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Niko Glaub, Geschäftsführer von Glaub Solutions: „Mit der aktuellen App ECO/App AxisControl lassen sich die 3 Achsen plus Greifer ansteuern. Die nächste Ausbaustufe kann wesentlich mehr.“ alle Bilder Glaub Automation

Alles begann mit der Vision, die Maschinenbedienung so einfach, intuitiv und optisch ansprechend zu gestalten, wie man es von Smartphone und Tablet-PC her kennt. Zum einen hätten Bediener durch die von Smartphone und Tablet bekannten Bedien- und Steuerkonzepte weniger Berührungsängste mit komplexen Maschinen. Zum anderen würden übersichtlichere Bedienoberflächen und einfacher zu bedienende Maschinen die Mitarbeiter motivieren. Ebenso würden Apps den Aufwand für Inbetriebnahme- und Schulungs- sowie Service verringern. Hierbei standen anfangs iPhone und iPad von Apple Pate. Den damaligen Marktführer als HMI zu verwenden war gesetzt: Apples iPad.

Die Entwicklung des Bedienkonzepts kam aufgrund verschiedener Faktoren immer wieder ins Stocken. Ein limitierender Faktor war die Auslastung der für diese Entwicklung qualifizierten Mitarbeiter durch Kundenprojekte. Andererseits verliefen die ersten Versuche, eine App via OPC-Server mit einer SPS zu verknüpfen, hinsichtlich Performance und Flexibilität nicht zufriedenstellend.

In dieser Phase, im ersten Quartal 2012, kamen Entwickler und Projektleiter bei einem turnusmäßigen Treffen mit Vertretern von Bosch Rexroth – Glaub ist Systemintegrator für Steuerungen und Antriebe des Anbieters – auch auf das Thema Apps und Steuerungen zu sprechen. Rexroth entwickelte zu dieser Zeit bereits eine offene Schnittstelle, über die mittels Funktionsblöcke und Hochsprache direkt auf den Steuerungskern zugegriffen werden konnte – das Open Core Interface. Glaub konnte mit einer Vorab-Version bereits im Sommer 2012 erste Erfahrungen sammeln. Diese Schnittstelle ließ die Vision eines iPad-basierten HMI Realität werden – ohne zusätzliche Software-Lizenzen oder Hardware. Bei der OPC-Variante wäre immer ein IPC als Server mit OPC- und weiteren Gateway-Installationen notwendig gewesen.

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Automatik - Mit der ECO/App SmartControl lassen sich im Automatikbetrieb weitere Achsbewegungen einfügen.

Eine bis dato für interne Schulungen verwendete Demoanlage wurde steuerungsseitig auf die Anforderungen des Open Core Interface umgerüstet, konkret wurde die Rexroth-Steuerung L40 durch eine Indra Logic L45 mit Open Core Interface ersetzt. An diesem 3-Achs-Handling-System implementierten die Glaub-Entwickler sämtliche denkbaren Teach-, Bedien- und Diagnosefunktionen. Hierbei konnte zum Teil auf die von Rexroth bereitgestellten Standard-Funktionsbibliotheken zurückgegriffen werden. Zusätzliche Funktionen wurden mittels Objective-C (iOS) und Java für die Android-Variante umgesetzt. Beispielsweise wurde der denkbar einfachste Teach-in-Prozess für alle drei Achsen inklusive Greifer in der App realisiert – die Ansteuerung der Achsen über die Neigungssensoren des Tablet-PC. Durch die Programmierung der Funktionen in der Mobile-App brauchen auch nur die anzufahrenden Positionen zyklisch vom Tablet an die Steuerung übermittelt zu werden. Dort werden die Fahrbefehle dann nur noch abgearbeitet.

Das iPad kommuniziert via Wlan mit der Anlage, was die meisten Bedenken bei potentiellen Kunden verursachte. Bei fast jeder Präsentation wurden dazu identische Fragen gestellt: Wie sieht das sicherheitstechnische Konzept aus? Was passiert, wenn die Wlan-Verbindung abbricht?

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Eine mit der App ECO/Soft Web HMI erstellte Demo-Seite

Watchdog überwacht die Kommunikation

Die Antwort: Ein Watchdog schlägt bei einem Verbindungsabbruch Alarm. Dieses Standard-Tool des Open Core Engineering überwacht die Verbindung zyklisch – vergleichbar mit dem Ping, wie er bei der Überwachung von Profibus-Verbindungen üblich ist. Bricht die Wlan-Verbindung ab, erkennt das der Watch-Dog in der SPS und reagiert mit einer zuvor definierten Aktion, zum Beispiel mit der Ausgabe einer Fehlermeldung und der Stillsetzung der Anlage.

Mit den Bibliotheken des Open Core Engineering lässt sich über Hochsprachen (C++, Objective-C oder Java) nicht nur der Zugriff auf die SPS-Variablen realisieren, auch das Bewegen der Achsen oder das Lesen und Beschreiben von Achsparametern sowie das Auslesen der Diagnosespeicher von Steuerung und Achsen ist damit möglich. Somit ist alles vorhanden, um komplette Bewegungszyklen der Anlage zu teachen.

Die Implementierung dieser Funktionen war dabei erstaunlich einfach: Nach der Konfiguration der SPS mit dem Tool Indra-Works mussten lediglich die von Bosch Rexroth bereit gestellten Header und Bibliotheksdateien in das Projekt integriert werden. Der Aufwand: wenige Stunden. Danach konnten die Entwickler mit der softwareseitigen Umsetzung der Funktionen in Objective-C beziehungsweise Java beginnen.

Der Vorteil ist, dass sich die komplexe Logik der Bedienung und Steuerung von der SPS in die App auslagern lässt. Manche Funktionen sind eben sehr viel leichter in Hochsprachen zu programmieren als in KOP, FUB oder ST (nach IEC 61131) auf der SPS. Zudem ergeben sich daraus weitere Möglichkeiten im Bereich der Bedienkonzepte. So lassen sich etwa Funktionen mit Touch, Multitouch und Gestenerkennung ausführen.

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Im Endausbau unterstützt die Handlings-App auch Antriebe von Drittanbietern und die Kinematiken mehrerer Roboter.

App nutzt Gyro-Sensorik fürs Einrichten

Wichtige Funktionen der auf ‚ECO/App AxisControl‘ getauften Bedien- und Diagnose-App sind die Bewegung aller drei Achsen über die Bewegungs-/Lagesensoren des Tablets – wobei sich die Achsgeschwindigkeit proportional zur jeweiligen Neigung der Tablet-Achse verhält – sowie die Diagnose- und Parametrierfunktionen. Die verschiedenen Achsparameter können nicht nur aus den Achsverstärkern ausgelesen, sondern via App auch überschrieben werden. Die App unterstützt als kostenlose Demo für iOS und Android alle Funktionen, ist allerdings nur in der speziellen Hardware-Konstellation – das 3-Achsystem mit der Rexroth Steuerung – wirklich einsetzbar. Damit die App in anderen Konfigurationen funktioniert, sind Anpassungen notwendig. Unabdingbar ist die Verfügbarkeit der Open Core-Technologie, also eine Rexroth-Steuerung.

Nächste Ausbaustufe unterstützt Drittanbieter

Die Weiterentwicklung der App ist bereits in Arbeit. Im ersten Schritt erkennt die ‚ECO/App SmartControl‘-Version automatisch die Anzahl und Adressen der vorhandenen Servo-Achsen von Bosch Rexroth. Im zweiten Schritt (bis Ende November) werden auch Fremdfabrikate erkannt. Im Endausbau (Mitte 2015) lassen sich auch Roboter-Achsen und -gelenke ansteuern. Ziel ist eine universelle Handling-App für die Inbetriebnahme-, den Teach-in und den Service von Handling-Einheiten jeglicher Art.

App im Detail

Eco App Smart Control

  • Automatische Erkennung aller Achsen und Adressen
  • manuelle Konfigurierbarkeit der Achsanzahl
  • Jogbetrieb und Absolutfahrt für alle Achsen, auch einzeln
  • Diagnosefunktion für Steuerung und Achsverstärker
  • Auslesen des Logbuchs und der Hardwareinformationen
  • Grundstellungsfahrt
  • Erstellen, Speichern und Laden eigener Programme mit Funktionen zur Bewegung von Achsen und Robotern, Wartezeiten, I/O-Austausch
  • Variieren der Geschwindigkeit während des Programmablaufs

Open Core Engineering und dessen Funktionsbibliotheken finden nicht nur in den beiden Apps Verwendung. In Kooperation mit Bosch Rexroth wurde für einen Anbieter von Rollen- und Achsprüfständen für Kraftfahrzeuge eine Windows-Applikation in C++ entwickelt. Die Software stellt diverse Prüfprogramme bereit. Darüber hinaus hat der Techniker die Möglichkeit, komplexe Bewegungsprofile selbst zu erstellen und diese dann auf einzelne Achsen und auch auf einzelne Räder zu übertragen. Während des Prüfablaufs lassen sich Drehmoment, Drehzahl, Leistung und Geschwindigkeit für bis zu drei Achsen mit je zwei Rädern variieren und visualisieren. Konkret können bis zu sechs Servo-Achsen separat angesteuert werden. Dabei erfolgt die Kommunikation mit der SPS ausschließlich über das Open Core Interface. Neben dem Zugriff auf den Steuerungskern stellt das Open Core Engineering eine umfangreiche Bibliothek mit Standardfunktionen bereit, die helfen, den Engineering-Prozess in wiederverwendbare Module aufzubrechen und arbeitsteilig auf verschiedenen Teams aufzuteilen.

Im Gegensatz zu browsergestützten Lösungen, die auf OPC-Server oder ähnliches angewiesen sind, kann der Datenfluss konsistent zwischen den IT-Systemen, der Fertigungs-Welt und der Büroumgebung realisiert werden.

Tablet als HMI: Noch dominieren Browser

Solange es nicht mehr Nachahmer des Open Core Interface gibt, haben browsergestützte Lösungen ihre Daseinsberechtigung. Deswegen hat Glaub eine webbasierte Lösung im App-Design entwickelt. Das ECO/Soft Web HMI vereint als HMI-Scada die Projektierung der Visualisierung und dessen Design in einem Tool. Damit lassen sich für fast alle gängigen Browser – FireFox und Baidu empfiehlt Glaub nicht – HMI-Oberflächen erstellen und bei Bedarf online während des Anlagenbetriebs sofort live testen. Diese konfigurierbare App ist endgeräteunabhängig und lässt sich derzeit via OPC-Server an jeder SPS betreiben. Schnittstellen in Form von Steuerkarten für gängige SPS-Systeme von Siemens (S7-300) und Vipa (Speed 7) sind in Vorbereitung. Deren Vorteil: Zusätzliche Industrie-PCs mit OPC-Server entfallen.

App im Detail

Eco Soft Web-HMI

  • webbasierte Visualisierung
  • Datenaustausch mit der Steuerung via OPC auf IPC/PC
  • HW-Interface für Siemens/VIPA Steuerungen (in Vorbereitung) als IPC/OPC-Ersatz
  • frei konfigurierbar und skalierbar
  • Design und Visualisierung in einem Tool
  • Logbuch speichert alle Änderungen an den erstellten Ansichten der Visualisierung
  • Benutzerverwaltung (Hinzufügen, Ändern,
    Löschen von Benutzern und deren Rechten
  • Upload von Bilddateien in Mediathek

Die im Wesentlichen per drag and drop zu erstellenden HMI-Seiten der App erfordern weder Programmierkenntnisse auf der Steuerungsseite noch Schulungen für die Visualisierung. Trotzdem stehen umfangreiche Gestaltungsmöglichkeiten durch verschiedene Parametrierungen und Konfigurationen zur Verfügung. Das System bietet neben dem Upload beliebiger grafischer Dateien und der steuerungsseitigen Symboldatei die typischen Diagnosefunktionen einer Maschinenvisualisierung: Alarme und Events, Statistiken sowie Trendanzeigen.

Hannover Messe 2014
Halle 9, Stand F80

Niko Glaub

ist Geschäftsführer der Firma Glaub Solution in Salzgitter.

(sk)

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