40 Jahre Messegeschichte bieten Gelegenheit, auf die Meilensteine der vergangenen Jahre zurückzublicken und den Blick nach vorne zu richten – auf Innovationen der diesjährigen productronica, die von 10. bis 13. November in München stattfindet. Ohne frühere Entwicklungen ist die Zukunft nicht denkbar: Wir nutzen heute wie selbstverständlich Tablets und Smartphones, die uns im Jahr 2000 noch als Science-Fiction erschienen. Bereits heute werden sie auch im Produktionsumfeld eingesetzt. Die rasante Elektronikentwicklung ist Treiber nicht nur für den Elektronik- Maschinenbau sondern für die ganze Produktionsbranche. So wurden beispielsweise auf der productronica 2001 und 2009 die Grundlagen für das Thema gelegt, das die gesamte Industrie und Wirtschaft revolutionieren wird und welches auch in diesem Jahr eine große Rolle spielt: Industrie 4.0.

Von Anfang an ein voller Erfolg

Ausgehend von einem enormen Innovationsschub der Elektronikindustrie in den 1960er Jahren, fiel im November 1974 die Entscheidung, einen Gegenpart zur bestehenden electronica, der Weltleitmesse für Komponenten, Systeme und Anwendungen der Elektronik zu schaffen. Es wurde eine völlig praxisbezogene Veranstaltung gemeinsam mit der Industrie gegründet: die productronica. „Mit der Productronica 75 wurde ein Versuch gestartet, eine Messekonzeption einzuführen, die von den auf Messen üblichen Standsystemen insofern abweicht, als hier mit sogenannten Demonstrationszonen versucht wurde, die Weiterentwicklung in den verschiedenen Bereichen der Fertigungsindustrie deutlich zu machen“, erläutert der damalige Geschäftsführer der MMG Gerd vom Hövel im Messebericht zur Productronica. Bereits die erste Veranstaltung war ein voller Erfolg: Insgesamt stellten 94 Firmen aus zwölf Staaten ihre Produkte den 3915 Besuchern aus 33 Ländern vor. Die Ausstellungsfläche betrug damals 10.500 m² und wurde in fünf farblich abgegrenzte Zonen gegliedert. Das Besondere dabei: Erstmals konnten Besucher in sogenannten Demonstrationszonen die Maschinen vor Ort betrachten, ohne einen zweiten Termin in der Fertigungsstätte wahrnehmen zu müssen. „Aus dieser Forderung heraus, haben wir den ‚Infomarkt‘ geschaffen, der nun praktisch auf dem ‚Marktplatz‘ in der Mitte die Maschinen in Funktion zeigt, und zwar Maschinen aus dem Bereich der Hybridtechnik oder Leiterplattentechnik.“ So standen auf der Premierenveranstaltung drei Bohrmaschinen von Konkurrenten in der Demonstrationszone nebeneinander. Dadurch bot sich dem Besucher „unmittelbar und ohne werbliche Beeinflussung“ die Möglichkeit zum Vergleich. Im Anschluss daran, konnte er sodann in den am Rand des ‚Marktplatzes‘ befindlichen Besprechungskojen besondere Probleme mit dem jeweiligen Lieferanten besprechen.

In den 70er Jahren musste sich die Branche neu orientieren. Das bezog sich vor allem auf die Verfahren in der Fertigung: Gesucht wurden unter anderem Einsparungsmöglichkeiten. Die sah man im Jahr 1975 in der Steuerungstechnik, woraufhin die „computergesteuerte Fertigung“ damals schon immer mehr in den Vordergrund rückte. Hard- und Software waren aber noch nicht so weit entwickelt wie heute, weshalb sich Ideen zur autarken Steuerung erst zur Jahrtausendwende umsetzen ließen – Grundlagen für das, was wir heute Industrie 4.0 nennen. Die Prozessoptimierung und die Fertigungssteuerung gewannen vor allem in der Halbleiterproduktion in Deutschland zunehmend an Bedeutung – sie blieb fortan die Elektroniksparte, die Vorreiter für die Automatisierung war. Die productronica trug der Entwicklung Rechnung durch die gezielte Einbeziehung der Halbleitertechnik.

Willkommen zur productronica 1975!

Im Tagungsbänchen der ersten productronica wurde auf interessante Weise auf das neuartige Messekonzept hingewiesen, der im Grußwort vom Fachbeirat der productronica und dem damaligen Geschäftsführer der MMG Gerd vom Hövel verewigt wurde:

Entwurf und Herstellung elektronischer Produkte sind Gegenstand dieser Veranstaltung, die wir deswegen „ein geschlossenes Informationssystem für die Elektronikfertigung“ nennen, weil hierbei das gegenseitige Mitteilungsbedürfnis der Fachleute eines eng umrissenen Fachgebietes im Vordergrund der Bemühungen steht.

Während im Demonstrationsteil der productronica die lebendige Darstellung der Verkettung verschiedener Fertigungsmittel für vorgegebene Produktionsaufgaben versucht wird, tragen die internationalen Tagungen und die spezialisierten Lehrgänge des Tagungsteils mit den Besichtigungen ihrerseits dazu bei, die Aussprache der Fachleute untereinander anzuregen.

Zur Realisierung der Live-Darstellung funktionaler Fertigungsabläufe hat die Messegesellschaft in vertrauensvoller Zusammenarbeit mit dem Fachbeirat der productronica neue Wege beschritten. Wir hoffen, dass sich dieses Bemühen um fachlich vertiefte Informationen zum Nutzen unserer Besucher auswirkt.

In den 80er Jahren weiter auf Erfolgskurs

Das Konzept ging auf: Bereits mit der vierten Veranstaltung im Jahr 1981 hatte sich die productronica als Weltleitmesse etabliert – mit insgesamt 667 Ausstellern aus 21 Ländern. 1985 stand ganz im Zeichen der „Surface Mount Technology – SMT“, die Bauelemente ohne Kontaktdrähte einsetzt und stattdessen Lotpastendrucker verwendet. Die SMT-Verfahren erfuhren eine erhebliche Wachstumsrate, getrieben von der ständig fortschreitenden Miniaturisierung. Durch die beidseitige Bestückung der Leiterplatte ließen sich bis zu 50 Prozent Platz einsparen. Parallel dazu mussten die Stellschrauben hinsichtlich der Auswahl und Auftragsmethode der Lotpaste, die Einflussfaktoren der Siebverfahren und die Merkmale der Siebdruckmaschinen neu justiert werden. Dieses Trend-Thema stellte die Messe mit einer SMT-Sonderschau auf der productronica 1985 in den Fokus.

Maschinenbauer hatten auch erkannt, dass sie kooperieren müssen: Egal wie gut eine Maschine ist, wenn sie nicht auf andere Maschinen abgestimmt ist, bleibt der Erfolg aus. Der Fokus der productronica bestand bereits 1987 darin, komplette Fertigungslinien vorzustellen – egal in welcher Technik gearbeitet wird.

1990er Jahre: „Go East, Maschinenbau“

Nachdem Elektronikhersteller in den 1980er Jahren in Europa ihre Kapazitäten deutlich ausbauen und erweitern konnten, wuchsen in Asien starke Konkurrenten in der Elektronikfertigung heran, auf die sich Maschinen- und Anlagenbauer und mit ihnen die gesamte Zulieferindustrie einstellen mussten. Vorteil: Riesige neue Wachstumsmärkte, von denen die Branche heute noch profitiert. Ein Nachteil war allerdings, dass die Forschungs- und Entwicklungszusammenarbeit schwieriger wurde und langsam Konkurrenz auch für die Produktionstechnik in Asien aufkam.

Belohntes Risiko

Auf die Frage, ob er denn zufrieden sei mit der ersten Productronica, antwortete der damalige Geschäftsführer der MMG Gerd vom Hövel in einem Satz: „Die 150 Firmen aus 12 Staaten, die in den Demonstrationszonen der Productronica ihre Produkte in Funktion und Aktion zeigten, die etwa 5000 Besucher aus 28 Ländern, die über 800 Seminarteilnehmer, die zum Teil zweieinhalb Tage an den verschiedenen Seminaren teilnahmen, erklärten zu 90 bis 95 Prozent, dass sie mit der Productronica erstens von der thematischen Abgrenzung her und zweitens mit der Art der Informationspräsentation zufrieden, das heißt, mit der neuen Messekonzeption einverstanden sind. Wir haben mit der Kombination von Demonstrationszonen und Besprechungskojen einen völlig neuen Weg beschritten, und last not least ist es mit der Productronica nach unserer Meinung gelungen, im Rahmen der Münchener Messepolitik das Schwerpunktprogramm Elektronikmesse neu zu orientieren und der Öffentlichkeit vorzustellen.“ Die Tageszeitung Münchener Merkur sprach angesichts des Erfolgs bei einer außerordentlich kurzen Vorbereitungszeit von acht, neun Monaten, von einem „belohntem Risiko“.

Parallel dazu gab es große Sprünge in der Halbleiterproduktion: Sie machte sich auf den Weg, Strukturen unterhalb einem Mikrometer zu realisieren – heute Standard, doch damals eine große Herausforderung. Das ging nur im globalen Verbund der Kräfte. Um im globalen Wettbewerb mithalten zu können, wurde das fast schon legendäre EU-Verbundprojekt „Joint European Submicron Silicon (JESSI)“ aus der Taufe gehoben, an dem sich von 1991 bis Ende 1997 verschiedene Forschungseinrichtungen und Unternehmen aus Frankreich, Großbritannien, Italien, den Niederlanden und Deutschland beteiligten. Ziel war die Herstellung eines Chips mit 64 MBit – dieses Thema begleitete die productronica die gesamten 1990er Jahre.

Im Jahr 1997 beherrschten darüber hinaus die Themen Bestückungskonzepte, bleifreie Lotlegierungen und Chip-Scale-Packages die productronica. Zudem folgten leistungsfähigere Technologie-Generationen in immer kleineren Abständen und führten zu immer kürzeren Produktzyklen bei den Endgeräten. Getrieben von den enormen Fortschritten in der Halbleitertechnik wurde außerdem das Packaging zum bestimmenden Faktor für die Elektronikfertigung: Ein Gebiet, auf dem die europäische Forschung und Produktionstechnik heute noch eine Spitzenposition belegt.

Turbulenter Start ins neue Jahrtausend

Anfang des neuen Jahrtausends gab es neue Herausforderungen, um das von der Europäischen Union für das Jahr 2006 angekündigte Verbot bleihaltiger Lote in der Fertigung. „Bleifrei“ blieb bis dahin ein großes Thema und bescherte vor allem den Lötmaschinenherstellern einen signifikanten Umsatzzuwachs in dieser Zeit. Parallel dazu schritt die Miniaturisierung nicht nur auf Chip-Ebene, sondern auch bei der gesamten Baugruppe und in der Systemintegration immer weiter voran. Mikrosystemtechnik und „More than Moore“ sind heute noch Stärken der europäischen Elektronikbranche und ermöglichten neue Ideen: „eGrains“ waren geboren – Chips, ausgerüstet mit Sensoren und Funk, die zuerst in Applikationen wie Logistik, Spielen oder sogar Golfbällen auftauchten. Sie ließen sich auch in der Produktion einsetzen. Das Thema wurde bereits mit der Sonderschau „Match-X“ auf der productronica 2001 und später immer wieder aufgegriffen und weiterentwickelt. Das Ergebnis waren kleine, autark vernetzte Mikrosensoren, die heute unter dem Namen „Cyber Physical Systems“ (CPS) bekannt sind. Damit war die Basis für die heutige Industrie 4.0 geschaffen.

Zudem wurde mit Flüssigkristallen zunehmend Realität, was vor der Jahrtausendwende noch exotisch war: Flachdisplays ermöglichten Laptops und fanden nach und nach auch Anwendung bei Computern und TV-Geräten. Die Messe München nahm diese Entwicklungen zum Anlass, gemeinsam mit dem VDMA gleich zwei Sonderschauen in den Jahren 2001 und 2003 zu diesem Thema durchzuführen, wobei Exponate zu Flachdisplay-Materialien und -Komponenten sowie Exponate zu Flachdisplay-Maschinen und -Produkten präsentiert wurden. Im Jahr 2005 gab es eine Sonderschau mit zum neuen Hypethema „Gedruckte Elektronik“. Dünn, leicht, flexibel, so kam die neue Technologie daher: Mit „Leiterplatte2.0″ wurden gedruckte Chips im Rolle-zu-Rolle-Verfahren auf Kunststofffolie, organische Leuchtdioden und Photovoltaik vorgestellt – Basis spannende Ideen und neue Märkte.

Industrie 4.0 und die Jahre danach

Nachdem Anfang der 2000er Jahre die Basis für Industrie 4.0 gelegt wurde, war die eigentliche Geburtsstunde im Jahr 2009 auf der productronica – mit dem Vorläufer-Verbundprojekt „selbstorganisierende Produktion“ (SOPRO). Der Begriff bezog sich auf die Idealvorstellung der angepassten Automatisierung in der Fabrik. Maschine-zu-Werkstück-Kommunikation mit Cyber-Physical Systems war der Hardware-Kern, sie wurde auf der productronica mit „umlaufenden“ Laptops vorgeführt. Angepasste Software musste her, sogar soziale Aspekte, wie die Einbindung der Mitarbeiter wurden damals schon ausgelotet. Auch wenn das Thema damals kritisch mit „als zu akademisch, zu zukunftsfern“ kommentiert wurde, sahen die Visionäre bereits die Möglichkeiten der Intralogistik und der digitalen Fabrik.

Die erste productronica legte den Grunstock hierfür: “Electronics.Production.Augmented.“ – unter dieses Motto stellt die productronica ihre Sonderschau auf der Messe und damit auch das Trendthema Industrie 4.0 unter einem neuen Aspekt.

Die erste productronica legte den Grunstock hierfür: “Electronics.Production.Augmented.“ – unter dieses Motto stellt die productronica ihre Sonderschau auf der Messe und damit auch das Trendthema Industrie 4.0 unter einem neuen Aspekt.Re'Flekt

Ein Schwerpunkt der productronica im Jahr 2011 lag auf der Sonderschau zum Thema „Batteriefertigung und Leistungselektronik“. Durch den Hype um die Elektromobilität, eröffnete sich wiederum neues Geschäftspotenzial im Elektronik-Maschinenbau für Produktionsanlagen für Batterien. Die Besucher hatten die Möglichkeit in einer „virtuellen Fabrik“ eine Batterieproduktion interaktiv zusammenzustellen und sogar Kostenszenarien zu entwerfen. Zwei Jahre später wurde die Anwendung „Automobil“ erneut zum Thema, aber wie stets bei der productronica mit dem „innovativen Touch“. Anhand eines Baggers zeigte die productronica das Thema „Automotive Electronics Extrem“ und präsentierte Sensoren, Leistungselektronik, Interieur, Steckverbinder und alle Produktionstechnologien, die Elektronik zuverlässig auch in extremsten Umgebungsbedingungen ermöglichen – eine Stärke der europäischen Branche.

Die productronica 2015

Die productronica setzt auch dieses Jahr wieder neue Impulse. Ein Highlight ist wieder die Sonderschau. Hier können Besucher an fünf ausgewählten Elektronikfertigungsmaschinen mit Hilfe von Augmented und Virtual Reality „Industrie 4.0 live erleben“. Erstmals kann man einen Blick in die Maschinen werfen und die bis dato nicht sichtbaren und komplexen Abläufe zwischen Maschinen und Werkstücken verfolgen. Tablets und Smartphones sind die perfekte Mensch-Maschine-Schnittstelle – Augmented Reality eröffnet den Elektronik-Maschinenbauern riesige Chancen wettbewerbsfähig zu bleiben – und erstmals auf der productronica in Aktion zu sehen. Weitere Innovationen sind die neue Clusterstruktur und die erstmalige Verleihung des productronica innovation award unter allen teilnehmenden Ausstellern – der erste unabhängige Preis der Elektronikfertigungs-Branche. Darüber hinaus können sich Besucher und Aussteller auch im Jubiläumsjahr auf der Messe mit den neuesten Innovationen der Elektronikfertigung vertraut machen und sich einen Einblick in die gesamte Branche verschaffen.

Marisa Robles Consée

Chefredakteurin Productronic

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