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Bild 1: Das Produkt in der Prozesskette.

Bild 1: Das Produkt in der Prozesskette.FED

Die Frage ist, wie sich die vorhandenen Möglichkeiten sinnvoll und effektiv nutzen lassen. Mögen Normen oder Richtlinien auch oftmals spröde und trocken erscheinen, wird die Hilfe und gleichzeitig Wissensvermittlung durch gute und aktuelle Normen und Richtlinien oft unterschätzt. Bekanntermaßen setzt sich die Qualität des Endproduktes aus der Qualität der einzelnen Entstehungsschritte zusammen. Dabei bleiben unerkannte Fehler bis zum Endprodukt erhalten. Dementsprechend muss Qualitätsmanagement zum frühestmöglichen Zeitpunkt einsetzen, und zu beachten ist, dass Qualität eine Aufgabe aller beteiligten Parteien ist (Bild 1). Generell geht man davon aus, dass weltweit anerkannte Industriestandards der Sicherstellung von Qualität und Zuverlässigkeit mit vertretbaren Kosten dienen.

Immerhin wird Elektronik im weltweiten Verbund entwickelt und gefertigt. Die Unternehmen arbeiten in einer global agierenden Welt unter verschärften Wettbewerbsbedingungen und der weltweit verfügbaren Ressource Arbeitskraft. Arbeitszeitaufwand, Lohn- und vor allem Materialkosten bestimmen die Produktkosten, wobei ein permanenter Kostendruck besteht.

Auf internationalem Parkett

Seit den sechziger und siebziger Jahren hat sich die Normensituation in Deutschland grundlegend verändert. Die deutsche Elektronikindustrie übernimmt heute die Mehrzahl der Normen für Design und Fertigung von Leiterplatten sowie Baugruppen aus dem Ausland. Die Normeninhalte kommen meist von der IEC (International Electrotechnical Commission – weltweites Normengremium mit Sitz in Genf, www.iec.ch) und stammen überwiegend aus dem angloamerikanischen Bereich. Die Dokumente werden von deutscher Seite meist fachlich kaum oder unwesentlich geprüft und als Rohübersetzung mit allen Übersetzungsmängeln so in die deutsche Industrie entlassen. Das ist aber immer noch besser als gar keine aktuellen Normen mehr zu haben, besonders unter dem Blickwinkel der Globalisierung der Wirtschaft. Normendefizite können sich entscheidend auf die Wettbewerbsfähigkeit eines einzelnen Unternehmens auswirken. Diese Tatsache spürt man immer mehr, gerade wenn es um die Globalisierung geht.

Grundsätzliches Ziel ist „First Time Right – mach es gleich richtig“. Gleichzeitig wird ein möglichst geringer Zeitaufwand bei der Produktrealisierung angestrebt. Die Qualitätsanforderungen werden dem Einsatzzweck des Produktes angepasst (IPC-Klassen). Dabei gilt es, Ausschuss, Nacharbeit und Reparaturaufwand zu minimieren. Gute weltweit eingesetzte Normen und Richtlinien erleichtern erheblich die Verständigung zwischen den Firmen in unterschiedlichen Ländern und Erdteilen. Sie sind ein Kostensenkungsfaktor, da Missverständnisse in Entwicklung und Fertigung eher ausgeschlossen werden als ohne gemeinsame Grundlagen.

Warum IPC-Standards?

Der IPC hat als Einreicher von Normen (Standards) bei der IEC erheblich an Bedeutung gewonnen. Nationale Gremien, wie DKE in Deutschland, wirken mittels Ergänzungs- und Änderungsvorschlägen daran mit. Werksnormen wie etwa von Bosch, Siemens oder Philips werden zunehmend durch IPC-Standards ersetzt oder auch ergänzt. Andere europäische Regelwerke wie PERFAG sind unvollständig und werden nicht weiterentwickelt. Der IPC stellt als einzige Institution einen vollständigen Satz von Dokumenten für die gesamte Prozesskette zur Verfügung. Diese kommen Fachverbänden der Bauteil- und Leiterplattenhersteller und der Industrie zugute, die weltweit auf der Basis von IPC-Standards arbeiten.

Gleichzeitig tritt der amerikanische Fachverband IPC zunehmend als Einreicher von Normen bei der IEC auf. Die Dokumente heißen wie auch beim IPC in Englisch „Standards“. Bei der IEC erfahren die Dokumente Veränderungen: Umfangreiche Dokumente werden in mehrere Teildokumente zerlegt, an die nationalen Normengremien (Deutschland: DKE) zur Diskussion weitergegeben, diese Ergebnisse mit Veränderungsvorschlägen wiederum zurück an die IEC geleitet. Im Ergebnis unterscheiden sich die nun IEC-Standards genannten Dokumente manchmal inhaltlich beträchtlich von den ursprünglichen IPC-Dokumenten. Nur ein Eingeweihter kann bestimmte IEC-Standards oft noch dem ursprünglichen IPC-Dokument zuordnen.

In Bezug auf Deutschland ändert sich auch der Begriff: Bei IPC und IEC heißen die Originaldokumente – wie vorn bereits erwähnt – „Standards“, in Deutschland sagt man dann zu den DIN-IEC- oder DIN-EN-Dokumenten gewohnheitsmäßig „Norm“. Der FED bezeichnet die IPC-Dokumente aber als „Richtlinien“, was sie letztlich ja auch sind. Eine „Norm“ hat in der ursprünglichen Bedeutung des Wortes wesentlich restriktiveren Charakter als Standards oder Richtlinien der Elektronikindustrie. Beispielsweise sind die Netzspannung 220 V und die Anschlussgestaltung der Steckdosen in Deutschland eine „echte“ Norm, damit das gesellschaftliche Leben reibungslos funktionieren kann. Abweichungen sind in der Regel unzulässig. Egal wie man es sieht – die spezifischen Dokumente wie Standards und Richtlinien der Elektronikindustrie stellen in der Regel letztlich nur hilfreiche Empfehlungen dar, die aber viel gesellschaftliches Fachwissen und viele Erfahrungen für die praktische Arbeit enthalten.

Der IPC hat seit etwa 1998 ein relativ hohes Arbeitstempo bei der Erstellung neuer Richtlinien zu verzeichnen. Bis diese vom IPC kommenden und dann von der IEC als IEC-Standards übernommenen Dokumente bei den deutschen Fachleuten eintreffen, wurden vom IPC dieselben Richtlinien unter Umständen bereits wieder überarbeitet und an den neueren fachlichen Kenntnisstand angepasst.

Wie entstehen IPC-Standards?

Bild 2: Internationale Zusammenarbeit der Gremien und Fachverbände.

Bild 2: Internationale Zusammenarbeit der Gremien und Fachverbände.FED

Bild 2 zeigt in einem groben Schema die Zusammenhänge bei der Erarbeitung von IPC- und IEC-Standards. Insbesondere die asiatischen Fachverbände aus Japan (JPCA), China (CPCA), Taiwan (TPCA), Südkorea (KPCA) und Indien (IPCA) arbeiten in einer Koordinierungsgruppe für Standardisierung zusammen. Hier findet bereits eine Abstimmung und Zusammenarbeit mit dem IPC statt.

Bild 3: IPC-Standards für das Elektronikdesign.

Bild 3: IPC-Standards für das Elektronikdesign.FED

Für viele Bereiche im Elektronik-Design, der Bauteil- und Materialspezifikation, der Leiterplattenherstellung und der Fertigung von elektronischen Baugruppen gibt es IPC-Standards. Um dem Anwender die Auswahl und den Einsatz der Standards zu erleichtern wurden drei Schaubilder entwickelt, die in einem vereinfachten Schema die Bereiche Elektronikdesign (Bild 3), Leiterplattenfertigung (Bild 4) und Baugruppenfertigung (Bild 5) mit Ihren Anlagen, Maschinen und Prozessen zeigen. Den Prozessen und Verfahren zugeordnet wurden die dafür einsetzbaren IPC-Standards. Die Abbildungen erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit und detailgetreue Wiedergabe, sind für den Praktiker aber eine wertvolle Hilfe bei der Auswahl der richtigen Standards.

Bild 4: Relevante Normen der Leiterplattenfertigung.

Bild 4: Relevante Normen der Leiterplattenfertigung.FED

Die Rolle des FED

Die wichtigsten 25 IPC-Standards wurden deutschsprachig übersetzt und weitere Übersetzungen werden folgen, denn die Anwendung eines Standards in der eigenen Sprache fällt naturgemäß leichter. Dies gilt natürlich auch für andere IPC-Standards und andere Landessprachen. So wurde zum Beispiel die IPC-A-610 (Abnahmekriterien für elektronische Baugruppen) in über 20 verschiedene Landessprachen übersetzt.

Bild 5: IPC und die Baugruppenfertigung.

Bild 5: IPC und die Baugruppenfertigung.FED

Auf Basis der international anerkannten IPC-Richtlinien bietet der FED vom IPC zertifizierte deutschsprachige Schulungen an, in denen sich Mitarbeiter von Elektronikunternehmen zum Certified IPC Specialist (CIS) oder Certified IPC Trainer (CIT) ausbilden lassen können. Der FED ist akkreditiertes Trainings- und Zertifizierungscenter für die Standards IPC-J-STD-001, IPC-A-600, IPC-A-610, IPC/WHMA-A-620 und IPC-7711/7721. Weitere Hilfe bei der Auswahl und beim Einsatz von IPC-Standards findet der Anwender direkt beim FED e.V. Telefonisch, per email und auf der FED-Internetseite (www.fed.de) können sich die Anwender beraten und informieren lassen. Bei Bedarf können Inhaltsverzeichnisse einzelner IPC-Standards zur Verfügung gestellt werden.

Dokumente und Richtlinien

Wer zu vielen Sachgebieten aktuellere Unterlagen als DIN-IEC- oder DIN-EN-Normen oder generell Richtlinien zu neuen aktuellen Technikgebieten der Elektronik haben will, sollte sich am besten gleich direkt an den Richtlinien des IPC orientieren. Fachverbände wie der FED helfen dabei, die Standards anzuwenden und umzusetzen.

21. FED-Konferenz in Bremen

Die FED-Konferenz gehört mit regelmäßig über 400 Teilnehmern zu den führenden Kongressen der Elektronikindustrie im deutschsprachigen Raum. Sie ist integrativer Treffpunkt für Entwickler und Designer von Leiterplatten und Baugruppen, Bauteil- und Materialhersteller und -lieferanten, Hersteller von Leiterplatten, Baugruppen und Systemen, Instituten, Hochschulen und Forschungseinrichtungen. Dieses Jahr findet die Veranstaltung vom 19. bis 21. September 2013 in Bremen statt. Die Konferenz gliedert sich in die Vortragsrubriken Management, Entwicklung + Design, Forschung + Technologie und Produktion von Leiterplatten + Baugruppen. Begleitend zur Konferenz gibt es traditionell eine Table-Top-Ausstellung verschiedener Hersteller rund um die elektronische Baugruppenfertigung.

Michael Ihnenfeld

ist Technischer Leiter und Master IPC Trainer (IPC-A-600) des Fachverbands FED e.V.

(mrc)

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