Regen, Nebel, Nässe auf den Straßen – ein Wetter, bei dem man sich mit einem unguten Gefühl ins Auto setzt. Ein plötzlich abbremsender Vordermann, ein liegengebliebenes Fahrzeug hinter der nächsten Straßenkuppe, eine Baustelle nach dem Autobahntunnel: bei schlechter Sicht bleiben Autofahrern nur wenige Sekunden, um zu reagieren.

V2X warnen beispielsweise vor Gefahrensituationen.

V2X warnen beispielsweise vor Gefahrensituationen.NXP

Viel zu oft ist das nicht genug. Das Jahr 2013 war für Deutschland das unfallreichste Jahr seit der Wiedervereinigung. Nach den nun vorliegenden endgültigen Ergebnissen erfasste die Polizei bundesweit rund 2,4 Millionen Straßenverkehrsunfälle – 0,5 % mehr als im Jahr 2012. Allein 2013 starben auf den Straßen der EU über 26.000 Menschen, also in etwa die Einwohnerzahl einer mittelgroßen Stadt. Viele von ihnen würden vermutlich noch leben, wenn ihnen im entscheidenden Augenblick ein paar Sekunden mehr Reaktionszeit geblieben wären.

Genau diese entscheidenden Sekunden können Verkehrsteilnehmer durch die Vehicle-to-Vehicle- beziehungsweise Vehicle-to-Infrastructure-Technologie (V2X) gewinnen. Durch die direkte Kommunikation zwischen V2X-fähigen Fahrzeugen und intelligenter Infrastruktur (zum Beispiel in Form von intelligenten Straßenschildern und Ampeln) können Autofahrer frühzeitig und über lange Strecken auf voraus liegende Gefahren aufmerksam gemacht werden, bevor sie in den Sichtbereich des Fahrers kommen. Damit ergänzt V2X bereits bestehende Fahrassistenzsysteme wie Kameras oder Radar und bietet das Potenzial, den Straßenverkehr im Vergleich sehr viel sicherer und flüssiger zu machen.

Alltagstauglichkeit getestet

Mit mehreren Testfahrzeugen erfolgte die Communicating-Cars-Testfahrt entlang des ITS-Korridors.

Mit mehreren Testfahrzeugen erfolgte die Communicating-Cars-Testfahrt entlang des ITS-Korridors.NXP

Wie alltagstauglich die V2X-Technologie heute schon ist, stellten die Teilnehmer der Communicating-Cars-Testfahrt Ende 2014 von München bis Helmond (NL) unter Beweis. In Zusammenarbeit von Ministerien, Straßennetzbetreibern und der Automobilbranche entsteht derzeit eine grenzübergreifende Teststrecke in Deutschland, Österreich und den Niederlanden, der sogenannte ITS-Korridor (Intelligent Transport Systems). In diesem Abschnitt erhalten Straßen in allen drei Ländern intelligente Ampelanlagen, intelligente Baustellenhinweise und andere intelligente Verkehrssensoren. Die Communicating-Cars-Testfahrt demonstrierte in diesem Korridor die Praxistauglichkeit von V2X: Von München aus machten sich fünf vernetzte Fahrzeuge von Honda auf den Weg, um die insgesamt 1300 Kilometer nach Wien und dann über Helmond bis Rotterdam zurückzulegen. Die Strecke bezog auch bereits existierende ITS-Testfelder mit ein.

Rechtzeitige Info ersetzt oft die scharfe Bremsung und verbessert den Verkehrsfluss.

Rechtzeitige Info ersetzt oft die scharfe Bremsung und verbessert den Verkehrsfluss.NXP

NXP sorgte mit der V2X-Technologie für die sichere Kommunikation zwischen den beteiligten Fahrzeugen sowie mit der umgebenden Infrastruktur und arbeitete eng mit anderen Technologieführern zusammen: Siemens stellte die intelligente Infrastruktur zur Verfügung und stattete Straßenschilder, Ampelanlagen sowie „Verkehrshindernisse“ mit sicheren V2X-Funksensoren aus. Die Fahrzeuge stellte Honda, Cohda Wireless lieferte die Anwendungssoftware. TÜV Süd und die Automobil-Clubs AvD und ANWB beteiligten sich als Unterstützer der V2X-Kommunikation.

Die Ergebnisse der Testfahrt beeindruckten ein Fachpublikum aus Politik und Wirtschaft. Die erhofften Sicherheitsvorteile von V2X kamen buchstäblich auf die Straße. Die Interessenten erlebten, wie die Fahrer eine Warnung erhielten, noch lange bevor Hindernisse wie Baustellen und anderes ins Blickfeld gerieten, und welche Vorteile dieser Zeitgewinn in kritischen Situationen gewähren kann.

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NXP

Technische Grundlage: Roadlink

Ein wesentlicher Baustein für eine erfolgreiche V2X-Kommunikation ist eine Chiptechnologie, die Vernetzung und Hardware-Sicherheitselement integriert. Anfang 2013 stellte NXP mit Roadlink die erste fahrzeugtaugliche Lösung für diese Herausforderung vor. Das System spielt heute eine tragende Rolle im wachsenden V2X-Ökosystem. Mittlerweile ist es zu einem kompletten V2X-Chipsatz inklusive Software und Hardware-Sicherheitselement gegen unbefugten Zugriff, Datenmissbrauch und -manipulation gereift.

Dank der Skalierbarkeit der Lösung lässt sich die neue Architektur weltweit auf breiter Ebene einsetzen. Der Roadlink-Chipsatz basiert auf der SDR-Technologie (Software-Defined Radio) von NXP und lässt sich mittels Firmware an unterschiedliche Anforderungen anpassen. Entwickler können somit verschiedene regionale Kommunikationsstandards auf Basis einer einheitlichen, global einsetzbaren Hardwareplattform abdecken. Die Chiplösung unterstützt beide Ausprägungen von V2X: V2V- (Fahrzeug-zu-Fahrzeug) und V2I-Kommunikation (Fahrzeug-zu-Infrastruktur) sowie externes Standard-WLAN. Sie kommt sowohl im Fahrzeug als On-Board-Unit (OBU) als auch in der Verkehrsinfrastruktur als Road-Side-Unit (RSU) zum Einsatz.

Die On-Board-Unit.

Die On-Board-Unit.NXP

Mehrwegeempfang und mobiler Betrieb

Neben der Chiplösung spielt bei V2X in der Praxis die Zuverlässigkeit und Geschwindigkeit des Datenaustauschs eine wichtige Rolle. Innerhalb einer V2X-Kommunikationsarchitektur werden die Signale zwischen Sender und Empfänger auf unterschiedlichen Wegen verschiedener Wellenlängen übertragen und können dabei auch von Gebäuden, anderen Fahrzeugen oder größeren Objekten reflektiert werden. Auch verändern sich die Signalwege durch die Bewegung.

Um solchen Phänomenen entgegenzuwirken, ist Roadlink von Anfang an für einen gleichzeitigen Ausgleich von Störungen durch Laufzeitunterschiede bei Mehrwegeempfang und Mobilbetrieb ausgelegt. Der Datenverkehr läuft über ein aus dem WLAN-Standard abgeleitetes Protokoll (WLAN-Standard IEEE 802.11p), das über 2000 Meter weit reichen kann. Als Ergebnis dieses Verfahrens kann das Fahrzeug auch bei sehr hohen Geschwindigkeiten, bei reflektierten Signalanteilen durch Objekte und Hindernisse jeder Art sowie in Kurven zuverlässig Signale senden und empfangen. Auch wenn keine Sichtverbindung besteht, erhalten Fahrer so wesentlich präzisere Informationen zur Streckensituation und haben mehr Zeit zum Reagieren. Warnungen vor einer bevorstehenden Kollision haben ohne V2X eine Vorlaufzeit von gerade einmal drei bis fünf Sekunden, während durch V2X dem Fahrer eine wesentlich längere Reaktionszeit von typischerweise 20 bis 25 Sekunden bleibt.

Ohne Worte.

Ohne Worte.NXP

Antennendiversität

Eine weitere Herausforderung bestand für die Automobilhersteller bisher auch in der Anordnung und Konfiguration von Modem und Antenne, um die Empfangsqualität zu optimieren. Die Verwendung einer einzelnen Antenne ist hier zwar die kostengünstigste Lösung, stellt jedoch nur einen Datenpfad zur Verfügung. Für eine Integration in das Fahrzeugdach muss die Dachfläche möglichst eben sein. Systeme mit zwei Antennen (Dual Remote Antennas) kosten mehr, sind jedoch für alle Dachformen geeignet, wenn beide Antennen abgesetzt voneinander an jeweils gegenüberliegenden Fahrzeugseiten installiert sind. Sie bieten damit die deutlich bessere Empfangsleistung.

Eine Möglichkeit ist auch die Verwendung von zwei Antennen, die zum Verbessern der Datenkommunikation in geringem Abstand zueinander in einem gemeinsamen Gehäuse verbaut werden. Derartige Lösungen bieten jedoch im Normalfall keinerlei Abhilfe bei Schatten, wie sie durch sehr ausgeprägte Dachrundungen oder Glasdächer entstehen können. Die meisten Hersteller werden aus diesem Grund innerhalb ihrer jeweiligen Fahrzeugplattformen entsprechende Dual-Antenna-Lösungen mit zwei Antenneneinheiten vorhalten, um unabhängig von möglichen Abschattungen, Dachgrößen, -materialien und -krümmungen jederzeit einen möglichst optimalen Signalempfang zu gewährleisten.

Herausforderung Datensicherheit

Wo immer wichtige Informationen über drahtlose Netze übertragen werden, steigt die Möglichkeit bösartiger Attacken. V2X-Kommunikation macht da keine Ausnahme. So könnten Eindringlinge zum Beispiel die Identität geschützter Einsatzfahrzeuge annehmen, um damit bestimmte Sonderrechte für sich in Anspruch zu nehmen und andere Verkehrsteilnehmer zu blockieren. Hacker könnten an einem bestimmten Straßenabschnitt Falschwarnungen zu einer stattgefundenen Notbremsung absetzen und damit den nachfolgenden Verkehrsfluss verlangsamen.

Eckdaten

Der Straßenverkehr in Europa soll intelligenter, sicherer und umweltfreundlicher werden; das ist ein Ziel von Unternehmen und Regierungen. Mit V2X-Technologie, entsprechend ausgerüsteten Fahrzeugen und intelligenten Verkehrssystemen lässt sich dies verwirklichen. Die im Herbst letzten Jahres durchgeführte Communicating-Cars-Testfahrt entlang des ITS-Korridors (Intelligent Transport Systems) durch Deutschland, Österreich und die Niederlande demonstrierte die Alltagstauglichkeit und den Praxisnutzen der V2X-Technologie. Der Roadlink genannte Chipsatz erleichtert die Implementierung von V2X-Systemen und berücksichtigt dabei auch den wichtigen Aspekt der Datensicherheit.

Um hier Abhilfe zu schaffen, kommt in den V2X-Chips auch die langjährige Expertise von NXP bei Kryptocontrollern für Bankkartenanwendungen und digitale Ausweise zum Einsatz. Dieses Know-how stellt sicher, dass die Chips höchsten Sicherheitsanforderungen genügen. Die Absicherung läuft direkt auf dem Chipsatz über bewährte Authentifizierungsverfahren. Standardmikrocontroller können integrierte Sicherheitsfeatures in dieser Form nicht bieten. Zudem ist das System in der Lage, die große Zahl an erforderlichen Nachrichtenverifizierungen zuverlässig zu verarbeiten. Das ist extrem wichtig, da jedes Fahrzeug bis zu zwanzig Nachrichten pro Sekunde absetzen kann. Allein die Fahrzeuge in der direkten Umgebung senden gemeinsam schon viele hunderte Nachrichten pro Sekunde, die das System verifizieren und verarbeiten muss – und zwar in Echtzeit.

Smarte Verkehrszukunft

Dass die genannten Technologien reif für ihren Einsatz auf der Straße sind, hat die Communicating-Cars-Testfahrt bewiesen: V2X kann Autofahrer wirkungsvoll auf voraus liegende Baustellen, nahende Einsatzfahrzeuge, bevorstehende Geschwindigkeitsbeschränkungen und Bremsmanöver des Vordermanns hinweisen. Frühzeitig vorgewarnt können sich die Fahrer auf die Situation einstellen und Vorsichtsmaßnahmen ergreifen, um so Unfälle zu vermeiden. Auf den Testfeldern in München und Wien wurden außerdem Anwendungsfälle wie Ampelkommunikation und Warnhinweise auf Glätte, Fußgängerübergänge und langsame Fahrzeuge demonstriert.

Wann kommt V2X auf die Straße?

Die Zeichen stehen gut, dass sich V2X in absehbarer Zeit branchenweit durchsetzen wird. Für einen erfolgreichen Systemstart liegt die erforderliche kritische Masse an Fahrzeugen mit V2X-Technik bei mindestens 10 % aller Fahrzeuge, wenn die Fahrer einen spürbaren Mehrwert erhalten sollen. Europa kann bei der Einführung eine Vorreiterrolle einnehmen, und die im Vehicle-2-Vehicle-Consortium vertretenen Automobilhersteller planen hier eine Umsetzung in den nächsten Jahren. Auch in den USA wird durch einen Vorstoß der Regierung demnächst Bewegung in das Thema V2X kommen und in den kommenden Monaten eine entsprechende Entscheidung zu einer Gesetzgebung für V2X erwartet. Für Japan gehen Experten von ersten Implementierungen im Jahr 2017 aus.

Es sind vor allem die Sicherheitsapplikationen, die eine frühzeitige Übernahme der Technologie vorantreiben, aber auch die technische Entwicklung fördert den Trend, wie etwa erweiterte Möglichkeiten für neue Dienste auf freien 5,9-GHz-Servicekanälen oder die Nutzung von externem WLAN.

Lars Reger

ist Vice President Automotive New Business und R&D bei NXP Semiconductors.

(av)

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