Wir sind weiter auf den Weltmärkten erfolgreich aktiv und haben auch 2011 neue Kunden in interessanten Nischen gefunden. Gleichzeitig ordern jetzt wieder unsere Stammkunden nicht nur im Neubau, sondern gerade auch im Retrofitbereich,“ erklärte Dr. Alexander Nürnberg, Vorstandsvorsitzender der VDMA Schiffbau- und Offshore-Zulieferindustrie, anlässlich der Pressekonferenz des Verbandes am 22. Juni in Hamburg. „2010 war für die Schiffbauzulieferer in der Produktion ein schweres Jahr, da 2009 wenig neue Aufträge aus dem Schiffbau kamen. Wir sehen jetzt eine langsame aber stetige Erholung der Auftragslage im Weltschiffbau. Qualität ist aber kein Alleinstellungsmerkmal mehr. Die Kunden suchen Lösungs- und Systemkompetenz bei sehr kurzen Lieferzeiten. Das führt zu neuen Herausforderungen – dafür rüsten wir uns, um auch 2011 unseren Titel Weltmarktführer der Schiffbau-Zulieferindustrie zu verteidigen,“ so Nürnberg.

Auftragseingänge steigen deutlich

Die deutschen Schiffbau- und Offshore-Zulieferer erwirtschafteten 2010 mit 70.000 Mitarbeitern einen Umsatz von 11,1 Mrd. Euro. Das bedeutet einen leichten Umsatzrückgang von sechs Prozent zum Vorjahr. Die Auslastung in der Produktion bei den Schiffbau-Zulieferern hat wieder angezogen. Die Kurzarbeit ist in den meisten Betrieben Vergangenheit. Das Offshore-Zuliefergeschäft im Öl- und Gas-Markt war von dem Umsatz-Rückgang nicht betroffen, hier setzte sich das Wachstum der letzten Jahre wieder unvermindert fort. Nach dem dramatischen Rückgang der Schiffbauaufträge ab Oktober 2008 und dem Einbruch bei den Zulieferern um 29 % 2009 stiegen die Auftragseingänge im Jahr 2010 erstmals wieder um acht Prozent. Damit scheint die Trendwende erreicht zu sein und es kann ein leichtes Umsatzwachstum für 2011 erwartet werden. Neben den langsam zunehmenden Aufträgen aus den etablierten Märkten haben die Unternehmen einen Schwerpunkt auf das Erschließen neuer Märkte gesetzt.

Chance: Offshore

Dass die maritime Wirtschaft in Deutschland ein wichtiger Wirtschaftszweig ist, der vor allem in den eher strukturschwachen Regionen der nördlichen Bundesländer einen hohen Anteil zur regionalen Wertschöpfung beiträgt, ist unbestritten. Insgesamt sind rund 400.000 Menschen in der maritimen Branche tätig, davon rund 19.000 auf den Werften sowie weitere 72.000 in der Schiffs- und Offshore-Zulieferindustrie.

Die Offshore-Windindustrie entwickelt sich aktuell sehr dynamisch. Deshalb bietet dieser Industriezweig für deutsche Werften viele mögliche Ansatzpunkte. Neben Schiffen sind dies auch andere komplexe Konstruktionen, vor allem Jacket-Fundamente und Offshore-Plattformen (Umspannplattformen, Konverterplattformen). Dass der potenzielle Umsatz aus den klassischen Werfttätigkeiten (Schiffbau, Umbau, Wartung) rückläufig ist, könnten Offshore-Strukturen ein weiteres Umsatzpotenzial eröffnen. Ein Ausnutzen dieses Potenzials könnte auch zur Sicherung von bis zu 6.000 Arbeitsplätzen auf deutschen Werften beitragen.

Schiffe für die Windparks

Die Erfahrung der deutschen Werften, die technischen und personellen Kapazitäten, die vorhandene Infrastruktur und die Forschungs- und Innovationskraft sind eine solide Basis für einen Einstieg in den Offshore-Windmarkt. Dies eröffnet den Werften Umsatzpotenziale in verschiedenen Bereichen. Denkbar ist der Bau von Schiffen unterschiedlicher Größenklassen, die für das Errichten und den Betrieb von Offshore-Windparks benötigt werden. Zudem der Bau von Plattformen und Fundamenten sowie Umbau, Wartung und Reparatur von Schiffen und auch Komponenten. Beim Bau von Offshore-Windparks werden zum Beispiel Erkundungsschiffe oder Schiffe für Beobachtungen, Bewachungsschiffe, Schiffe für Personal- und Materialtransport, Ankerziehschlepper, Sicherungsschiffe, Transportbargen (Feeder) Kabelleger oder Baggerschiffe und Jack-up-Schiffe/Kranschiffe benötigt.

Durch eine Fokussierung darauf könnte die Branche bis 2020 bis zu 18 Mrd. Euro Umsatz erzielen. Voraussetzungen dafür sind natürlich eine günstige Entwicklung der politischen und finanziellen Rahmenbedingungen und ein Fortsetzen der strategischen Neuausrichtung innerhalb der Branche. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft KPMG in Kooperation mit dem Verband für Schiffbau und Meerestechnik. und unterstützt vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, dem Verband Deutscher Reeder sowie der Stiftung Offshore Windenergie. Der potenzielle Umsatz aus den klassischen Werfttätigkeiten könnte sich der Studie zufolge bis 2020 auf insgesamt 6,5 Mrd. Euro belaufen. Aus Offshore-Strukturen ließe sich ein weiteres Umsatzpotenzial von bis zu 11,5 Mrd. Euro ableiten. Hinzu kommt ein nicht unerhebliches Potenzial aus der Bereederung der notwendigen Schiffe.

Langfristige Positionierung notwendig

Dies bedeutet im Ergebnis, dass deutsche Werften eine strategisch sinnvolle Ausrichtung und qualitativ hochwertige Referenzschiffe benötigen, um sich langfristig in diesem Marktsegment zu positionieren. Mit Blick auf die komplexen Anforderungen an die Errichterschiffe wird es für deutsche Werften vor allem wichtig sein, Design- und Integrationskompetenz für die notwendigen Systeme (vor allem Jack-ups und Kräne) zu stärken. Die Voraussetzungen dafür sind vor allem bei den größeren deutschen Werften geben. Wichtig wäre dabei, dass die Werften ihrerseits aktiver werden, sofern die Potenziale dieses Marktes genutzt werden sollen. Eine klare Positionierung und der Ausbau notwendiger Kompetenzen (unter anderem Design, Integration, Aftersales) sind im internationalen Wettbewerb unerlässlich. Hierbei sind auch Referenzschiffe von wesentlicher Relevanz für eine mögliche Auftragsvergabe. Nachteilig könnte sich aber auswirken, dass für die neuartigen Schiffe sowie Offshore-Strukturen keine spezifischen und weltweit verbindlichen Vorschriften und Normen bestehen. Dieses Regulierungsdefizit erschwert die internationale Einsetzbarkeit der Schiffe und induziert durch die Ausbildung inhomogener nationaler Bau-, Sicherheits- und Umweltstandards Wettbewerbsverzerrungen. Hier bedarf es intensiver Bemühungen zur Ausarbeitung verbindlicher Standards. 

Harald Wollstadt

: Chefredakteur der IEE

(hw)

Sie möchten gerne weiterlesen?