Die grundsätzlichen Anforderungen an die Basissicherheit medizinisch-elektrischer Geräte (ME) einschließlich ihrer wesentlichen Leistungsmerkmale sind in der internationalen Norm DIN EN 60601-1 (VDE 0750-1):2013-12 festgelegt. Sie regelt in Abschnitt 8.11.5 explizit auch die Anforderungen an den Überstromschutz. Die Norm schreibt in diesem Kapitel vor, dass die Absicherung aller ME-Geräte der Schutzklasse I und Schutzklasse II mit Funktionserdanschluss ausnahmslos all-polig erfolgen muss.

Auf einen Blick

Als Absicherungselemente gegen Überstrom kommen entweder Schmelzsicherungen oder Schutzschalter zum Einsatz. Letztere weisen aber gleich mehrere nicht unerhebliche Vorteile auf. So verhindern Schutzschalter Potenzialverschleppungen durch echte zweipolige galvanische Trennung, haben die geforderte Betriebsbereitschaftsanzeige und übernehmen zusätzlich die Funktion eines Netzschalters. Außerdem lassen sie sich nach dem Auslösen einfach wieder einschalten und vorab ausgiebig testen.

Für ein ME-Gerät, das beispielsweise bei einphasiger Netzspannung (AC) 230 V betrieben wird, heißt das in diesem Fall: Es muss sowohl im Außenleiter als auch im Neutralleiter ein Überstromschutz vorhanden sein. Die Art des Überstromschutzes ist normativ allerdings nicht vorgegeben. Es steht Geräteentwicklern also offen, ob sie Schmelzsicherungen oder Schutzschalter einsetzen.

Detail mit großen Auswirkungen

Hersteller von ME-Geräten haben in diesem Fall drei Möglichkeiten, den Überstromschutz zu realisieren: entweder mit zwei Schmelzsicherungen, zwei einpoligen Schutzschaltern oder einem zweipoligen Schutzschalter. Die Problematik liegt darin, dass die drei Lösungen nicht die gleiche Sicherheit liefern. Ein häufig übersehener Aspekt ist, dass beim Einsatz von Schmelzsicherungen und einpoligen Schutzschaltern im Überstromfall in aller Regel nur eine einpolige galvanische Trennung erfolgt. Das liegt daran, dass im Fehlerfall toleranzbedingt immer nur das leicht flinkere Überstromelement auslöst, während das etwas trägere Zwillingsgerät im Ein-Zustand bleibt. Sicherer ist daher der zweipolige Schutzschalter, denn nur der führt im Fehlerfall ausnahmslos eine echte zweipolige galvanische Trennung durch und verhindert dadurch gefährliche Potenzialverschleppungen in ME-Geräten.

Netzschalter und Überstromschutz kombiniert

Für die Funktionen Ein, Aus und Überstromschutz reicht es, einen  mehrpoligen Wippschutzschalters Typ 3120 als einzige Komponente zu verbauen.

Für die Funktionen Ein, Aus und Überstromschutz reicht es, einen mehrpoligen Wippschutzschalters Typ 3120 als einzige Komponente zu verbauen. ETA

Gemäß IEC EN 60601-1 Abschnitt 8.11.1 muss jedes ME-Gerät darüber hinaus über eine Vorrichtung verfügen, durch die die Stromkreise all-polig sind und sich gleichzeitig vom Versorgungsnetz trennen lassen. Dafür eignen sich mehrpolige Kombischutzschalter wie die zweipoligen Wippschutzschalter des Typs 3120 von ETA. Sie übernehmen in ME-Geräten, die mit Wechselstrom arbeiten, nicht nur die Funktion eines zweipoligen Schutzschalters, sondern gleichzeitig auch die eines zweipoligen Netzschalters.

Für Hersteller von ME-Geräten führt diese Kombination zu reduziertem Montage- und Verkabelungsaufwand sowie weniger Platzbedarf. Denn schließlich ist nur eine einzige Komponente für die beiden Funktionen Ein-/Aus und Überstromschutz zu verbauen. Hinzu kommt eine höhere Gesamtzuverlässigkeit, da weniger Einzelbauteile auch weniger Fehlerquellenbedeuten. Und zu guter Letzt vereinfachen weniger Bauteile auch die Einkaufslogistik.

Klare Stellungsanzeigeerkennung

Eine weitere Forderung der IEC EN 60601-1 ist, dass bei Schaltern zum Schalten der Stromversorgung die Stellungen „Ein“ und „Aus“ eindeutig erkennbar sein müssen (siehe Abschnitt 7.4.1 Netzschalter). Diese Forderung erfüllen  Wippschutzschalter von ETA gleich doppelt. Zum einen sind sie klar nach Norm beschriftet, zum anderen auf Wunsch zusätzlich mit Beleuchtung lieferbar. Ist das Gerät eingeschaltet, so signalisiert die Beleuchtung eindeutig die Betriebsbereitschaft.

Kein Sicherungswechsel

Gegenüber Schmelzsicherungen haben Geräteschutzschalter außerdem den entscheidenden und grundsätzlichen Vorteil, dass sie sich nach einer Auslösung sicher, schnell und vor allem werkzeuglos wieder einschalten lassen. Ein Auswechseln durchgebrannter Sicherungen entfällt. Das spart Zeit und häufig auch Nerven, denn nicht immer sind passende Ersatzsicherungen sofort zur Hand. Ein Vorteil, der gerade in der Medizintechnik zählt, denn Gerätestillstände müssen hier auf ein absolutes Minimum beschränkt sein. Nicht auszudenken wenn etwa die Sicherung eines Inkubators abschmilzt und eine Ersatzsicherung nicht sofort auffindbar ist.

Die zweipoligen Schutzschalter erfüllen zusätzlich die Funktion eines zweipoligen Netzschalters.

Die zweipoligen Schutzschalter erfüllen zusätzlich die Funktion eines zweipoligen Netzschalters.ETA

Außerdem lösen Schutzschalter nur aus, wenn tatsächlich ein schädlicher Überstrom auftritt, denn sie ändern ihre Auslösecharakteristik – auch über lange Zeit – so gut wie nicht. Anders bei Schmelzsicherungen, die altern und mit der Zeit flinker werden. Verantwortlich hierfür sind Stromspitzen, die den Schmelzleiter vorschädigen und die Schmelzsicherung damit unberechenbar machen. Als Folge können die Schmelzsicherungen Alarm schlagen, ohne dass schädlicher Überstrom vorliegt. Dabei gilt gerade in der Medizintechnik, dass jeder falsche Alarm eindeutig einer zu viel ist.

Ein häufig übersehener Aspekt ist auch, dass sich Schutzschalter vor Auslieferung verlässlich testen lassen. Bei der Produktion von Schmelzsicherungen nimmt man nur Stichproben und testet sie auf ihre Auslösewerte hin. Eine Funktionsprüfung einer Schmelzsicherung ist sozusagen per Definition unmöglich, da sie zur Zerstörung führen würde. Schutzschalter dagegen kann man werkseitig Pol für Pol kalibrieren und prüfen. Damit liefern Schutzschalter laut ETA ein Maximum an Sicherheit.

DEHP-freier PVC-Schutz

In der Medizintechnik eingesetzte Netzschalter benötigen oftmals aus hygienischen Gründen eine transparente Schutzkappe. Kombi-Schutzschalter von ETA sind daher optional mit unterschiedlichen Schutzkappen lieferbar. Zur Wahl stehen Ausführungen aus Silikon und PVC; ihre maximale Schutzklasse entspricht IP66. Besonders erwähnenswert in diesem Zusammenhang ist, dass ausnahmslos alle PVC-Schutzkappen vollständig DEHP-frei (Diethylhexylphthalat) sind, also keine schädlichen Weichmacher enthalten. Dies ist insbesondere in der Medizintechnik von hoher Relevanz, denn viele Zulassungsstellen wie etwa der TÜV akzeptieren nur noch DEHP-freie Kappen.

Thomas Schmid

ist Produktmanager in der Produktsparte Industry, Energy & Equipment bei ETA in Altdorf.

(rao)

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