sich bei gegebenem Hardwaredesign und gegebener Applikation an das Limit herantasten kann. Neigt die Applikation also in bestimmten Szenarien dazu, das System thermal zu überlasten, kann man die maximale Wärmeabgabe drosseln und damit den Hotspot an bestimmten Stellen soweit minimieren, dass das System stets innerhalb des erlaubten thermischen Bereichs bleibt. Auf der anderen Seite können Entwickler auch mit Kühlkörpervarianten experimentieren, sofern es für einen identischen Footprint unterschiedliche Kühlungskonzepte gibt.

Bei den Conga-TR3-Modulen mit 35-W-AMD-Embedded-R-Series-SoC kann der Entwickler die TDP von 12 bis 35 W einstellen.

Bei den Conga-TR3-Modulen mit 35-W-AMD-Embedded-R-Series-SoC kann der Entwickler die TDP von 12 bis 35 W einstellen.Congatec

Experimentierfreudig

Im Rahmen der PICMG-Spezifikationen von COM-Express können Hersteller die Abmessungen des Heatspreaders auf eine maximale Bauhöhe begrenzen und Footprint-identische Kühlkörperlösungen in unterschiedlichen Varianten anbieten. Diese können beispielsweise vom einfachen Embedded-Kühlkörper mit Kühlrippen über einen Kühlkörper mit Gehäuseanbindung bis hin zu Hochleistungskühlern mit kombinierter Heatpipe- und Heatspreader-Technologie reichen oder auch aktive Lüfter integrieren.

Die konfigurierbare TDP zusammen mit Starterkits, die flexible Kühlkörpervarianten bieten, wird Systementwickler schneller und einfacher ans Ziel führen, als jedes Trial-and-Error-Verfahren am Systemaufbau und Gehäuse. Das thermische Design wird deutlich einfacher, das mechanische Design ebenfalls.

Leistung macht heiß

In der klassischen Kühlkette eines Moduls bis 35 W sind sandwichartig verschiedene Funktionen übereinander gestapelt. Auf dem Chip ist ein Kupfer- oder Aluminiumelement als Wärmeaufnehmer aufgebracht. Dazwischen befindet sich ein Phase-Change-Material, welches sich bei Erwärmung nahezu verflüssigt und damit auch den geringsten Spalt eliminiert, der sonst als unerwünschter Wärmeisolator wirken würde. Als nächste Schicht folgt ein höhenausgleichendes, wärmeleitfähiges Material, der sogenannte Gap-Filler. Dieses gleicht die fertigungsbedingten Höhentoleranzen von Board und CPU aus. Den Abschluss bildet der Heatspreader, eine rund 3 mm starke Aluminium- oder Kupferplatte. Er verteilt die Wärme des Moduls auf das Gesamtsystem.

Eckdaten

Um ein Embedded-System noch passiv kühlen zu können, während man die Performance erhöht, haben Entwickler im Wesentlichen zwei Optionen: Die TDP justieren oder das Kühlkonzept optimieren. Congatec stellt hier eine clevere Variante vor, die den PICMG-Vorgaben genügt und ohne Gap-Filler auskommt. Die Technik drückt eine abgeflachte Heatpipe mit Spiralfedern an den Prozessorchip und an die Heatspreader.

Ab dem Heatspreader entwärmen die üblichen Kühlkonzepte das Gesamtsystem. Die Module sind in ihren Anschlüssen und Abmaßen durch die COM-Express-Spezifikation festgelegt. Die Normung stellt einerseits die Kompatibilität sicher, andererseits darf wegen der festgelegten Abmaße ein Kühlkörper nicht beliebig groß dimensioniert sein. Deshalb eignet sich dieser Modul-Kühlaufbau für Module mit einer Verlustleistung bis maximal 35 W.

Soll es bis zu 45 W werden, wie beim neuen COM-Express-Modul Conga-TS170 mit Intel Core-i5- oder i7-Prozessoren, ist ein anderer Kühlkörperaufbau nötig, zumal diese Prozessoren in Regel auch keine konfigurierbare TDP aufweisen. Der Gesamtverbrauch spielt dabei jedoch nur eine untergeordnete Rolle. Das eigentliche Problem sind die Hitze-Spots rund um Prozessor und Chipsatz. Das Ziel ist eine niedrigere Prozessortemperatur, um die Turbo-Boost-Technik häufiger einsetzen zu können und so die maximale Peak-Leistung aus dem Prozessor herauszuholen. Damit erreicht das System auch eine höhere Energieeffizienz als beim Einsatz einer leistungsfähigeren Prozessorvariante.

Coole Kombination

Congatec kombiniert hierzu die klassische Lösung mit einer konstruktiv veränderten Heatpipe. Im Gegensatz zum klassischen Aufbau nutzen die Deggendorfer eine abgeflachte Heatpipe zur Wärmeübertragung vom Chip zur Heatspreader-Platte. Die Heatpipe ist am Kühlklötzchen des Chips und an der Heatspreader-Platte direkt befestigt. Dadurch steigt der Wärmetransport aus der Prozessorumgebung zum Heatspreader, die Hot-Spots werden schneller entwärmt und der Prozessor optimal gekühlt. Spiralfedern mit definierter Federkonstante und auch die Heatpipe selbst in ihrer flexiblen Höhe sorgen für einen optimalen Anpressdruck an den Prozessorchip. Damit gleichen sie Fertigungstoleranzen beim Lötprozess oder Bauhöhendifferenzen der Chips in jede Richtung aus. Die Gap-Filler-Schicht ist damit überflüssig. Das allein ist schon ein Vorteil, denn aus Gap-Filler-Materialien können bei Wärmebelastung Silikonöldämpfe austreten und sich an anderer Stelle störend niederschlagen.

Die Congatec-Kühllösungen haben einen standardisierten Footprint. Die Varianten mit Cooling-Pipes können mit oder ohne aktivem Prozessorlüfter arbeiten.

Die Congatec-Kühllösungen haben einen standardisierten Footprint. Die Varianten mit Cooling-Pipes können mit oder ohne aktivem Prozessorlüfter arbeiten.Congatec

Aussparungen im Heatspreader nehmen die abgeflachte Heatpipe auf. Dadurch bleibt die Bauhöhe identisch. In der Wärmezone der Heatpipe liegt sie frei in einer Aussparung, in der Kondensationszone hingegen liegt sie in einer Nut großflächig auf der Heatspreader-Platte. So bleibt genügend Platz zum Auslenken des Rohres und dennoch ist die Heatpipe thermisch perfekt an beide Seiten gekoppelt. Im Labortest zeigte die von Congatec patentierte Technik eine um 14 K kühlere CPU als traditionelle Varianten. Dies erhöht die Systemperformance sowie die Lebensdauer. Die MTBF (Mean Time Between Failture) von Halbleitern kann sich bei 5 K kühlerer Einsatztemperatur verdoppeln. 14 K können also die Zuverlässigkeit nahezu um den Faktor 8 erhöhen.

Diese neue Kühllösung schafft Freiräume für innovative Kundenideen. Beispielsweise kann man die Heatpipe so gestalten, dass sie sich an kundenspezifische Kühlkörper anschließen lässt. Zusammen mit entsprechend dimensionierten Kühlrippenoberflächen am Gehäuse sind damit lüfterlose Designs möglich. Die jeweilige Ausgestaltung hängt letztlich von der Anwendung ab: Die wesentlichen Merkmale des Konzepts sind auch bei anderen elektronischen Schaltungen einsetzbar. Hitze-Spots treten zum Beispiel auch in Powermodulen auf. Halbleiterschaltungen in Gleich- und Wechselrichtern könnten davon profitieren und ihre Wärme gezielt, kostengünstig und mit kleinen Geometrien kühlen.

Thermische Reserve erhöht Lebensdauer

Die neue Kühllösung empfiehlt sich auch bei geringeren Verlustleistungen. Die Module bekommen eine höhere thermische Reserve, wodurch die Lebensdauer und Zuverlässigkeit steigt – bei gleichzeitig erhöhter Performance.

Christian Eder

ist Marketing-Direktor bei Congatec in Deggendorf.

(lei)

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