An einer engen Stelle einer vielbefahrenen Straße hat es gekracht: ein Auffahrunfall. Doch nicht nur der Warnblinker und das aufgestellte Warndreieck informieren Autofahrer, die auf die Gefahrenstelle zufahren. Ein Signal aus einem Unfallfahrzeug informiert direkt die nachfolgenden Fahrzeuge. Zugleich erfahren weiter entfernte Verkehrsteilnehmer automatisch von dem Hindernis, weil das Auto seine Pannenmeldung auch sogleich an die Basisstationen der Mobilfunk-Anbieter übermittelt hat. Die Netzbetreiber schicken den Hinweis direkt an die Navigationssoftware, die ihre Kunden nutzen – ein toller Komfortservice, der vielen hilft, den entstehenden Stau rechtzeitig zu umfahren.

Mithilfe der Device-to-Device-Kommunikation können Fahrzeuge sowohl untereinander als auch mit einer Basisstation kommunizieren.

Mithilfe der Device-to-Device-Kommunikation können Fahrzeuge sowohl untereinander als auch mit einer Basisstation kommunizieren. Novero

Die Idee, dass Fahrzeuge miteinander und mit anderen Einheiten Informationen austauschen, ist nicht neu. Doch lange war es auf Grundlage der bestehenden Kommunikationstechnologien und Standards unklar, wie sich ein solches Car-2-X-Szenario (C2X, V2X) realisieren und wie sich die Vernetzung der Fahrzeuge in der Breite umsetzen lässt.

Release 12 von LTE für V2X

Durch die Weiterentwicklung eines Mobilfunkstandards ist es nun möglich, ein derartiges Szenario in naher Zukunft umzusetzen, ohne dass die Automotive-Industrie oder andere Beteiligte – die Autokunden etwa oder die öffentliche Hand – massiv in seine Realisierung investieren müssen.

Durch das im Sommer veröffentlichte Release 12 des LTE-Standards werden immer mehr Smartphones und andere Geräte die Fähigkeit haben, direkt und ohne eine Basisstation als Vermittler Informationen auszutauschen. Die Device-to-Device-Kommunikation (D2D) wird damit ein Massenphänomen.

Durch D2D auf Basis von LTE werden beim Thema C2X die Karten neu gemischt, weil sich auch die C2X-Kommunikation auf der Grundlage von D2D abbilden lässt. Fahrzeuge können damit mit anderen Fahrzeugen sowie mit Infrastruktur kommunizieren, und sogar mit anderen Verkehrsbeteiligten wie Fußgängern oder Radfahrern, die ein modernes Smartphone mit sich führen.

D2D-Kommunikation bei V2X

Damit entsteht ein Kommunikationspotenzial, das sich für den Aufbau eines IST (Intelligent Transport Systems) nutzen lässt. Es besteht aus kontinuierlich alle 100 Millisekunden ausgetauschten Cooperative Awareness Messages (CAM), also den Status-Updates aller Verkehrsbeteiligten, sowie Decentralized Environmental Notification Messages (DENM), Benachrichtigungen bei besonderen Ereignissen.

Device-to-Device ermöglicht es, mit einem Uplink mit dem Fahrzeug direkt zu kommunizieren – selbst dann, wenn etwa die Betondecke einer Tiefgarage dafür sorgt, dass keine Verbindung zu einer Mobilfunk-Basisstation möglich ist und ein Leihwagen mit dem Sma

Device-to-Device ermöglicht es, mit einem Uplink mit dem Fahrzeug direkt zu kommunizieren – selbst dann, wenn etwa die Betondecke einer Tiefgarage dafür sorgt, dass keine Verbindung zu einer Mobilfunk-Basisstation möglich ist und ein Leihwagen mit dem Sma Novero

Sowohl Serviceanbieter, die Apps und andere Dienste bereitstellen, als auch direkt in das Fahrzeug integrierte Devices können gleichermaßen die Nachrichten der Typen CAM und DENM nutzen. So lassen sich Unfälle vermeiden, Straßenkapazitäten optimal auslasten oder Komfortanwendungen realisieren. Auch die Übermittlung gesetzlich vorgeschriebener verkehrsrelevanter Informationen etwa bei Notrufsystemen wäre auf dieser Grundlage möglich.

LTE D2D statt PWLAN für V2X

Bislang entwickelte die Autoindustrie als Kommunikationsschicht für ITS- und Notruf-Szenarien den PWLAN-Standard, aber als Grundlage für die C2X-Kommunikation ist PWLAN nicht optimal. Um PWLAN in die Fahrzeuge zu bringen, ist zusätzliche Hard- und Software notwendig. Doch ob Autokunden bereit sind, diese Mehrkosten zu übernehmen, ist mehr als fraglich. Auch Kommunen, Länder und Bund haben keine Mittel, um eine flächendeckende Infrastruktur aufzubauen, die mit PWLAN arbeitet. Wegen des folglich absehbar hohen Investitionsbedarfs verabschieden sich bereits erste OEMs von PWLAN.

Device-to-Device-Kommunkiation versetzt die bestehende LTE-Infrastruktur durch Software-Updates und ohne neue Investitionen in die Lage, auch ITS-Use-Cases zu realisieren. Die neue D2D-Technologie lässt sich problemlos in alle Arten von Chips integrieren – nicht nur in solche, die als Baustein von Personals wie dem Smartphone enthalten sind. Auch die Integration als Teil der Telematic Control Unit (TCU) im Connected Car ist möglich.

So funktioniert D2D-Kommunikation bei V2X

Sind ausreichend viele Fahrzeuge dank einer verbauten TCU oder einem D2D-fähigen Smartphone des Fahrers Teil des Kommunikationsverbundes, lässt sich der eingangs erwähnte Use-Case der Kollisionswarnung gut realisieren. Fahrzeuge, die sich 500 m oder näher befinden, erhalten direkt über einen D2D-Uplink vom Fahrzeug eine 200 bis 800 KByte große Nachricht als Warnung. Zugleich übermittelt das System die Warnung als Device-to-Infrastructure-Nachricht (D2I) an die nächste Basisstation eines Mobilnetzanbieters. Dort kann sie über das Mobilfunknetz als Infrastructure-to-Device-Nachricht (I2D) an weiter entfernte Verkehrsteilnehmer im Downlink übermittelt werden und dort etwa Anwendungen wie Routenplaner triggern.

Eckdaten

Durch das im Sommer veröffentlichte Release 12 des LTE-Standards werden immer mehr Smartphones und andere Geräte die Fähigkeit haben, direkt und ohne eine Basisstation als Vermittler Informationen auszutauschen. Die Device-to-Device-Kommunikation (D2D) wird damit ein Massenphänomen.

Durch D2D auf Basis von LTE werden beim Thema C2X die Karten neu gemischt, weil sich auch die C2X-Kommunikation auf der Grundlage von D2D abbilden lässt. Fahrzeuge können damit mit anderen Fahrzeugen sowie mit Infrastruktur kommunizieren, und sogar mit anderen Verkehrsbeteiligten wie Fußgängern oder Radfahrern, die ein modernes Smartphone mit sich führen. Es gibt bereits ein konkretes Vorentwicklungsprojekt für V2X per D2D.

Wie aber ist dieser Routenplaner auf das Smartphone der weiter entfernten Autofahrer gekommen? Er kann eine Smartphone-App sein, die ein Mobilnetzbetreiber, ein Navigationsanbieter oder ein Softwareunternehmen entwickelt. Der Autobesitzer hat sie sich aus einem App-Store geladen, weil sie laut Testberichten schneller über Verkehrsprobleme informiert als der Verkehrsfunk oder sein Navigationsgerät. Kartenanbieter wie Google und Here zeigen bereits jetzt in ihren Apps Informationen über die Verkehrsdichte in ihren Streckenvorschlägen an. Bisher sind die Positionsdaten der Smartphones die Informationsquelle. Derartige Dienste lassen sich mithilfe von D2D- und D2I/I2D-Nachrichten noch schneller und präziser umsetzen.

Die App kann aber auch Teil eines Connectivity-Pakets eines Fahrzeugs sein; sie lässt sich auch auf dem Dashboard eines Fahrzeugs anzeigen, wenn der OEM diese App selbst oder mithilfe eines Partnerunternehmens bereitstellt.

Der Vorteil dieser Entwicklung besteht darin, dass nicht allein die Automobilbranche die Technologie in den Markt bringen muss; die Smartphone-Hersteller und die Mobilnetzbetreiber tun dies auch. Die Infrastruktur entsteht Zug um Zug mit dem Rollout einer neuen Smartphone-Generation und der Entwicklung neuer Apps. So ist gewährleistet, dass D2D im Fahrzeug schon für die Early-Adopter einen Mehrwert darstellen kann – auch wenn es zunächst nur wenige D2D-fähige Fahrzeuge gibt. Schließlich gibt es mit der neuen Smartphone-Generation bald viele andere Geräte in den Jackentaschen von Radfahrern und Fußgängern, die mit dem Fahrzeug kommunizieren können.

Business-Cases für D2D

Schon von Beginn an lassen sich damit D2D-Business-Cases realisieren. Ansätze sind neben Safety-Features wie der Kollisionswarnung auch zum Beispiel Szenarien im Car-Sharing wie die Kommunikation mit Fahrzeugen, die im Funkschatten stehen. Das kann der Fall sein, wenn die Übergabe eines Leihfahrzeugs in einer Tiefgarage geschehen soll und der Check-Out-Prozess über eine Smartphone-App eines Car-Sharing-Anbieters oder eines Autoverleihs erfolgt.

Komfortfunktionen wie das Entriegeln eines Fahrzeugs per Smartphone-App funktionieren dann ebenfalls auch ohne Kontakt zu einer Basisstation. Weitere Remote-Control-Services wie das Anschalten der Klimaanlage oder die Standort-Anzeige lassen sich über D2D ebenfalls ohne Kommunikation über das Backend – und damit schneller und komfortabler – abbilden. Hier können OEMs ihre Kundenbindung erhöhen, wenn sie den Kunden ihrer Modelle entsprechende Apps als Komfort zur Verfügung stellen.

D2D-Vorentwicklungsprojekt für V2X

Das Unternehmen Novero setzt auf die LTE-Technologie, weil sich die nächsten LTE-Generationen weltweit für Car2X durchsetzen werden. Novero arbeitet beim Thema D2D mit führenden OEMs sowie an einem konkreten Vorentwicklungsprojekt. Bereits jetzt hat das Unternehmen einen frühen Prototypen realisiert, der sich an der Luftschnittstelle weitestgehend verhält wie ein D2D-fähiges Gerät. Für 2016 ist ein funktional erweiterter Prototyp geplant, für 2017 ein erster seriennaher Prototyp. Bereits jetzt ist Novero auf dieser Basis in der Lage, mit OEMs Use-Cases zu entwickeln. Auch an Latenzfragen für sicherheitskritische Anwendungen arbeitet das Novero-Team, um diese Aufgabe Zug um Zug zu lösen.

Netz der Netze

Auf dieser Grundlage entsteht ein ITS als dezentrales Netz von unten. Dabei handelt es sich um ein Netz der Netze, das aus unterschiedlichen Diensten und Apps besteht, die miteinander Daten austauschen. Es entwickelt sich wie das Internet als wachsendes Netz und nicht als Ergebnis zentral gesteuerter Investitionsvorhaben. D2D bietet als Teil von festverbauten Systemen die Chance, die Mehrzahl der Car2X-Anwendungen im Auto auf eine wirtschaftliche und nachhaltige Weise abzudecken.

Die OEMs haben die Möglichkeit, bei dieser Entwicklung eine zentrale Rolle einzunehmen und sie wesentlich mitzugestalten. Wenn sie in der Lage sind, neue Features zum Beispiel in Fahrzeugen ebenso schnell freizuschalten wie Smartphone-Hersteller und Netzanbieter, kommen sie in die Position, Kundenbeziehungen proaktiv neu zu gestalten. Als First-Mover sind sie in der Lage, rund um ein ITS-System auch neue Geschäftsmodelle wie Mehrwertdienste zu realisieren. Novero ist dafür der Enabler.

Ulrich Möhlmann

Senior Director Advanced Engineering bei Novero in Nürnberg.

(av)

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