Simulation Soundsystem

Bild 1: 3D-Schalldruckverteilung des linken vorderen Türwoofer in einer SUV Fahrzeugkabine. (Bild: Mvoid)

Simulation Soundsystem

Bild 1: 3D-Schalldruckverteilung des linken vorderen Türwoofer in einer SUV Fahrzeugkabine. Mvoid

Wer herausragenden Klang im Fahrzeug und eine geräuschoptimierte Fahratmosphäre erleben will, ist auf eine maßgeschneiderte Soundanlage angewiesen, die Klang klar, kraftvoll und voller Emotionen wiedergibt. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, ist eine frühzeitige Integration der Akustikexperten während der Entwicklungsphase notwendig. Denn ein Fahrzeug liefert eine der schwierigsten Umgebungen, um exzellenten Klang zu produzieren. Akustikexperten sind hier mit einer äußerst komplexen Architektur auf engstem Raum konfrontiert. Zudem erfordert jedes Modell eine eigene Analyse. Die Struktur eines SUV etwa unterscheidet sich deutlich von der einer Limousine (Bild 1). Bei einem Cabrio wiederum muss der Klang so optimiert werden, dass sich sowohl mit offenem als auch mit geschlossenem Verdeck ein einwandfreies Klangprofil ergibt.

Entscheidend für ein herausragendes Klangerlebnis sind die geeignete Position und die optimale Integration der Lautsprecher in die Fahrzeugstruktur. Auch mit viel Erfahrung und Routine bei der Entwicklung von automobilen Soundsystemen werden Akustikexperten stets vor neue Herausforderungen gestellt. Störgeräusche und eine unausgewogene Wiedergabe von Tönen müssen frühzeitig erkannt, beurteilt und eliminiert werden. Werden diese erst an realen Prototypen entdeckt, führt dies zu einem deutlichen Zeitverzug und Mehrkosten. Moderne Methoden der virtuellen Akustik ermöglichen es, Qualität und Performance der automobilen Soundsysteme über den gesamten Prozess der Produktentwicklung zu beurteilen und zu optimieren.

Virtuelle Entwicklungsumgebung

Die Entwicklung eines neuen Soundsystems erfordert von Beginn an die Analyse und Beurteilung von Lautsprechern, Lautsprecherpositionen und -integration. Zunächst erzeugen die Akustikexperten einen sogenannten akustischen Fingerprint der Fahrzeugkabine. Mit Hilfe der multiphysikalischen Simulation unter Verwendung von Comsol Multiphysics  wird eine virtuelle Produktentwicklungsumgebung geschaffen. Dabei kommen Methoden und Werkzeuge der numerischen Akustik zum Einsatz, um die bestmögliche Position und Integration der Lautsprecher in der Fahrzeugkabine zu berechnen.

Eine der größten Herausforderungen bei der Entwicklung von Lautsprechern und Soundsystemen ist es, die verschiedenen physikalischen Gebiete – Elektromagnetismus (Motor/Antriebssystem), Strukturdynamik (mechanisches Schwingsystem), Akustik (umgebende Luft), teilweise auch Wärmeleitung und Strömung – gemeinsam zu analysieren, da diese stark miteinander gekoppelt sind. Darüber hinaus sind nichtlineare Effekte zu berücksichtigen, die zu störenden Verzerrungen führen.

Viele Faktoren beeinflussen den Klang

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Bild 2: Unerwünschte Schwingung (Rocking) analysiert mittels eines 3D-multiphysikalischem Lautsprechermodells. Mvoid

Um herausragende Klangeigenschaften zu erzielen, zählt nicht alleine der Lautsprecher. Von immenser Bedeutung ist die Integration der Lautsprecher. Denn Lautsprecher benötigen ein Gehäuse als Resonanzvolumen, um tiefe Frequenzen (Bass) zu reproduzieren. Ein Premium-Lautsprecher kann an der falschen Position oder bei ungeeigneter Verbauung keinen sauberen Klang reproduzieren. Die teuer erkaufte Klanggüte versagt in diesen Fällen. Zudem können Gehäuse und Bauteile unerwünschte Geräusche erzeugen (Bild 2).

Die multiphysikalische Simulation erlaubt neue Lösungswege. So werden etwa bisher ungenutzte Hohlräume in der Fahrzeugstruktur als Lautsprechergehäuse verwendet. Eine komplexe Geometrie, wie sie häufig bei Hohlräumen anzutreffen ist, und Einschränkungen des verfügbaren Raums haben großen Einfluss auf den Klang. Für einen herausragenden Klang analysieren und optimieren die Akustikexperten die mechanische und akustische Integration der Lautsprecher.

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Bild 3: Resonanzeffekte in einer Tür verursacht durch einen Woofer. Mvoid

Darüber hinaus hat die Fahrzeugkabine selbst, aufgrund der unterschiedlichen Materialien (Leder, Kunststoffe, Textilien, Glas…), einen wesentlichen Einfluss auf die Wahrnehmung des Klangs. Dieser komplexe Materialmix stellt die Experten bei der Simulation vor besondere Herausforderungen. Für die verschiedenen Bauteile mit stark unterschiedlichen Akustikeigenschaften werden passende Beschreibungen benötigt, die in die Simulation mit einfließen. Basierend auf 3D-CAD-Daten lassen sich die Interaktionen von Lautsprecher und Gehäuse mit dem Hörraum im multiphysikalischen Simulationsmodell analysieren, bewerten und optimieren (Bild 3).

 

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie durch Auralisation und Tuning ein besserer Klang erzielt werden kann.

 

Multiphysikalisches Simulationsmodell

In einer Fahrzeugkabine ist das gesamte hörbare Spektrum im Frequenzbereich von 20 Hz bis 20 kHz zu beurteilen. Dies erfordert die Kombination verschiedener Simulationsverfahren, um alle hörbaren raumakustischen Effekte abzudecken.

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Bild 4: Starke Variationen des Schalldrucks an allen Sitzplätzen hervorgerufen durch Resonanzeffekte in der Kabine. Mvoid

Bei Berücksichtigung aller Einflussgrößen kann anschließend im multiphysikalischen Simulationsmodell im gesamten Innenraum die Verteilung des Schalldrucks sowie entstehende Reflexionen über mathematische, physikalische Parameter ermittelt werden (Bild 4). Alle wesentlichen Faktoren, die den Schall beeinflussen, werden im Simulationsmodell sichtbar. Die multiphysikalische Simulation liefert erste Ergebnisse über die Akustik in einer geplanten Fahrzeugkabine. Die Ergebnisse basieren ausschließlich auf numerischen Berechnungen.

Die multiphysikalische Simulation ist Grundlage für den nächsten Schritt: die Bestimmung der akustischen Klangqualität auf einem bestimmten Platz. Das berechnete Frequenzspektrum eines Platzes in der Fahrzeugkabine ist eine abstrakte Größe. Das menschliche Gehör nimmt alle Lautsprecher im Verbund in einem Fahrzeug wahr. Die räumlichen Attribute der Schallwahrnehmung durch den Menschen sind in der multiphysikalischen Simulation noch nicht genügend berücksichtigt. Die Analysen der einzelnen Lautsprecher und deren Frequenzverhalten alleine sind dafür nicht ausreichend.

Besserer Klang durch Auralisation und Tuning

An dieser Stelle kommen das Tuning und die sogenannte „Auralisation“ des virtuellen Gesamtsystems auf Basis der Simulationsdaten zum Tragen. Als Auralisation wird ein Verfahren zur Hörbarmachung einer akustischen Situation bezeichnet. Der Klang der geplanten Fahrzeugkabine wird quasi in die virtuelle Realität übertragen. Grundsätzlich geht es darum, die Interaktionen der Lautsprecher untereinander zu analysieren und zu optimieren sowie wichtige psychoakustische Merkmale des räumlichen Hörens zu berücksichtigen.

Akustikexperten überlassen bei der Reproduktion von Sound nichts dem Zufall. Im Tuningprozess prüfen sie, wo sich welche Schallwellen im Gesamtsystem verteilen, welche Laufzeit- und Pegelunterschiede von den Lautsprechern zu den Hörern bestehen, sowie ob Akustiklöcher, verursacht durch den eingeschränkten Bauraum oder der Integration, existieren. Denn in der komplexen Architektur der Fahrzeugkabine können sich Bereiche bilden, in denen sich die Schallwellen gegenseitig neutralisieren. Zudem können sich Unregelmäßigkeiten und Resonanzen im Frequenzgang bilden, die für das menschliche Gehör zu laut oder zu leise wirken. Passagiere sitzen dicht an einem Lautsprecher und zu anderen Lautsprechern verhältnismäßig weit weg sowie in einem anderen Winkel. Der Schall tritt somit nicht gleichzeitig im Ohr ein und ist unterschiedlich laut.

Die Akustikexperten prüfen in dieser Phase das virtuelle Gesamtsystem auf Herz und Nieren. Sie prognostizieren, ob im Fahrzeug kostenintensive Änderungen an der Hardware notwendig werden, wie etwa der Austausch von Lautsprechern oder eine Integrationsanpassung. Oder ob sich der gewünschte Klang kostengünstig mittels Tuning reproduzieren lässt. Für ein einwandfreies Klangerlebnis unterziehen sie jeden Sitzplatz einer eigenen Analyse. Für jeden Lautsprecher wird das bestmögliche Klangverhalten zum jeweiligen Sitzplatz eingestellt.

 

Auf der nächsten Seite geht es um akustische virtuelle Realität.

Akustische virtuelle Realität

Zu diesem Prozess gehört auch die Auralisation. Das Verfahren der Auralisation ermöglicht es, digitale Prototypen von Audiosystemen zu hören und deren Produktqualität zu beurteilen. Die virtuelle Messung wird um binaurale Daten für eine realitätsnahe Wiedergabe über Kopfhörer erweitert. Binaurale Aufnahmen sind „Stereo“-Aufnahmen mit besonderer Aufnahmetechnik, die typischerweise nur mit Kopfhörern korrekt wiedergegeben werden.

Ausgangspunkt für die virtuelle Hörumgebung ist die Simulation der Raumimpulsantwort mittels multiphysikalischem Modell an den Positionen, an denen Personen sitzen und sich deren Ohren befinden. Zusätzlich werden binaurale Effekte, verursacht durch Beugung der einfallenden Schallwellen an Kopf und Torso, zu diesen Simulationsergebnissen hinzugefügt.

Um die Voraussetzungen für die akustische virtuelle Realität zu schaffen, ist eine Echtzeitverarbeitung von entscheidender Bedeutung. Denn jegliche Änderung eines beliebigen Tuningparameters muss unmittelbar eine visuelle Reaktion auf dem Monitor (grafische Darstellung des Frequenzgangs oder der Impulsantwort) und hörbare Reaktion über Kopfhörer erzeugen.

Im Auralisationsverfahren stellt sich das Soundsystem der letzten Instanz für optimalen Klang: dem menschlichen Gehör. Dies ist entscheidend, denn das menschliche Ohr ist subtil. Es nimmt feinste Unterschiede wahr. In der Wissenschaft existiert keine allgemein gültige Definition von Klangqualität. Es besteht keine Metrik basierend auf Zahlen, die verschiedene Systeme leicht vergleichbar und beurteilbar macht. Die vollständige Beurteilung der Klangqualität eines Soundsystems muss mittels Hörversuchen erfolgen.

Das Verfahren der Auralisation erlaubt den Akustikern in der Planungsphase genaue Rückschlüsse über den Klang des Soundsystems und der Fahrzeugkabine zu ziehen und diese durch ein subjektives Hören zu beurteilen – ohne realen Prototypen.

Mehr Effizienz, weniger Prototypen

Die Realisierung virtueller Soundsysteme in der täglichen Praxis setzt ein hohes Maß an Know-how in Akustik und multiphysikalischer Simulation voraus. Die Zusammenarbeit mit einem darauf spezialisierten Unternehmen lohnt sich. Die  Mvoid Technologies GmbH widmet sich ausschließlich der virtuellen Akustik. Das Unternehmen hat eine Entwicklungsumgebung für das Simulieren und Hören von Audiosystemen entwickelt, die rein auf computergenerierten Modellen basiert und die Möglichkeit eröffnet, Soundsysteme am virtuellen Prototypen zu evaluieren und zu optimieren.

In der Fahrzeugentwicklung lässt sich die Entwicklungsumgebung zur Konzeptabsicherung auf Basis von digitalen Prototypen einsetzen, was zu einer Verringerung der Anzahl an realen Fahrzeugprototypen führt.  Die akustische virtuelle Realität sorgt so für mehr Effizienz und Innovationskraft in der Entwicklung neuer fortschrittlicher Soundsysteme.

Eck-DATEN

Entscheidend für ein herausragendes Klangerlebnis sind die geeignete Position und die optimale Integration der Lautsprecher in die Fahrzeugkabine. Mvoid hat eine Entwicklungsumgebung für Audiosystemen entwickelt, die rein auf computergenerierten Modellen basiert und die Möglichkeit eröffnet, Soundsysteme am virtuellen Prototypen zu evaluieren. Das sorgt für mehr Effizienz in der Entwicklung von Soundsystemen.

Dr. Alfred J. Svobodnik

(Bild: Mvoid)
President und CEO von Mvoid

(ku)

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