Effizienz, Optimierung, Prozesse und Produktion – das waren die vier Schlagwortgruppen, die während der Podiumsdiskussion am zweiten Messetag der SMT Hybrid Packaging 2014 in Nürnberg am häufigsten genannt wurden. Während der einstündigen Diskussionsrunde wurde konkret 13 mal Effizienz, 16 mal Optimierung, 58 mal Prozess und 12 mal Produktion erwähnt. Dies zeigt deutlich, welch hohe Erwartungen an die Elektronik produzierende Industrie gestellt werden. Parallel dazu wird die Forderung nach abgesicherter Produktrückverfolgung – sprich Traceability – immer größer. Schließlich muss jede Baugruppe exakt nach Herkunft, Produktionszeitpunkt und Herstellbedingungen identifizierbar sein. Traceability ist demnach die Voraussetzung für die Fertigung elektronischer Baugruppen – und sie ist heutzutage überlebensnotwendig. Denn während die Systeme technologisch komplexer und die Entwicklungszeiten immer kürzer werden, sieht sich die Fertigungsindustrie mit einem extremen Anstieg der Qualitätsansprüche des Marktes konfrontiert.

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Die Productronic-Podiumsdiskussion "Traceability und Materialfuss" war ein voller Erfolg. Mesago/Frank Boxler

Materialverfügbarkeit und ihre Deltas

Auf dem Weg zur lückenlosen Rückverfolgbarkeit gilt es noch einige Hürden zu nehmen: Bestandteil für einen effizienten Produktionsprozess ist ein optimales Materialflussmanagement. Bis heute gehören materialbedingte Produktionsstopps zum Alltag vieler Elektronikfertigungen. Gleichzeitig wird aber optimales Materialflussmanagement kontinuierlich wichtiger, da Rüst- und Produktwechseln immer häufiger werden. Bis zu 70 Prozent der Kosten eines Elektronikproduktes werden durch das Material verursacht. Weltweit stark wechselnde Situationen bezüglich der Verfügbarkeit von Bauelementen, verbunden mit schwankenden Bedarfssituationen auf Kundenseite, stellen daher an ein optimiertes Materialmanagement hohe Ansprüche – auch im Hinblick auf Obsoleszenz. Wie also sieht die linienübergreifende Fertigungsfeinplanung aus? Schließlich verbergen sich in den Prozessen neben den SMT-Linien die größten Effizienzreserven. Für Dr. Friedrich W. Nolting, Geschäftsführer von Aegis Software in Deutschland, steht außer Frage, dass „die größten Effizienzreserven darin liegen, einen Workflow für die Elektronikfertigung so auszuarbeiten und zu planen, dass man die Ressourcen, die einem zur Verfügung stehen optimal nutzen kann“. Dazu nötig sind alle Informationen über die Fertigungs-Durchlaufzeiten, zur Verfügung stehende Kapazitäten, aber auch über das Material. „Wenn ich eine Prozessoptimierung mache, muss ich mir auch sicher sein, dass ich das Material zur Verfügung habe, um diesen Produktionsplan erfüllen zu können“, merkt er noch an.

Wie aber lassen sich Materialien auf Gebindeebene transparent verwalten, Picklisten generieren, Lagersysteme steuern, MSD-Offenzeiten überwachen und Verbrauchsdaten direkt aus einem System übernehmen? Sind ERP-Systeme hierfür tatsächlich geeignet? Hubert Egger, Leiter Produktmarketing Software von ASM Assembly Systems, bejaht dies nur eingeschränkt: „Meistens greifen die ERP-Systeme etwas zu kurz, beziehungsweise, die Materialverfügbarkeitsprüfung auf Verpackungsebene ist meist nicht der Fokus von ERP-Systemen.“ Dabei nennt er ein typisches Praxisbeispiel: „Zwar wurden Materialverfügbarkeitsprüfungen im ERP-System gemacht und der Fertigungsauftrag freigegeben. Doch dann sucht man in der Fertigung nach dem Material, sei es die Bestände im Bauteilehauptlager und auch allen anderen Lagerorten.“ Seiner Ansicht nach, sind Planungstools erforderlich, welche die Lücke zwischen ERP und Fertigungsebene zuverlässig schließen, so dass „eine Verfügbarkeitsprüfung auf Verpackungseinheit gemacht werden kann, der Materialstatus jederzeit abfragbar ist, Informationen zu Offenzeiten und von feuchtigkeitsempfindlichen Bauteilen stets zugänglich und die Haltbarkeitsdaten überprüfbar sind, um dann wirklich den Auftrag an die Linie bringen zu können, so dass die Fertigung gewährleistet ist, ohne dass noch nach den Materialien gesucht werden muss“.

Dennoch sind sich die Experten einig, dass die Materialverfügbarkeitsprüfung in den meisten Firmen mit einem ERP-System durchgeführt wird und es in vielen Fällen auch funktioniert, dass das Material, das zum Auftrag benötigt wird, auch wirklich vorhanden ist. „Es gibt aber immer wieder Fälle – und das stört die Produktion und die Effizienz in einer Produktion ganz enorm – wenn das ERP-System sagt, dass das Material verfügbar sei, aber in Wahrheit das Material gar nicht im Regal ist“, lenkt Peter Erhard, Geschäftsführer von ifm Datalink, die Aufmerksamkeit auf ein weiteres Praxisbeispiel. Den Grund hierfür sieht er an der häufig mangelnden Integration solcher Systeme, weshalb er ausführt: „Die ERP-Systeme bekommen zwar mit, wieviel Stück für einen Auftrag produziert wurden. Aber viele kleine Deltas, die gesammelt werden, werden nicht an das ERP-System zurückgemeldet.“ Solche Deltas können sein, dass bestimmte Restmengen nicht zurückgelagert werden, dass der Bestückautomat das Material abgeworfen hat und Bauelemente dadurch nicht mehr zur Verfügung stehen oder dass Bauteile verschrottet wurden. Das führt zu erheblichen Ungenauigkeiten im Prozess, weshalb er fordert: „Hier ist eine bessere Integration auch dieser kleinen Abweichungen informationstechnisch notwendig und zwar entlang der gesamten Prozesskette. Es muss das richtige Feedback an das ERP-, Traceability- oder an das System, dass das Lager verwaltet, erfolgen. Hier ist deutliches Verbesserungspotential vorhanden.“

Augen auf heißt es auch beim Material selbst: Zwar heißt der Motor vieler Märkte „Innovation“. Sehr schnell kann man jedoch mit abgekündigten Bauteilen konfrontiert werden und die Innovation zerplatzt wie eine Seifenblase: Ein effizientes Obsolescence-Management ist komplex weil es nur wirkungsvoll ist, wenn die gesamte Prozesskette intern und extern berücksichtigt wird. „Die Lagerung ist oftmals die einzige und letzte Lösung, um einer Obsoleszenz kostengünstig zu begegnen“, erklärt Holger Krumme, Managing Director – Technical Operations von HTV Halbleiter & Test. Er argumentiert damit, dass „es wichtig ist, schon vorher ein hohes Engineering zu betreiben, um Bauteile einzusetzen, die erwartete lange Lebensdauern haben. Da gibt es auch viele Softwaretools, die prüfen können, wie die erwartete Lebensdauer der Bauteile veranschlagt wird.“ Erfahrungsgemäß sind Bauteile in genau der gleichen Konstellation nur ein bis zwei Jahre lang verfügbar. „Wenn Sie ein Bauteil eingesetzt haben, vielleicht Zulassungen haben für bestimmte Baugruppen oder Geräte, die langwierig sind und viel Geld kosten, dann sind Sie auf dieses Bauteil festgelegt und können im Falle einer Abkündigung vielleicht gar nicht auf ein neueres, besseres Bauteil ausweichen. Diese müssen dann eingelagert werden“, nimmt er Anlauf und merkt an: „Man muss bei sich im Unternehmen einen Prozess installieren, wie mit abgekündigten Bauteilen umzugehen ist. Ganz wichtig dabei ist es, Abkündigungen im Auge zu behalten.“ Auf diese Weise wäre es möglich, Last-buys vorzunehmen um sie entsprechend zu lagern. Doch hierbei gibt es die Limitierung, dass die Bauteile häufig nurmehr zwei Jahre haltbar sind. „Wir haben daher ein Verfahren entwickelt und etabliert, das uns erlaubt, Bauteile bis zu 50 Jahre lang in unserer eigens hierfür konzipierten Hochsicherheitsgebäude lagern zu können“, offeriert er einen Lösungsansatz. Wenn man jedoch den Slot des Last-buy verpasst, ist „man auf den hinreichend als nicht qualitativ hochwertigen bekannten Graumarkt im Brokerbereich/Bauteilbeschaffer angewiesen, wo man von der Bauteilqualität nicht mehr soviel weiß“.

Und wo bitte bleibt da der Mensch?

In der Diskussion über Effizienz, Prozessoptimierung und Produktzuverlässigkeit wird der Mensch häufig außen vor gelassen, moniert Thorsten Frenzel, Head of Sales D/A/CH & BeNeLux von Asys: „Wir sprechen viel über technische Verfügbarkeit, Auftragssteuerung über Verfügbarkeit von Bauteilen. Wir von der Asys Group sehen hier allerdings auch den Faktor Mensch – vor allem, den an der Linie – als wesentlichen Bestandteil des Fertigungsprozesses.“ Was nütze da die Verfügbarkeit von Bauteilen oder dass die Aufträge immer zum richtigen Zeitpunkt ausgeliefert würden, wenn nicht der Bediener an der Linie dafür sorgen würde, dass alles am Laufen bliebe, stellt er die rhetorische Frage, um sogleich den eigentlichen Gedanken auszuführen: „Dieser Mensch, der die Linie bedient, der muss entsprechend informiert sein und unterstützt werden, so dass letztlich auch die Verfügbarkeit der Linie sichergestellt ist.“ Dazu gäbe es Konzepte, wie eine Tablet-bediente Aufgabensteuerung des Bedieners. Auf diese Weise könne er immer zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort sein, ist er sich sicher.

Teilnehmer

Die Teilnehmer der Podiumsdiskussion (in alphabetischer Reihenfolge):

  • Hubert Egger, Leiter Produktmarketing Software von ASM Assembly Systems
  • Peter Erhard, Geschäftsführer von Ifm Datalink
  • Thorsten Frenzel, Head of Sales D/A/CH & BeNeLux von Asys
  • Holger Krumme, Managing Director – Technical Operations von HTV Halbleiter & Test
  • Dr. Friedrich W. Nolting, Geschäftsführer von Aegis Software
  • Volker Pape, Vorstand von Viscom

Dieses neuartige Bedienkonzept muss allerdings auf den jeweiligen Anwender passen: „Jüngere Bediener werden sich mit einem Tablet in der Fertigung leichter tun, wenn sie ihre Arbeitsvorgänge angezeigt bekommen, als ältere Bediener. Wir glauben jedoch, dass dies der richtige Schritt ist, um eine Fertigung effizienter und produktiver zu gestalten“, erläutert er. Die Tablet-bediente Aufgabensteuerung soll weder Leitrechnerfunktionen ersetzen noch soll es Daten sammeln. „Was wir mit diesem System erreichen möchten ist, dass der Bediener effizient agieren kann und einen Überblick über aktuelle und anstehende Aufgaben hat.“ Die SMT-Fertigung an sich werde immer komplexer, zudem kämen immer mehr Prozesse hinzu, argumentiert er: „Wenn wir den Fertigungsstandort Deutschland erhalten wollen, können wir uns es nicht erlauben, einen vierten Mann an die Linie zu stellen, sondern der Trend geht dahin, die Fertigungslinie mit ein bis eineinhalb Personen abzubilden. Und da ist es wichtig, effizient einzugreifen.“ Frenzel denkt da in einer größeren Dimension, wenn er anmerkt, dass es nicht reiche, Handlingsmodule, Drucker oder Laser in so einem Bedienkonzept einzubringen: „Wir wünschen uns, dass alle anderen beteiligten Gruppen einer Prozesskette, sei es Maschinenbauer, entsprechende Softwareanbieter auf dieses Tool zurückgreifen. Aus diesem Grund haben wir hier eine offene Schnittstelle geschaffen, so dass wir künftig auch Hersteller von Bestückautomaten, Lötanlagen und sogar Reinigungsanalgen miteinbinden können.“ Hinsichtlich der Einbindung der Reinigungsanlagen freut sich Frenzel im Besonderen: „Stellen Sie sich vor, Sie haben zwei, drei Reinigungsanlagen in Ihrer Fertigung stehen, die vielleicht am anderen Ende der Halle stehen. Über dieses Tablett wird der Bediener nur dann zur Reinigung gerufen, wenn der Reinigungsprozess auch wirklich abgeschlossen ist. Und das ist doch eine schöne Zeitersparnis, vor allem, wenn man es schafft, dadurch 30 Minuten mehr Produktivität zu erzielen – da hat man richtig was gewonnen.“

Ungelöstes Problem: Proprietäre Schnittstellen der SMT-Fertigungsanlagen

Dem Thema Schnittstellen und Standards widmeten sich die Experten in vehementer Weise. Bislang gibt es eher herstellerabhängige Insellösungen, die für sich genommen gute Ansätze sind. Warum ist es so schwer, eine einheitliche, linienübergreifende Software beziehungsweise Toolketten zu konzipieren? „Wir sind uns alle einig, dass Schnittstellen oder genormte Standardschnittstellen nötig sind, um das Leben unserer Kunden hinsichtlich der Integration unterschiedlichster Anlagen wesentlich einfacher machen“, eröffnet Hubert Egger von ASM Assembly Systems die Runde, und weiter: „Ich behaupte jetzt einfach mal, dass es momentan hierzu keinen in der Praxis etablierten Standard gibt.“ Sicherlich sei die Erwartungshaltung von einer Schnittstelle und auch bei den Ansätzen, wie man sie definieren soll, ziemlich hochgeschraubt, glaubt er. „Man müsste sich vielleicht auf ein Minimum beschränken, was die Protokolle und Inhalte betrifft, und man müsste sicherlich auch Abstriche bei den Ansprüchen machen, was zu definieren ist. So könnte man mit einem bestimmten Standard anfangen und später in verschiedene Ausbaustufen entsprechende Ergänzungen einflechten.“

Volker Pape, Vorstand von Viscom, pflichtete dem bei und veranschaulichte dies mit seinen Erfahrungen mit einem global agierenden Kunden und dessen Schnittstellenmix: „Innerhalb des Konzerns hat fast jedes Werk eine andere MES-Schnittstelle, am Ende gab es mindestens 15 verschiedene Schnittstellen, resultierend aus diversen Zukäufen. Das ist fatal, weil es einen unglaublichen Aufwand produziert und zwar auf Kundenseite lokal in den Werken, aber auch bei Maschinenlieferanten.“ Jede Schnittstellenanbindung stelle eine gewisse Komplexität dar, die es einzubinden und auch zu betreuen gelte. Daher appelliert er: „Mein Interesse ist ganz klar, eine Standardisierung – egal welche, es muss nur eine vernünftige sein – vorwärts zu treiben und besonders gerne bei EMS-Kunden zu etablieren.“ Papes Engagement ist groß: Als der Fachverband Electronic Components and Systems des ZVEI im Mai 2008 die Initiative „Identifikation und Traceability in der Elektro- und Elektronikindustrie“ gründete, war Viscom in diesem Arbeitskreis tätig. Ziel dieser Initiative war es, einen Leitfaden zu erstellen, der alle Belange der Wertschöpfungskette in der Elektro- und Elektronikindustrie bei der Einführung von Traceability berücksichtigt.

In diesem ZVEI-Arbeitskreis war auch Friedrich W. Nolting von Aegis Software (damals noch diplan) tätig: „Ich muss jetzt aus der Sicht eines amerikanischen Unternehmens, der seine MES-Systeme weltweit in 1600 Fabriken installiert hat, allerdings anmerken, dass wir leider wiedermal nicht über unseren deutschen Tellerrand hinausgeschaut haben“, bemängelt er und führt weiter aus: „Diese Standardisierung, die hier vom ZVEI wohlwollend durchgeführt worden ist, hat sich leider nur sehr stark auf deutschen Markt und die deutschen Maschinenbauer konzentriert. Wen man aber bedenkt, dass alles, was hier auf der SMT-Messe zu sehen ist, zu etwa 80 Prozent außerhalb des deutschen Marktes installiert wird, dann muss man schleunigst damit beginnen, die Anforderungen ausländischer Märkte an Maschinenschnittstellen wahrzunehmen und entsprechend zu berücksichtigen“, mahnt er. In den Augen von Thorsten Frenzel von Asys ist dies noch ein langer Weg: „Obwohl wir mit sehr viel Engagement und Arbeit versucht haben, einen Standard zu definieren, findet er noch zu wenig Anwendung. Jeder Kunde hat historisch gewachsen unterschiedliche Anforderungen und Ansprüche an seine MES-Schnittstelle, die natürlich alle ihre Daseinsberechtigung haben.“

Die greifbare Lösung heißt da offene Protokolle nach außen geben: „Wissen entsteht nicht durch Horten, sondern durch Teilen“, betont er. „Es ist wichtig, dass wir uns öffnen, dass wir miteinander Netzwerken und offene Schnittstellen anbieten, um unseren Kunden die Entscheidung zu erleichtern, sich für deutsche Fabrikate und Lösungen zu entscheiden. Wenn ein Kunde gezwungen ist, bei einem Software-Update einer Maschine eine komplett neue Schnittstelle aufzusetzen, wird er die Lust daran verlieren. Deswegen ist es wichtig, hier entsprechende Standards abzubilden.“ Der Gedanke dabei ist also, den Aufwand für der Maschinenbauer, die bunte Vielfalt von ähnlichen, aber immer wieder neuen Schnittstellen und Datenformaten in den Griff zu bekommen, weshalb Frenzel unterstreicht: „Ich möchte das nochmals betonen: Der Standard kann nicht von null auf hundert weltweit gleich das Alleinseligmachende sein.“ Als Softwareanbieter ist ifm Datalink mit den verschiedenen Schnittstellen, die bei allen Maschinen entlang der Prozesskette vorhanden sind, konfrontiert. „Wir waren auch bei der Definition der ZVEI-Schnittstelle beteiligt“, erinnert sich Peter Erhard. Doch anders als gedacht, setzt sich dieser Ansatz nur langsam, ja fast schon zu langsam, durch. Das will Erhard ändern: „Wir werben dafür, dass Anwender, den Maschinenbauern empfehlen, diese Maschinenschnittstelle zu nutzen und damit wieder weitere ZVEI-Schnittstellen im Markt zu verbreiten. In einigen Jahren könnte sich so ja doch ein Quasi-Standard herausbilden.“

Ready for Traceability

Als die Verbände ZVEI und FBDI auf der Productronica 2009 ihren Traceability-Leitfaden „Identifikation und Traceability in der Elektro- und Elektronikindustrie“ vorstellten, haben sie damals einen wichtigen Meilenstein gesetzt. Mit dem Leitfaden hat der ZVEI eine Handlungsempfehlung gegeben, über eine schrittweise Einführung zur Material-, Prüf- und Prozess-Traceability, zur Prozessverrieglung und Prozessoptimierung. Der Weg zu einem ZVEI-Traceability-Standard und damit verbunden standardisierten Schnittstellen für die SMT-Fertigungsanlagen ist auch heute noch weit und wird, geht es nach Peter Erhard von ifm Datalink, von vielen eher wie eine Versicherung betrachtet: „Solange man die Versicherung nicht braucht, hat man immer das Gefühl, man zahlt einen Beitrag und weiß nicht wofür.“ Man könne aber über die Transparenz, die man durch die Traceability gewönne, deutliche Optimierungspotentiale und wirkliche Produktivitätssteigerungen erreichen, bekräftigt er und empfiehlt: „Lenken Sie den Blick darauf, nur Daten zu sammeln, die für Sie wichtig sind, um Ihre Produktion zu optimieren und die Ihren Rückruf und Ihre Traceability absichern. Denn in der Produktivität liegen die Euros, da kann man den eigentlichen ROI errechnen.“

„Die Traceability entlang der Fertigungslinie ist ja schon fast perfekt. Aber die Daten können nur dann gesammelt werden, wenn sie verfügbar sind“, wirft Holger Krumme von HTV mit Blick auf die Bauteilprogrammierung in die Diskussion. „Wir programmieren zum Beispiel elektronische Bauteile für Kunden und es können dann nur die Daten in der Fertigung gespeichert werden, wenn sie später im Wareneingang des Kunden richtig und korrekt ankommen, so dass sie hinterher in der Fertigungslinie korrekt einfließen können.“ Eine gute Plattform für eine effiziente Datensammlung kann der Bestückautomat sein, verarbeitet doch der Automat das meiste Material entlang der SMT-Linie, argumentiert Hubert Egger von ASM Assembly Systems: „Der Bestücker weiß auch ganz konkret, wo er was bestückt.“ Man habe da vor über 12 Jahren eine Notwendigkeit gesehen und diese auch umgesetzt, die Daten zusammenzuführen, die im Bestückautomaten auflaufen. „Es ist aber auch eine Herausforderung, diese Daten sinnvoll zu interpretieren. Man muss ganz genau evaluieren, welche Daten wirklich relevant sind und nur die Daten, die wirklich sinnvoll sind, für die Rückverfolgbarkeit herauszugeben und an einer Schnittstelle bereitzustellen.“

Eine weitere Facette bringt Volker Pape von Viscom an: „Die OEMs prüfen die Produkte und sie auditieren Prozesse. Wenn Sie als Zulieferer bei einem Automobilkonzern arbeiten wollen, müssen Sie nachweisen, dass Ihr Prozess funktioniert, und dass nicht nur am Anfang, sondern auch immer wieder aufs Neue. Und da ist dieser Traceabilityeffekt einfach der, dass Sie die Daten die der Kunde sehen will, ad-hoc zur Verfügung stellen können. Sie müssen also die Informationen haben und nutzen, die Sie für die Qualität ihres Prozesses benötigen.“ Als Anbieter von AOI und AXI böte Viscom ja die Messtools, um die Fertigungsqualität zu wahren, was viele Kunden zur eigenen Prozessoptimierung nutzten, erläutert er weiter. In die gleiche Kerbe schlägt Friedrich W. Nolting von Aegis Software, der so argumentiert, dass der wesentliche Nutzen eines Traceabilitysystems darin besteht, dass man den Prozess kontinuierlich über die Qualitätsdaten überwache und damit auch sicherstelle, dass man Qualität produziere: „Ich will am Ende die Qualität nicht herbei prüfen, sondern ich will tatsächlich kontinuierlich produzieren. Um dies zu gewährleisten, muss ich eine ständige Echtzeitverfolgung der Messdaten, der Prüfdaten, der AOI-Daten haben, um die Grenzwerte betrachten zu können – und zwar ständig. Und wenn die Mess-/Prüfdaten herausbrechen, dann muss ich über Alarme rechtzeitig informiert werden, dass meine Produktionsqualität eben nicht mehr stimmt.“

Und noch ein Aspekt wird in diesem Zusammenhang relevant: Ein Prozess so wie er heute in der Fertigung aufgebaut ist, wird aller Voraussicht nach in zwei Jahren nicht mehr genauso aussehen. Das zeigen die jüngsten Entwicklungen, verweist Nolting von Aegis Software: „Sie haben jetzt das SPI als neuen Prozess nach dem Pastendruck, das Pre-Soldering-SPI und das End-of-Line-AOI und -AXI eingeführt. Diese Prozessschritte sind erst in den letzten Jahren in den Prozessflow integriert worden.“ Triebfeder ist, dass bestimmte Fehler in dem Prozess auftreten können und sich das Traceability- und Prozessflow-Kontrollsystem dynamisch abbilden lassen muss. Kontinuierliche Investitionen in den eigenen Maschinenpark sind nötig, um nicht nur in der Fertigungsqualität up-to-date zu bleiben, sondern auch um auch hinsichtlich der Rückverfolgbarkeit auf dem Laufenden zu bleiben: „Ich trau mir nicht zu, Ihnen jetzt schon vorauszusagen, wie in zwei Jahren Ihre Produktion aussehen wird. Es kann durchaus sein, dass noch weitere Qualitätssicherungsmaßnahmen zu ergreifen sind, weitere Mess- und Testsysteme hinzukommen, die man dann in einem dynamischen Traceabilitysystem integrieren können muss, ohne großartigen Neuprogrammieraufwand“, wagt Nolting den Blick in die Zukunft.

Lückenlose Rückverfolgbarkeit

Jede elektronische Baugruppe ist durch die Materialien und Bauelemente geprägt, aus denen sie besteht. Eine ganzheitliche Traceability erlaubt eine lückenlose Rückverfolgung und Identifizierung von gefertigten Produkten entlang der gesamten Lieferkette bis hin zum einzelnen Bauteil. Traceability bietet aber auch die Chance, im eigenen Unternehmen Prozesse zu optimieren und somit Kosten einzusparen. Echtzeitfähige MES-Systeme mit Traceability-Funktionen ermöglichen die dafür benötigte Rückverfolgbarkeit in Echtzeit und sorgen für transparente Fertigungsabläufe.

Marisa Robles Consée

ist Chefredakteurin Productronic

(mrc)

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