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Im SMT Cluster wird es nicht nur ein Schaulaufen der Aussteller geben: Die Bestrebungen hin zur Digitalisierung offenbaren sich in vielen interessanten linienübergreifenden Softwarelösungen. (Bild: Messe München)

Wer sich ein Bild über den Ist-Stand der Elektronikfertigung in punkto Industrie 4.0, IoT und Digitalisierung machen will, tut sich schwer. Je nach vorgefasster Meinung kann man sich wahlweise an negativ oder positiv eingestellten Studien orientieren. Blickt man jedoch auf die Branche der Elektronikfertigung, so ist durchaus eine durch Zuversicht ausgelöste große Bewegung zu beobachten. Unter dem Schlagwort „Smart-Factory“ bieten zahlreiche Hersteller ihre – zumeist linienübergreifende –Softwarelösungen an, die zudem nicht nur auf die eigene Maschinenwelt ausgelegt sind, sondern auch ein Fremd-Maschinenbauer zu berücksichtigen weiß. Aktuellstes Beispiel ist neben Pulse von Asys auch die Initiative „The Hermes Standard“ zu nennen, die in Kooperation von ASM Assembly Systems und Asys im Frühjahr 2017 aus der Taufe gehoben wurde.

Weil die Automobilindustrie und andere Industriesektoren immer mehr Elektronik benötigen, trotzt die Elektronikproduktion in Deutschland der Abwanderung nach Ostasien. Dabei sind die Baureihen vielfach klein und hochwertig und daher für die großen Auftragshersteller aus Fernost nicht so attraktiv. Auch um den Schutz des gewerblichen Eigentums zu wahren, fertigen viele deutsche Firmen ihren Elektronikbedarf weiterhin im eigenen Haus. Flexiblere Maschinen erleichtern diese Praxis. Diese Wachstumssegmente kommen deutschen Anbietern von Halbleitern, Bauelementen und Baureihen entgegen, da Automobilindustrie und Maschinenbau in Deutschland besonders stark konzentriert sind und kräftig in die Digitalisierung investieren. Nach Aussagen von Dr. Eric Maiser, Geschäftsführer der Fachabteilung Productronic im Maschinenbauverband VDMA, fragt die Automobilindustrie vermehrt hochwertige Baugruppen nach, an die hohe Qualitäts- und Zuverlässigkeitsansprüche gestellt werden. Daher werden diese zum Teil auch in den Unternehmen selbst gefertigt. Und dies in steigendem Maße mit der steten Ausweitung elektronischer Komponenten in neuen Kfz-Modellen.

 

Auch der Maschinenbau selbst setzt immer stärker auf Elektronik auch im Zuge der Digitalisierung (Industrie 4.0). „Wir vernetzen unsere Maschinen und dazu brauchen wir natürlich auch Elektronik“, verdeutlicht Rainer Kurtz, Geschäftsführer des Maschinenbauers Kurtz Ersa und Fachbeiratsvorsitzender der Fachmesse Productronica. Hier spielt auch der Schutz gewerblichen Eigentums eine Rolle. Daher sind Maschinenbauer (und auch die Automobilindustrie und ihre Zulieferer) beim Outsourcing der Elektronik an spezialisierte Vertragshersteller zurückhaltend und fertigen in manchen Fällen auch selbst.

 

Milliardenpotenzial mit Digitalisierung

Welchen Herausforderungen sich die Elektronikfertigung auf dem Weg ins digitalisierte Zeitalter stellen muss, analysierte unlängst das Marktforschungsunternehmen McKinsey: Pro Jahr könnte das deutsche Wirtschaftswachstum um 0,3 Prozent höher ausfallen, wenn die kleinen und mittleren Unternehmen in Deutschland konsequent auf die Chancen der Digitalisierung setzen und entsprechende Projekte vorantreiben würden. Dennoch sei in vielen Betrieben noch Zurückhaltung spürbar, kommen die Auguren von McKinsey in der jüngst veröffentlichten Studie „Die Digitalisierung des deutschen Mittelstands“ zu dem Schluss. Trotz des Potenzials wertet nur jeder zweite Mittelständler die Digitalisierung aktuell als Chance. Für die Analyse wurden mehr als 200 mittelständische Unternehmen in Deutschland mit einem Umsatz zwischen 100 Mio. und 2 Mrd. Euro befragt.

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Die Digitalisierung ist ein Wachstumstreiber – auch in der elektronischen Baugruppenfertigung. Messe München

Oftmals werden fälschlicherweise fehlende Finanzierungsmöglichkeiten als Grund angeführt, warum sich einige Unternehmen bislang noch nicht an digitale Prozesse herangewagt haben. Auch an Innovationsfreude und dem Mut, eingespielte Prozesse auf den Prüfstand zu stellen und Neues zu wagen, mangelt es mittelständischen Unternehmern in Deutschland nicht. Tatsächlich plagt die Mittelständler ein Problem, das man im direkten Umfeld zu Industrie 4.0 weniger vermuten würde: der Fachkräftemangel. Vielen Unternehmen falle es noch schwer, Digitalisierungs- und IT-Experten für neue digitale Projekte an ihre Unternehmensstandorte zu holen. Die Zurückhaltung ist für die Marktforscher kaum nachzuvollziehen. „Die Mischung aus Erfahrung, Innovationskraft und der Fähigkeit, Neues rasch umzusetzen, macht den deutschen Mittelstand für IT-Experten wie für Unternehmensgründer attraktiv“, ist sich Niko Mohr, Digitalisierungsexperte und Partner im Düsseldorfer Büro von McKinsey, sicher.

 

Mit Erfahrung zum Erfolg

Im Branchenvergleich liegen die größten Potenziale in der Informations- und Kommunikationstechnologie (17,2 Mrd. Euro zusätzliche Wertschöpfung), in der Metall- und Elektroindustrie (15,1 Mrd. Euro) und im Groß- und Außenhandel (14,4 Mrd. Euro). Dies entspricht einem zusätzlichen Wertschöpfungspotenzial von 126 Mrd. Euro. „Der deutsche Mittelstand ist eine jahrzehntelange Erfolgsgeschichte und steht aktuell für 18 Prozent der Beschäftigung und 30 Prozent des Umsatzes hierzulande“, erläutert Mohr und merkt weiter an: „Doch jetzt müssen Mittelständler auf die digitale Überholspur wechseln, um im Wettbewerb mit digitalen Angreifern und großen Unternehmen nicht den Anschluss zu verlieren.“

 

Der Anfang ist seiner Ansicht nach gemacht: Jedes zweite Unternehmen aus dem Mittelstand schätzt den eigenen Digitalisierungsgrad als hoch ein. „Das Thema ist im Mittelstand ganz klar angekommen – allerdings sehen viele Unternehmen die Digitalisierung immer noch als IT-Phänomen und reines Mittel zur Produktivitätsverbesserung“, sagt Mohr. Dabei sei das Thema umfassender; es gelte auch, neue Geschäftsfelder zu erschließen, die Geschäftsarchitektur anzupassen, die Kultur im Unternehmen zu erneuern und so konkurrenzfähig zu bleiben. Indes: „Mittelständler, die ihren eigenen Digitalisierungsgrad als hoch einschätzen, verfügen in der Regel über eine explizite Digitalisierungsstrategie. Außerdem investieren sie langfristig in die technischen Grundlagen der Digitalisierung“, resümiert Mohr.

Opening-Keynote statt CEO-Roundtable

Wie diese Digitalisierungsbestrebungen in der Praxis aussehen, darüber wird Christian Decker, Geschäftsführer der Desma Schuhmaschinen, in der Opening-Keynote berichten – aus einem völlig anderen Blickwinkel auf die Folgen und Chancen der Digitalisierung. Geht es nach ihm, dann bedeutet Industrie 4.0 vor allem, dass Produktionsstätten aus Asien wieder nach Europa und Deutschland zurückkommen.

 

Er muss es wissen, denn unter seiner Ägide hat Desma eine Zelle für die individualisierte Schuh-Produktion realisiert, die innerhalb von 2 s automatisch die 3D-Geometrie einer Schuhsohle analysiert und einen flüssigen Klebstoff aufträgt. Diese Zelle programmiert sich dabei selbst. Das ist nach eigenem Bekunden eine eigenständige Industrie-4.0-Anwendung mit selbstadaptiven Prozessen. Desma hat zudem in einer neuen Linie alle Prozesse miteinander vernetzt. Mitarbeiter sind dabei weitgehend ersetzt durch automatisierte Prozesse. Damit wird der Personalanteil um 60 bis 70 Prozent reduziert, wodurch sich das Unternehmen wettbewerbsfähiger als bisher sieht – auch gegenüber Asien.

 

Die Opening-Keynote wird am ersten Messetag, den 14. November 2017 von 12:30 Uhr bis 13:30 Uhr im SMT Speakers Corner in Halle A1, Stand 220 stattfinden.

 

SMT goes „Industrie 4.0“

Die Ausrüster für die SMT-Fertigungslinie können im Zuge der Diskussion um Digitalisierung/Industrie 4.0 zuversichtlich in die Zukunft blicken. Veranstalter Messe München bedient sich dazu den Auswertungen von Global Industry Analysts. Demnach wird der weltweite Markt für SMT-Ausrüstungen bis zum Jahr 2022 einen Umsatz von 3.9 Mrd. Dollar bei einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate (CAGR) von 6.7 Prozent erreichen. Martketsandmarkets Research sind da mit 5.42 Mrd. Dollar ebenfalls bis 2022 und Stratistics MRC mit 6.21 Mrd. Dollar bis zum Jahr 2023 noch optimistischer. Die Analysten sehen in miniaturisierter Consumer-Elektronik weiterhin den Hauptwachstumstreiber. An zweiter Stelle folgt der Sektor Automotive, da SMT-Boards das Anforderungsprofil „Null Fehler“ für kritische Systeme und Stabilität über einen längeren Zeitraum am besten erfüllen. Einen zunehmenden Beitrag liefert dabei die Elektromobilität, die zusätzlich Gewicht und Bauraum aller elektronischen Komponenten reduzieren muss.

 

Aber auch andere Bereiche wie etwa LED-Beleuchtung und flexible Schaltungsträger sorgen künftig für Zuwächse. So zeigt etwa das Fraunhofer IPT (Halle B2, Stand 317) ein kombiniertes Verfahren aus Rolle-zu-Rolle-Druck und automatisierter Bestückung der Folien mit SMT-Bauteilen. Diese kostengünstige Herstellung großer Stückzahlen an flexiblen elektronischen Komponenten eröffnet ein breites Spektrum an Anwendungen und Produkten. Und die wechseln im gesamten Elektronikbereich in immer kürzeren Abständen, was die Hersteller zu fortlaufenden Anpassungen zwingt. Längst hat deswegen „Industrie 4.0“ auch die SMT-Branche erfasst. Voraussetzung ist die Vernetzung der gesamten Fertigung, etwa durch eine herstellerunabhängige Schnittstelle für die Kommunikation zwischen allen Maschinen einer Linie – zu sehen beim letztmaligen Innovation-Award-Gewinner Rehm Thermal Systems (Halle A4, Stand 335) wie auch bei Viscom (Halle A2, Stand 177) oder Asys (Halle A3, Stand 277). Mit dem neuen, offenen „Hermes Standard“ lassen sich Leiterplatten lückenlos rückverfolgen und durch alle Stationen der Produktion protokollieren. Das Tool soll den bisherigen SMEMA-Standard ablösen.

Smarte Show im SMT Cluster

Die SMT treibt maßgeblich den Megatrend Mobilität voran: Denn erst sie ermöglicht die Herstellung von Geräten wie Smartphones, Tablets und Co. durch eine drastische Senkung von Baugröße, Gewicht und Herstellungskosten. Auf der productronica 2017 geben sich die Keyplayer der SMT-Branche in den Hallen A1 bis A4 ein Stelldichein. Foren, Vorträge und Podiumsdiskussionen in der SMT Speakers Corner runden den SMT-Ausstellungsbereich genauso ab, wie die Sonderschau „Smart Data – Future Manufacturing“.

Auch der Messeauftritt von ASM Assembly Systems (Halle A3, Stand 377) steht ganz im Zeichen der Smart Factory. Der SMT-Equipmentlieferant präsentiert verschiedene SMT-Linien mit Siplace-Maschinen. Darunter eine, die das rapide wachsende Marktsegment „Advanced Packaging“ mit einer gemischten Bestückung aus Wafer und klassischen SMT-Bauteilen bedient. Besucher können bei ASM außerdem per „Quick Factory Check“ den Stand der Prozessintegration in ihrer eigenen Fertigung herausfinden und Optimierungspotenziale identifizieren. In derselben Halle stellt mit Heller Industries (Halle A2, Stand 461) ein frischgebackener Preisträger eine SMT-Reflow-Lötanlage mit Industrie-4.0-Support und Predictive Analytics vor. Die Innovation brachte dem amerikanischen Unternehmen erst kürzlich den „Global Frost & Sullivan Company of the Year Award 2017“ ein.

 

Vision Nullfehler und Kollege Roboter

Solche neuen Fertigungskonzepte liefern unweigerlich große Datenmengen, die üblicherweise in einem MES zusammenlaufen. Dort bilden sie – intelligent verknüpft – die Grundlage für gesicherte Entscheidungsfindungen und Prozessoptimierungen. Itac (Halle A3, Stand 140) hat sein MES nun um eine Smart-Data-Analytics-Plattform erweitert, die einen Predictive Maintenance Service und eine automatische Fehlerursachenanalyse in der SMT-Fertigung enthält. Die Daten dafür liefern unter anderem automatische Inspektionssysteme nach jedem Prozessschritt. Sie spielen eine überlebenswichtige Rolle in der SMT-Industrie und gehören deshalb auch zu den am stärksten wachsenden Ausrüstungsbereichen. Denn Fehler müssen vor jedem nächsten Arbeitsschritt in der Fertigung abgefangen und wenn möglich repariert werden. Wie SMT-Inspektion steigende Produktwechsel und Produktionsvolumen, Miniaturisierung sowie „Industrie 4.0“ meistert, zeigen die inline-fähigen 3D-AOI und 3D-AXI von Viscom (Halle A2, Stand 177). Allgemein geht der Trend allerdings weg von der reinen Fehlererkennung hin zur Fehlervermeidung.

Und das ist eine der Haupteigenschaften von Robotern. Sie sorgen zunehmend auch in SMT-Linien für steigende Produktivität bei hoher Qualität. Dabei erweist sich die Mensch-Maschine-Kollaboration als besonders wirtschaftlich, wo kleine Losgrößen in vielen Varianten auf dem Programm stehen. So kam etwa der Leichtbauroboter (LBR) iiwa (intelligent industrial work assistent) von Kuka (Halle A2, Stand 540) bereits als stationärer Roboter im Vorrüstbereich und auf einer fahrbaren Plattform als KMR Iiwa während der laufenden Fertigung mit einem Siplace-Bestückautomaten von ASM Assembly Systems zum Einsatz.

Marisa Robles

Chefredakteurin Productronic

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