Experten waren sich vor drei Jahren noch einig, dass der Markt für Human Machine Interfaces (HMI) sowohl deutschlandweit als auch weltweit weiter wachsen wird. Wie sieht die Situation 2011 aus?

Franz Aschl, Sigmatek

Franz Aschl, SigmatekSigmatek

Franz Aschl, Sigmatek: Natürlich wächst der Markt, da die Auftragseingänge im Maschinenbau so hoch wie nie zuvor sind. Es sollte dabei jedoch genau betrachtet werden, ob es sich nur um höhere Stückzahlen handelt, oder ob sich neue HMI-Sparten entwickeln, die zuvor gar keine HMIs oder nur einfache Tastengeräte eingesetzt haben. Nur dann handelt es sich aus unserer Sicht um echtes Wachstum.

Roland Haag, MSC Tuttlingen: Maschinen und Anlagen, die bisher noch mit einfachen Bedien- und Leuchtmeldern beziehungsweise schlichten Zeilendisplays ausgestattet waren, werden zukünftig entweder schon beim nächsten Redesign oder spätestens bei der Einführung einer neuen Typ-Reihe mit modernen HMIs ausgestattet. Zusätzlich rekrutiert das generell anhaltende Wachstum im Maschinen- und Anlagenbau auch automatisch einen höheren HMI-Bedarf.

Michael Klein, Beijer Electronics

Michael Klein, Beijer ElectronicsBeijer Electronics

Michael Klein, Beijer Electronics: Der Verkauf von HMI-Geräten ist steigend, aber fraglich ist, ob die bisherige Höchstmarke in Deutschland von 2008, laut dem ZVEI-Arbeitskreis Bedienen & Beobachten, in diesem Jahr noch erreicht wird. Der bisherige Trend, dass Tastatur-basierte Geräte weiterhin abnehmen und Touchpanel an ihre Stelle treten ist unvermittelt zu erkennen.  
Rene Wolf, Siemens Industry Automation: Es sieht so aus, als ob alle Experten recht behalten haben. Wir waren immer davon überzeugt, dass das Thema HMI sehr gute Wachstumspotenziale bietet.

Klaus Rottmayr, ICP Deutschland: Die Experten sollten Recht behalten. Immer mehr Applikationen werden mit einer menügeführten Benutzerschnittstelle ausgestattet. Der Trend wird sicher auf Grund der starken Akzeptanz der Touchscreen-Lösungen im privaten Bereich bei den PDAs und den Smartphones unterstützt.

Ein Trend ist, HMI als integraler Bestandteil der Usability (Benutzungsfreundlichkeit) zu sehen. Können Konsumerprodukte wie Smartphones, Spielekonsolen oder andere Multimediageräte die Entwickler inspirieren?

Christoph Niedernhuber, Keba

Christoph Niedernhuber, KebaKeba

Christoph Niederhuber, Keba: Konsumerprodukte inspirieren und beeinflussen Entwickler im Industriebereich durchaus. Charakterisierende Unterschiede von Industrieprodukten liegen hierbei im Lebenszyklus sowie der Verfügbarkeit von Komponenten. Darüber hinaus sind im Vergleich zum Konsumerbereich Eigenschaften wie Falltauglichkeit und Chemikalienresistenz zentrale Themen, die bei der Entwicklung berücksichtigt werden müssen.

Udo Wortmann, R. Stahl

Udo Wortmann, R. StahlR. Stahl

Udo Wortmann, R. Stahl HMI Systems: Aus meiner Sicht Ja. Spielkonsolen, Smartphones bieten immer wieder Anreize über Dinge nachzudenken, über die man bisher nicht nachgedacht hat. Es liegt dann halt an uns Marketingleuten herauszufinden, ob diese Anwendungen in der Automatisierungswelt Platz finden könnten und wieviel Platz sie hier einnehmen werden.

 

Klaus Rottmayr, ICP Deutschland

Klaus Rottmayr, ICP DeutschlandICP Deutschland

Klaus Rottmayr, ICP Deutschland:  Die Smartphone- und Spielekonsole-User sind die HMI Anwender der Zukunft. Und schon heute gibt es zahlreiche HMI Anwendungen im alltäglichen Leben, bei denen die Usability für den Endanwender im Vordergrund steht. Hierzu sei nur erwähnt, dass es bis vor einigen Jahren auf einigen HMI Geräten den Hinweis gab ‚Touch me‘. Heute tippt der Anwender instinktiv auf jeden Bildschirm und er erwartet, dass das Gerät auf seine Eingaben reagiert.

Rene Wolf, Siemens

Rene Wolf, SiemensSiemens

Rene Wolf, Siemens Industry Automation: Prinzipiell ja, man denke da nur an Bedienmöglichkeiten wie Multitouch. Allerdings muss man hier darauf hinweisen, dass Industrieanwendungen und Industriekunden ein anderes Marktsegment mit zusätzlichen Anforderungen bilden als der Markt für Konsumerprodukte adressiert. Punktuell werden sicher auch in der Zukunft Impulse für das HMI Geschäft aus dem Konsumermarkt kommen.

Michael Klein, Beijer Electronics: Die Endnutzer erwarten letztendlich, Bedienoberflächen für die Maschinensteuerung zu bekommen, die intuitiv verständlich sind und dabei auch noch ‚cool‘ aussehen. Die nachkommenden Maschinenführer wachsen mit modisch gestylten Oberflächen wie beim iPhone auf und erkennen den Nutzen dabei. Deshalb wird auch in der Automation keineswegs ein stylischer Grafiktrend verfolgt, der gerade in ist. Es handelt sich vielmehr um die Ausrichtung, Anlagenbedienung effizienter zu gestalten gleichzeitig eine positive Nutzererfahrung zu erzeugen. Aus diesem Grunde tun heutige Projektierer gut daran, Ihre Bedienkonzepte gründlich auf Benutzungsfreundlichkeit zu überprüfen.

Die Evolution bei HMI-Lösungen wird getrieben durch ständige Weiterentwicklung der Software in Verbindung mit immer leistungsstärkerer Hardware. Welche Risiken und Chancen sehen Sie hierbei?

Roland Haag, MSC Tuttlingen

Roland Haag, MSC TuttlingenMSC Tuttlingen

Roland Haag, MSC Tuttlingen: Die Risiken liegen unter Umständen in sehr kurzen Innovationszyklen, die zum einen erhebliche Entwicklungsressourcen bedingen und zum anderen ein Produkt, das vielleicht gerade die Serienreife erreicht hat, bereits als überholt erscheinen lässt. Zu den Chancen zählt sicherlich die Fokussierung auf spezifische Nischenmärkte beziehungsweise auf bestimmte Branchen oder Anwendungen. Auch eine klare Differenzierung der wesentlichen, applikationstypischen Funktionscharakteristik wird so unterstützt.

Andrea Pellegrini, Comp-Mall

Andrea Pellegrini, Comp-MallComp-Mall

Andrea Pellegrini, Comp Mall: In der heutigen Zeit sind die Aufgaben so komplex geworden, dass einzelne HMI-Lösungen ein großes Spektrum an Aufgaben abdecken. Bei einem Defekt müssen somit meist nicht nur Kleinteile, sondern komplette Systeme ausgewechselt werden, was wiederum in höheren Kosten resultiert. Ein weiteres Risiko bergen virtuelle Schalter. Probleme, die bei herkömmlichen Schaltern bereits gelöst sind, können hier wieder auftreten, wie nicht funktionierende Schalter oder eine fehlerhafte Annahme der Eingabe. Zudem bedingt die zunehmende Komplexität ein höheres Fachwissen bei der Bedienung. Als Chance hingegen kann man das Beispiel Atom CPUs nennen. Die Hardware wird immer leistungsstärker und die Software immer verfeinerter. Dementsprechend werden Features wie passive Kühlung bei hoher Leistung und Energieeffizienz möglich. Dadurch wird sowohl der Geldbeutel geschont und als auch die Ausfallwahrscheinlichkeit gesenkt.

Franz Aschl, Sigmatek: Hier sind wir beim Kern der Sache. Es werden mehr und mehr Funktionen in das HMI gepackt, die jedoch nur ganz wenige Anwender brauchen und somit wird es zu kompliziert. Wir verfolgen den Weg: Keep it simple. Natürlich eröffnet die Weiterentwicklung auch Chancen. Es können beispielsweise Dokumentationen, Ersatzteillisten in der Maschine mit abgelegt werden. Fernwartung, Web-Dienste sind heute fast schon immer mit dabei.

Ein weiterer wesentlicher Faktor bei zukunftsorientierten HMI-Lösungen ist die Kommunikationsfähigkeit mit der Außenwelt. Welche Punkte werden hierbei noch diskutiert?

Roland Haag, MSC Tuttlingen: Sicherlich wird die Spracherkennung in Verbindung mit der Sprachsteuerung einen Schwerpunkt bilden, beispielsweise zur Bestätigung von Meldungen oder für die Eingabe von Rezepturen. Genauso dürften Sicherheitsaspekte wie Authentifizierung und Nutzung externer Datenquellen, Verschlüsselungs-Algorithmen und Zugangsberechtigung über Fingerprints ein Thema sein und nicht zuletzt wird das ‚Cloud Computing‘ eine wichtige Rolle für innovative HMI-Oberflächen spielen.

Udo Wortmann, R. Stahl HMI Systems: Bei der Kommunikation mit der Außenwelt spielt das Thema Sicherheit eine große Rolle. Sobald Bedienstationen in einer Produktionsanlage mit der Außenwelt kommunizieren können, besteht letztendlich eine höhere Gefahr, dass sicherheitsrelevante Daten nach außen dringen könnten. Das muss unter allen Umständen vermieden werden. Wenn man also über ‚Cloud Computing‘ in der Automatisierungswelt nachdenkt, dann müssen diese sicherheitsrelevante Fragen mit viel Ernsthaftigkeit beantwortet werden. Die Technik ist da, auch wir bieten die mit unseren Thin Client-Lösungen an, die übergeordneten Sicherheitsthemen müssen letztendlich vom Anlagenbetreiber entschieden werden.

Harald Wollstadt

: Chefredakteur der IEE

(hw)

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