In nur 50 Jahren ist es gelungen, sich von einem Ein-Mann-Betrieb zum Weltkonzern mit 18 Standorten zu entwickeln: Die strategisch über das gesamte Erdenrund verteilten Werke und Niederlassungen befinden sich in Deutschland, Ungarn, Rumänien, China, Tunesien, den USA, der Schweiz, Costa Rica und Hongkong. „Wir sind da, wo unser Kunde uns benötigt“, begründet Johann Weber, Vorstandsvorsitzender von Zollner Elektronik, die Expansionspolitik des Elektronikfertigungs-Dienstleisters. Auf diese Weise sei es möglich, „hohe Qualität, optimales Preis-Leistungs-Verhältnis, technologischen Vorsprung und eine Best-Cost-Country-Strategie entlang der gesamten Wertschöpfungskette“ effizient und flexibel für die Branchen Automotive, Luftfahrt, Bahntechnik, Medizintechnik, Industrieelektronik, Messtechnik, Büroelektronik und Datentechnik sowie Telekommunikation und sonstige Konsumgüter anzubieten. „Egal, ob es sich um Einzelteile, Module, Geräte oder komplexe Systeme handelt: Der Kunde entscheidet über die Prozesstiefe.“

Gläserne Fabrik für effiziente Fertigungsabläufe

Die Dienstleistungsbandbreite hat sich über die Jahre entwickelt, sodass Zollner sich heute in der Lage sieht, branchenübergreifende Systemlösungen entlang des gesamten Produktlebenszyklus offerieren zu können. In der Elektronikfertigung werden mehr als 51 Bestückungslinien weltweit zur Baugruppenherstellung unter höchsten Qualitätsanforderungen eingesetzt. Allein am Hauptstandort Zandt verarbeitet der EMS rund 240.000 verschiedene Bauelementetypen und Komponenten. Das Unternehmen hat sich komplexe mechatronische Systeme von der Entwicklung bis zum After-Sales-Service auf die Fahnen geschrieben. Von der Elektronik über Mechanik bis hin zu den induktiven Bauelementen vereint das global agierende Unternehmen alle notwendigen Technologien unter einem Dach, erläutert Weber weiter: „Technologischer Vorsprung und technologische Vielfalt zählen zu unseren entscheidenden Wettbewerbsvorteilen.“

Als eine der spektakulärsten individuellen Systemlösungen Zollners dürfte der Further Drachen „Tradinno“ sein, der im Jahr 2013 als weltgrößter vierbeiniger Schreitroboter ins Guinness-Buch der Rekorde aufgenommen wurde. Das Entwicklungsteam nutzte bei der Realisierung des 11 t schweren Mechatroniksystems das flexible Kompetenz-Netzwerk der Unternehmensgruppe Zollner und arbeitete dabei eng mit Unternehmen und Instituten zusammen. Zusätzlich zu dem funkferngesteuerten Roboter wurde von Zollner auch ein eigenständiges Transportfahrzeug entwickelt, um „Tradinno“ transportieren zu können. Der Drache spiegelt die gesamte Kompetenz von Zollner Elektronik wider, von der Entwicklung, Mechanik, Elektronik, Pneumatik, Software und Planungssicherheit bis zur Abnahme durch den TÜV – die Lieferung eines kompletten Systems. Bis heute ist der Schreitroboter Hauptdarsteller im Further Drachenstich, dem ältesten Volksschauspiel Deutschlands.

Um solche und viele andere Systeme auf die Beine zu bringen, hat man bei Zollner bereits vor gut sieben Jahren damit begonnen, die Fertigung am Hauptstandort Zandt auf die so genannte „gläserne Fabrik“ umzustellen. Alle weiteren Fertigungsstandorte weltweit wurden sukzessive entsprechend angepasst. Die Vorstufe dazu ist die digitale Fabrik, wobei im Fokus der Mitarbeiter und damit auch ein ergonomischer Arbeitsplatz steht. Spinnt man den roten Faden weiter, so kommt man schnell zu den einzelnen Arbeitsabläufen, die mittels Wertstromdesign ebenfalls streng unter die Lupe genommen werden. Zentrale Frage hierbei ist, welche Abläufe wie zu realisieren sind. Mit diesem, als digitalen Fabrik bezeichneten Planungsprozess, ist es nicht nur möglich, das „digitale Layout von einer Fabrik, Prozess oder einem Ablauf zu erstellen, sondern neben der Wertstromanalyse auch komplexe Simulationen durchzuführen – also vom einzelnen Arbeitsplatz bis hin zu komplexen zusammenhängenden Abläufen können wir die Prozessabläufe simultan, sprich gläsern gestalten“, betont Johann Weber.

Flaschenhälse eliminieren

Dadurch werden nicht nur die einzelnen Entstehungsschritte eines Produktes klar ersichtlich, auch Flaschenhälse lassen sich dadurch eliminieren. Das wird besonders dann interessant, wenn sich spontane Stückzahländerungen ergeben. Mit dieser Transparenz ist es auch möglich, kontinuierlich an der Optimierungsschraube zu drehen und so die Fertigungsprozesse zu verbessern. Doch wie gelingen hohe Bauteilvarianz, verschiedene Losgrößen und rasch wechselnde Produktionen reibungslos? Da lenkt Weber die Aufmerksamkeit zurück auf die Arbeitsplätze – aus diesen Zellen respektive Modulen setze sich die Produktion überwiegend zusammen. Er beschreibt sie auch als „sehr individuelle Inseln“ und meint damit, dass sich dadurch eine extrem hohe Fertigungsflexibilität erreichen lässt: „Jeder einzelne Arbeitsplatz verfügt über Räder und ist dadurch mobil einsetzbar. Das erlaubt uns, die Produktion jederzeit sehr schnell umzustellen und entsprechend flexibel anzupassen.“

Jede Produktionsanpassung wird zuvor simuliert. Dabei könne man auch auf „Standards“ zurückgreifen, sodass man „nicht mehr jeden Prozess neu erfinden muss, da die verschiedensten Prozesse bereits hinterlegt sind.“ Beim Produktwechsel wird vorher abgeklärt, ob bereits „Familien“ existieren, auf die sich zurückgreifen lasse: „Wichtig dabei ist eine grundlegende Planung der digitalen Fabrik, Standardisierung der einzelnen Arbeitsplätze ist hier ein ganz großer Vorteil.“ In einer Insel ist es möglich, jeden Arbeitsschritt zu belegen, oder – abhängig von der Losgröße – auch einen Mitarbeiter einzusetzen, der alle Arbeitsschritte durchläuft. Die digitale Fabrik bietet aber noch weitere Vorteile: Im Zuge der Bestrebungen hin zu Industrie 4.0 gilt es nicht nur die Fertigungsprozesse transparent zu gestalten und eine lückenlose Rückverfolgbarkeit sicherzustellen. Auftretende Fehlerquellen können direkt isoliert und detektierte Komponenten ersetzt werden, was eine umgehende Qualitätssteigerung sowie einen erheblichen Beitrag zur verbesserten Wirtschaftlichkeit zur Folge hat.

Mitarbeiter – ein kostbares Gut

Dreh- und Angelpunkt sind jedoch die Mitarbeiter. Sie müssen eine multifunktionale Ausbildung absolvieren, sodass sie alle Arbeitsplätze bedienen können. Was bedeutet dies konkret? Anforderungsprofile beschreiben die benötigten Fähigkeiten der jeweiligen Arbeitsposition. In so genannten Kompetenzmodellen wird gezielt das für die jeweilige Arbeitssituation benötigte Wissenskapital definiert. Mittels der Kompetenzmodelle ist es möglich, die Qualifikationen der Mitarbeiter mit den Anforderungen der jeweiligen Stelle abzugleichen. Entsprechende Defizite werden sichtbar und lassen sich gezielt ausgleichen. Dadurch sind die geschulten Mitarbeiter flexibel in den verschiedenen Prozessabläufen einsetzbar. Kein Wunder, dass Johann Weber anmerkt: „Bei uns wird der Mitarbeiter ins Zentrum gerückt.“ Durch diese, auf die Zellen ausgelegte Ausbildung, gestaltet sich die Arbeitswelt für die Mitarbeiter sehr abwechslungsreich. Das hat den Vorteil, dass durch die hohe Motivation die Fehlerraten minimiert werden. „Es kommt darauf an, das richtige Wissen zur richtigen Zeit am richtigen Ort und bei den richtigen Mitarbeitern zu haben“, erklärt Weber, der aktives Wissensmanagement als Schlüsselfaktor für den Unternehmenserfolg sieht. Immerhin beschäftigt Zollner weltweit 9.002 Mitarbeiter und gilt in der Region Cham seit 20 Jahren als größter Arbeitgeber. Derzeit arbeiten an den deutschen Standorten 4.490 Mitarbeiter, davon 2.444 Beschäftigte am Hauptstandort Zandt.

50 Jahre Zollner (v.l.n.r.): Christian Zollner, Ludwig Zollner und Manfred Zollner jun. ehren ihren Vater während der 50-Jahr-Feier.

50 Jahre Zollner (v.l.n.r.): Christian Zollner, Ludwig Zollner und Manfred Zollner jun. ehren ihren Vater während der 50-Jahr-Feier.Zollner

Doch nichts bleibt dem Zufall überlassen: Da spielt auch der japanische Ausdruck „Poka Yoke“ rein, der vorsieht, Fertigungsabläufe so zu gestalten, dass keine Fehler gemacht werden können. Das aus mehreren Elementen bestehende Prinzip umfasst technische Vorkehrungen und auch Einrichtungen zur sofortigen Fehleraufdeckung und -verhinderung. So bekommt der Mitarbeiter an den Arbeitsplätzen noch zusätzliche Unterstützung durch Abbildung von Bestück- oder Montageanleitungen oder mittels sensorgestützter Ablaufassistenten, die durch den Arbeitsprozess führen. Alle relevanten Prozessdaten werden automatisch protokolliert und an das übergeordnete MES rückgemeldet. Mittels dieses Anlagennetzwerks ist es möglich, Montageplätze, optische Kontrolle durch AOI/AXI -Systeme sowie die zugehörigen Lötanlagen intelligent zu kombinieren und alle Anforderungen der Sauberraum-Produktion problemlos zu erfüllen. Der Datenaustausch wird dabei über definierte Schnittstellen unter Einsatz von Unikatskennzeichnungen bis zur RFID-Technologie realisiert.

Interview mit Johann Weber

Johann Weber ist Vorstandsvorsitzender von Zollner Elektronik.

Johann Weber ist Vorstandsvorsitzender von Zollner Elektronik.Zollner

Wer Baugruppen in Deutschland fertigt, muss seine Prozesse und die Lieferkette sehr kostenbewusst steuern, damit die Standortvorteile wie kurze Wege, hohe Mitarbeiterqualifikation und die Nähe zu den F&E-Standorten der Kunden zum Tragen kommen. Wie funktioniert das am besten?

Mit einer durchgängigen gewissenhaften Planung in einer digitalen Fabrik. Das beginnt mit einer gesamtheitlichen Wertstromanalyse und ermöglicht eine atmende und transparente Supply-Chain. Wir verfolgen dabei den Ansatz der gesamtheitlichen Traceability. Eine solche durchgehende Nachvollziehbarkeit der Bewegungen von Produkten und Bauteilen ermöglicht die effiziente Erstellung statistischer Datensätze und kann so den gesamten Produktionsablauf optimieren. Damit stellen wir auch die Weichen für Industrie 4.0.

Inwiefern ist eine atmende und transparente Supply-Chain der Königsweg für EMS in Deutschland?

Der Markt gibt den Takt vor! Eine intensive und erfahrene Marktbetrachtung, das richtige Gefühl für die Prognosen und eine gesamtheitliche Supply-Chain sind deshalb unabdingbar, um uns auf den Markt flexibel einstellen zu können. Schon deshalb, weil wir den Markt nicht ändern werden. Auf Schwankungen, Peaks und Downs im Elektronikmarkt muss ein Elektronikfertigungs-Dienstleister schnell und flexibel reagieren können. Im Extremfall kann dies bedeuten, dass wenn es gut läuft, die OEMs ihre Fertigung leichter auslagern, als wenn das Geschäft schlecht läuft – da besteht die Gefahr, dass Aufträge storniert werden.

Wo fängt eine atmende Supply Chain an?

Am besten in der eigenen Produktion, denn ein bedarfsorientierter Wertschöpfungsprozess, der mittels Wertstromanalysen ständig verbessert wird, ist die Basis für eine atmende Lieferkette. Wichtig sind dabei auch ein kontinuierlicher Informationsfluss und eine enge Kommunikation in der Lieferkette über alle Stufen der Wertschöpfung hinweg.

Was ist unter „gesamtheitlichen Wertstrom“ zu verstehen?

Es ist nicht damit getan, wenn nur der EMS seine Prozesse optimiert. Auch die Lieferkette hin zum Lieferanten – und damit auch Hersteller und Distributoren – auf der einen Seite und zum Kunden auf der anderen Seite müssen in den Optimierungsprozess mit einbezogen werden. Dadurch schließt sich der Kreis zur atmenden Supply-Chain, die zu einer Win-Win-Situation für alle Beteiligten führt. Damit sind nicht nur die Lieferanten und Kunden gemeint, sondern auch die EMS-Mitarbeiter. Denn eine flexible Lieferkette führt weg vom klassischen monotonen Fertigungsarbeitsplatz – heute hat sich zwangsläufig das Aufgabengebiet eines einzelnen Mitarbeiters deutlich erweitert.

Was sagt Ihnen der Blick in die Glaskugel?

Es ist nicht unsere Aufgabe, die Zukunft vorauszusagen. Vielmehr müssen wir auf sie gut vorbereitet zu sein. Damit dies gelingt, sind vor allem Partnerschaften in der Lieferkette entscheidend. Auch muss man Synergien nutzen, um flexibel zu bleiben.

50 Jahre Erfolgsgeschichte

„Heute ist der schönste Tag in meinem Leben!“ Diese von stehenden Ovationen begleiteten Worte des Firmengründers und Aufsichtsratsvorsitzenden Manfred Zollner fassen die Stimmung zusammen, die am 12. Juni herrschte, als über 4.200 Mitarbeiter ihren Chef feierten. Auch der Tag der offenen Tür am 14. Juni war ein Riesenerfolg. Mehr als 15.000 Menschen besuchten das Zandter Hauptwerk von Zollner Elektronik. Ihm zu Ehren wurde die Industriestraße mit sofortiger Wirkung in Manfred-Zollner-Straße umbenannt, verkündete der Zandter Bürgermeister Ludwig Klement. Auch Joe Kaeser, CEO von Siemens, drückte Manfred Zollner seine Anerkennung mit den Worten aus: „Ich kenne niemanden, zu dem so viele Menschen aufblicken wie zu Ihnen. Man wird sich nicht an die Zahlen erinnern, sondern daran, was Sie für die Menschen, was Sie für die Region getan haben.“ Siemens ist einer der langjährigsten Kunden von Zollner. Die Leistungen des größten Arbeitgebers der Region Cham sind beachtlich: Von einem 1965 gegründeten Einmannbetrieb hat sich Zollner zu einer global agierenden Unternehmensgruppe mit 18 Standorten auf vier Kontinenten entwickelt und rangiert als Mechatronik-Dienstleister unter den Top-15-EMS-Unternehmen weltweit.

Marisa Robles Consée

ist Chefredakteurin Productronic

(mrc)

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Zollner Elektronik AG

Industriestraße 2-14
93499 Zandt
Germany