Auf einen Blick

In den letzen Jahren hat sich einiges im Markt der Simulationswerkzeuge gewandelt. Entsprungen aus der Sparte der allgemeinen CFD-Tools (Computational Fluid Dynamics) wurden an Aufgaben angepasste Werkzeuge entwickelt, welche durch unzählige Automatismen und branchenspezifische Menügestaltung dem Ingenieur die wissenschaftlichen Irrgärten ersparen.

Meist sind es in kleinen und mittelständischen Betrieben nur vereinzelte Projekte, die eine detaillierte Betrachtung der Wärmewege benötigen. Somit fehlt oftmals die Kompetenz im eigenen Hause, um eine Simulationssoftware für thermische Vorabstudien zu bedienen und das Vertrauen, ein physikalisch richtiges Modell zu erstellen.

Anhand der Software 6SigmaET (Electronic Thermal) soll nun mit dem Gerücht aufgeräumt werden, dass jeder Simulationsaufbau ein Zusammenfügen unzähliger Annahmen ist, welche lediglich zum Vertrauensverlust in die Ergebnisse führen.

Die Aufgabe bestimmt den Detailgrad

Je nach Aufgabenstellung und Erwartungen an die Simulationsergebnisse wird der Detailgrad für das Simulationsmodell bestimmt. Gilt es nur die Hotspot-Temperaturen und die Wärmespreizung im Board richtig zu simulieren, müssen für eine thermische Simulation nicht alle elektrischen Komponenten einer Leiterplatine im Detail aufgebaut werden. Auch sind die Schraubengewinde irrelevant für eine thermische Betrachtung, doch sollte die Schraube selbst als „Lochfüllung“ nicht vernachlässigt werden.

Vor dem Aufbau eines Simulationsmodells werden zuerst die erwarteten Simulationsziele hinterfragt und anschließend bestimmt, inwieweit die Aufteilung der gesamten Verlustleistung und der detallierte Aufbau der Leiterplatine einen Einfluss auf das Simulationsziel haben.

Zuerst werden die unterschiedlichen Level in drei Zielvereinbarungen unterteilt:

Entwicklungsphase 1: Konzept

In dieser Phase sind noch keine CAD- oder Layout-Daten der Leiterplatinen vorhanden. Hier gilt es herauszufinden, welches Temperaturlevel sich im Gerät einstellt und wie sich die Wärmewege ausbilden. Auf dieser Basis können Entscheidungen darüber getroffen werden, ob Kühlmaßnahmen (aktiv/passiv) prinzipiell erforderlich sind, und wenn ja, welcher Art die Kühlmaßnahmen sein könnten (Lüftungsöffnungen, Kühlkörper, Entwärmung via Leiterplatine, Anbindung an das Gehäuse, und so weiter). Anschließend müssen Komponenten ausgewählt werden, die in dieser Temperaturumgebung bestehen können.

Entwicklungsphase 2: Optimierung

Meist sind in diesem Stadium schon 3D-CAD-Daten mit relativ guter geometrischer Detaillierung vorhanden. Auch besteht eine klare Vorstellung, wie die Leiterplatine im Groben aufgebaut sein wird und welche Hauptverlustleistungsträger vorhanden sind. Die Verlustleistung kann meist schon zu 85 bis 90 Prozent auf ein Dutzend Komponenten gezielt verteilt werden (restliche Verlustleistung wird in den entsprechenden Leiterplatinen gleichmäßig verteilt), wie in Bild 1 zu sehen ist.

Auf dieser Basis können sehr gute Aussagen über folgende Simulationsergebnisse erreicht werden:

  • Temperaturverteilung im Gerät (im Fluid aber auch in den Feststoffen),
  • Wärmewege von der Komponente über Wärmeleitung, konvektiver Austausch und Wärmestrahlung,
  • relative genaue Hotspottemperaturen (maximal 10 Prozent der Übertemperatur als Toleranz zur späteren Messung),
  • Erkenntnisse über Wärmebrücken sowie Wärmeblockaden,
  • gutes Verständnis über die Einflussgrößen und Stellschrauben zur Optimierung der Entwärmung.

Entwicklungsphase 3: Detailstudie

Die Simulation ersetzt nicht den Prototypen. Doch sollte durch die simulativen Vorstudien der Prototyp thermisch evaluiert und funktionsfähig sein. Hierzu bedarf es vor der ersten Fertigung des Prototypen einer Detailstudie, um die thermischen Charakterzüge in vollem Umfang, das heißt durch die Nutzung volldetaillierter 3D-CAD-Daten sowie der Einbeziehung der Leiterstrukturen (soweit thermisch notwendig) der einzelnen Signallayer, nachzubilden.

Die Ergebnisse solcher Detailstudien bewegen sich innerhalb von fünf Prozent Toleranz zu den späteren Messwerten und sichern das geplante Entwärmungskonzept in vollem Umfang ab.

Der geometrische Aufbau

Um in der Konzeptphase auf Basis von Skizzen ein Modell aufbauen zu können, stehen dem Softwareanwender CAD-ähnliche Funktionen zur Verfügung. Doch meist sind im Verlauf der Konzeptphase erste 3D-CAD-Daten vorhanden, welche sich problemlos für eine Simulation verwenden lassen. Ist die Geometrie übernommen, können die Einzelteile mit Materialattributen versehen werden. Hierzu stehen umfangreiche Bibliothekseinträge zur Verfügung. Doch können auch neue Materialattribute jederzeit der Bibliothek hinzugefügt werden. Im Wesentlichen (Steady State Simulation) benötigt man für die Feststoffe lediglich den Wärmeleitwert λ (W/mK), welcher meist in den Datenblättern oder einschlägigen Webseiten gefunden werden kann. Nur bei transienten Simulationsbetrachtungen wie zum Beispiel Aufwärm- oder Abkühlkurven sollte das Material durch weitere Attribute wie Dichte und spezifische Wärme beschrieben werden.

Die CAD-Daten selber können mit allen Details weiterverarbeitet werden (Bild 2). Die Geometrie für die Simulation muss somit kein zweites Mal definiert werden. Schrauben, Unterlagsscheiben, EMV-Klammern oder anderweitige Verbindungskomponenten werden durch wenige Mausklicks als Bauteile zweiter Ordnung definiert und blähen das Simulationsmodell für die spätere numerische Berechnung nicht unnötig auf. Für den Wärmeweg (Schrauben) oder als Luftblockade (Flachbandkabel) sind diese Bauteile dennoch wichtig.

Die Definition der Elektronik

Die Wärmewege in einem Elektronikmodul ergeben sich aufgrund der geometrischen Abmaße sowie der Materialwerte. Hieraus resultiert für jede Materialstrecke ein thermischer Widerstand. Ähnlich dem elektrischen Widerstand fließt die Wärme immer in Richtung des kleinsten Widerstands. Selbst beim direkten Vergleich der unterschiedlichen Wärmewege Wärmeleitung, Konvektion und Wärmestrahlung, ist der thermische Widerstand ausschlaggebend für die Aufsplittung, welcher Transportweg wie viel Energie weiterleitet.

Bezogen auf das Simulationsmodell bedeutet dies, dass die Hauptverlustleistungsträger relativ genau modelliert werden sollten. Hierzu reichen aber meist die Angaben über Kontaktfläche, geometrische Ausmaße und bei Halbleitern das 2-Widerstandsmodell Junction Board und Junction Case im Datenblatt aus. Ansonsten existieren verschiedenste Komponentenersatzmodelle für zum Beispiel LEDs, FETs oder IGBTs, welche in der Softwareausbildung näher erläutert werden.

Viel wichtiger ist eine korrekte Abschätzung der anfallenden Verlustleistung. Ausgehend von der maximalen Verlustleistung laut Datenblatt sollte für Steady-State-Betrachtungen die durchschnittliche Belastung der Komponente im Worst-Case-Szenario beaufschlagt werden. Bei Konzeptstudien reicht auch eine Beschreibung der Verlustleistung in speziellen PCB-Regionen aus.

Die Leiterplatine als Komponententräger wird als orthotroper Wärmeleiter definiert. Hierzu kann in solch einer branchenspezifischen Simulationssoftware die Anzahl der Signallagen und deren Dicke sowie die jeweilige Kupferbenetzung angegeben werden. Dies reicht in vielen Fällen aus, um ein sehr gutes Simulationsergebnis über die Wärmeableitung und -spreizung auf dem Board zu erhalten. Bei detallierten Kühllösungen via PCB werden die wichtigsten Kupferansammlungen vom Layout in das Simulationsmodell überführt. Hierzu zählen meist Vias, Kupferspreizflächen sowie thermische Klemmanbindungen des Boards (Groundlayer) an Verklemmungen oder Verschraubungen zum Gehäuse hin. Durch die Schichtung mit dem FR4 entsteht eine unterschiedliche Wärmeleitung in die drei Raumrichtungen = orthotrope Wärmeleitung (Bild. 3).

Das Lösungsgitter und der Solver

Nach dem Aufbau des Simulationsmodells und der Definition der Testumgebung vernetzt die Software automatisch die virtuelle Messkammer. Hierbei achten die Automatismen auf schmale Spalte, komplexe Geometrieformen sowie typische Übergangsflächen im Wärmeweg und dem späteren Lösungsalgorythmus des Solvers um eine einfache Konvergenz (Eingangsenergie = Ausgangsenergie) zu ermöglichen (Bild 4). In 6SigmaET dauert die Vernetzung einer typischen Aufgabenstellung (zirka 10 bis 25 Millionen Zellen) maximal zehn Minuten. Der Lösungsvorgang selber benötigt bei 24 Millionen Zellen etwa 8 GByte Arbeitsspeicher und einer bis fünf Stunden Rechenzeit mit einem 64-Bit-Multicore-Betriebssystem. Abhängig sind diese Zeiten nicht nur von der Gitteranzahl, sondern oft auch von der Komplexität der physikalischen Aufgabe. Ein gut durchlüftetes 19-Zoll-System konvergiert schneller als ein geschlossenes Gehäuse mit komplexer Innenkontur.

Das Simulationsergebnis

Das Simulationsergebnis ist die in jeder Lösungszelle berechnete Temperatur (Feststoff oder Fluid) sowie die gerichtete Strömungsgeschwindigkeit und der Druck (Fluid). Randergebnisse wie Arbeitspunkte von Lüftern, transiente Aufheizkurven oder Wärmewege aufgespalten in Wärmeleitung, Konvektion und Strahlung von Komponenten stehen in Tabellenform für den Export nach Excel zur Verfügung.

Die grafische Darstellung kann durch Oberflächentemperaturen (Board- oder Mechanik-Komponenten) sowie Ergebnisschritte zur Visualsierung der Temperatur- Geschwindigkeits- oder Druckverteilung komplettiert werden.

Eine sehr eindrucksvolle Ergebnisdarstellung ist die animierte Visualisierung der Luftströmung in Form von Partikelfäden, welche ausgehend zum Beispiel von einem Lüfter die komplexen dreidimensionalen Wege der Luft auch für den Laien verständlich machen (Bild 5). Gleiches gilt auch bei simulierter Flüssigkeitskühlung.

Tobias Best

ist Geschäftsführer von Alpha-Numerics.

(ah)

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