Bei ANC-Kopfhörern unterscheidet man zwischen drei verschiedenen Strukturen. Der am weitesten verbreitete Aufbau ist die Feed Forward-Topologie (Bild 1), in der ein Außenmikrofon die Umgebungsgeräusche aufnimmt und die ANC-Schaltung ein Gegengeräusch erzeugt, das die Lautsprecher (zusammen mit dem Audiosignal des Nutzers) wiedergeben. Dieser Kopfhörertypus besteht grundsätzlich aus vier Bestandteilen: den Lautsprechern, der Batterie, dem ANC-Baustein und den ANC-Mikrofonen für den linken und rechten Kanal (die Batterie dient zur Stromversorgung der ANC-Schaltung).

Manuelles Trimmen ade

Ein automatisiertes Kalibrierungssystem, wie das durch AS3410/30 ermöglichte, bietet mehrere Vorteile: es eliminiert menschlichen Irrtum, erhöht die Produktionsausbeute und erzielt zuverlässigere Ergebnisse. Dies schafft die Perspektive einer wesentlich kostengünstigeren Fertigung von ANC-Kopfhörern, die damit in Reichweite des Massenmarktes gelangen, anstatt wie bislang, Highend-Geräte für besonders kaufkräftige Verbraucher zu bleiben.

Die gleichen Bestandteile finden sich auch in der Feedback-Topologie, der einzige Unterschied ist die Position der Mikrofone, die sich hier innerhalb der Ohrmuschel befinden. Damit wird der Kopfhörer weniger windanfällig, zugleich kann der Feedback-Ansatz Geräuscheinstreuungen kompensieren, die aufgrund eines nicht vollständig abdichtenden Sitzes des Kopfhörers auftreten. (Ein hybrider Ansatz, der das Feed Forward- und das Feedback-Verfahren kombiniert, ist selten anzutreffen, da er vier Mikrofone benötigt und somit kostspieliger und noch komplizierter ist.)

Der Ausgleich von Bauteiltoleranzen

Eine wirkungsvolle ANC-Schaltung – also eine Lösung, die zuverlässig einen Großteil der Umgebungsgeräusche ausfiltert – ist das Ergebnis einer erfolgreichen Interaktion jedes Elements des Kopfhörers, einschließlich der Filter, Verstärker und des akustischen Designs. Die ANC-Filter, welche die Signalverstärkung und Phasenkorrektur in der ANC-Schaltung vornehmen, sind besonders toleranzbehaftet. Diese Filterschaltungen sind üblicherweise RC-Filternetzwerke mit verschiedenen Filterarten wie Tiefpassfiltern erster und zweiter Ordnung und diversen Sperrfiltern. Ein Beispiel einer typischen Schaltungssimulation für ein ANC-Filter zeigt Bild 2.

Sie ist das Ergebnis einer Monte Carlo-Simulation des Amplituden- und Phasengangs, einer Beispielfilterschaltung, in der Toleranzen der Widerstände von 5% und der Kondensatoren von 20% angenommen wurden. Die Analyse zeigt deutlich, dass die Bauteiltoleranzen einen sehr großen Einfluss auf die Verstärkung und das Phasenverhalten eines Filters haben können. Diese Schwankungen können wiederum einen deutlich hörbaren Performanceeinbruch des Kopfhörers zur Folge haben und zudem zusätzliches Rauschen in Feed Forward-Systemen bzw. Oszillationen in Feedback-Systemen erzeugen.

Während die Unterschiede in der Verstärkung durch eine Anpassung der Gesamtverstärkung des Filternetzwerks kompensiert werden können, ist eine Kompensation der verschobenen Grenzfrequenzen der Filternetzwerke nicht möglich. Die einzige Möglichkeit zur Lösung dieses Problems ist der Einsatz von Komponenten mit sehr geringen Toleranzen in der Filterschaltung. Durch den Einsatz solcher qualitativ besonders hochwertiger Komponenten steigen jedoch die Gesamtkosten des Systems deutlich an.

Neben Effekten, die von den elektrischen Bauteilen auf der Leiterplatte verursacht werden, könnten theoretisch auch Toleranzen in der Lautsprechercharakteristik die ANC-Leistung der Kopfhörer beeinträchtigen. In der Realität sind diese Variationen jedoch so gering, dass jegliche Kompensationsmaßnahmen nur minimalen Einfluss auf die Gesamtperformance haben würden und können deshalb vernachlässigt werden. Toleranzen des Mikrofons hingegen haben eine sehr deutliche Auswirkung auf die ANC-Leistung des Kopfhörers. Die Toleranz eines Standard-Elektromikrofons beträgt etwa +/-3 dB. Eine Möglichkeit zur Lösung dieses Problems ist der Verzicht auf Standardmikrofone und der Einsatz von Hochleistungsmikrofonen, welche geringere Variationen aufweisen. Dabei handelt es sich jedoch um eine sehr kostspielige Lösung, da hochgenaue Mikrofone erheblich teurer als Standardbauteile sind. Daher ist die zweite Lösung, nämlich die Kalibrierung des Mikrofons in einer Testanordnung in der Kopfhörerfertigung, deutlich weiter verbreitet ,da diese Lösung das Optimum an ANC Performance aus dem System herausholt.

Manuelle Kalibrierung

Um einen Kopfhörer in der Produktion zu kalibrieren, wird eine komplexe Messanordnung benötigt (Bild 1). Zunächst wird der Kopfhörer auf einen Kunstkopf (oder einen Akustikkuppler im Falle eines Ohrhörers) platziert. Der Kunstkopf befindet sich dabei üblicherweise in einer kleinen Kammer, um ihn gegenüber Umgebungsgeräuschen in der Fertigungsstätte zu isolieren. Zusätzlich verfügt er über eingebaute Mikrofone, die mit einem Audiomessgerät verbunden sind. Ein integrierter Signalgenerator im Audiomessgerät erzeugt nun ein Testsignal um den Kopfhörer in der Kammer zu beschallen. Üblicherweise werden dazu einfache Sinustöne oder Rauschsignale verwendet. Die im Kunstkopf integrierten Mikrofone messen nun den Lautstärkepegel direkt am Ohr, der bereits die passive Dämpfung des Kopfhörers berücksichtigt.

Der Testplatzbediener führt nun zwei Messungen durch, wobei die erste, einfache Messroutine die passive Dämpfung des Kopfhörers feststellt. Nun wird das ANC-System aktiviert und die Messung wiederholt. Das Messsystem kann nun aus beiden Messungen eine Differenz bilden, welche die tatsächliche aktive Performance des Kopfhörers ergibt.

Die Toleranz der in den Kopfhörer integrierten Mikrofone wird sich dabei in einer deutlichen Streuung der gemessenen ANC-Leistung zeigen. Kopfhörerhersteller verlangen jedoch ein gleichmäßiges Niveau der ANC-Performance für jedes produzierte Exemplar, um allen Kunden gleich hohe Produktqualität zu gewährleisten. Dies lässt sich durch eine Kalibrierung der Filterverstärkung der ANC-Schaltung erreichen, die so bestmöglich auf die Charakteristik jedes einzelnen Mikrofons abgestimmt wird. Dazu werden heute normalerweise zwei Potentiometer (ein Potentiometer pro Mikrofon) auf der Leiterplatte manuell eingestellt, d.h. ein Fertigungsmitarbeiter nimmt die Einstellung mit einem Schraubenzieher vor. Zur Optimierung der ANC-Performance wird die zuvor beschriebene Messung in Echtzeit durchgeführt, was es dem Mitarbeiter ermöglicht, die ANC Performance direkt vom Messgerät abzulesen. Diese Methode erlaubt es die bestmögliche Performance durch das Einstellen des Potentiometers heraus zu finden. Dieser Prozess ist nicht nur zeitaufwändig – die Trimmzeit pro Kopfhörer beträgt typischerweise vier Minuten –, sondern auch fehleranfällig, da sich die Fertigungsmitarbeiterin bzw. der Fertigungsmitarbeiter auf die Testresultate konzentrieren muss, während sie/er die Einstellung vornimmt. Zudem kann die Montage des Kopfhörers nicht abgeschlossen werden, solange der Kopfhörer nicht kalibriert wurde. Ist die ANC-Schaltung in der Ohrmuschel integriert (Bild 4), muss der hintere Gehäuseteil des Kopfhörers während der Kalibrierung abgenommen werden. Hierdurch entsteht das Risiko, dass sich das akustische Verhalten des Kopfhörers nach dem Wiederzusammenbau der Ohrmuschel ändert und damit die ANC-Leistung, nach dem Abgleich mit dem Messsystem, nachträglich beeinflusst wird.

Automatisierte Kalibrierung verbessert Produktionsausbeute und Performance

Wie kann dieser manuelle Prozess, der langsam, unzuverlässig und kostspielig ist, automatisiert werden? Die Antwort liegt im Einsatz einer Schaltung mit einer dedizierten digitalen Trimmfunktion, wie sie in einer neuen Generation von ANC-ICs von austriamicrosystems, den Bausteinen AS3410/AS3430, vorhanden ist. In einem automatisierten Kalibriersystem muss die Audio/Kopfhörerbuchse als Trimmeingang verwendet werden (Bild 2), da die 3,5-mm-Audiobuchse neben dem Batterieanschluss den einzigen Zugangspunkt zur internen Hardware darstellt. Bei einer Nutzung des Audioeinganges als Trimmeingang lassen sich über die Audiobuchse digitale Potentiometer in der ANC-Schaltung konfigurieren. Ein automatisiertes System verlangt eine Kommunikationsmöglichkeit zwischen Messsystem und Kopfhörer. Im Falle des AS3410/30 sendet eine intelligente Kommunikationsbox eine spezielle Signalsequenz an den Audioeingang, der dadurch zu einem Trimmeingang wird. Nach einer Erstkonfiguration des Systems durch Produktionsingenieure des Kopfhörerherstellers kann dieser digitale Kalibrierprozess integraler Bestandteil eines automatisierten Testsystems werden. Die Vorteile gegenüber heutigen Methoden der Kopfhörerfertigung liegen hierbei auf der Hand: Der gezeigte Ansatz eliminiert die Notwendigkeit manueller Einstellungen und der Fertigungsmitarbeiter benötigt keine Kalibrierkenntnisse. Kundenerfahrungen zeigen, dass durch Verwendung der digitalen Kalibrierungstechnik die Trimmzeit im Vergleich zu einer manuellen Kalibrierung um mehr als 60% reduziert werden kann. AS3410/30, die einen hochwertigen Audioverstärker mit der ANC-Schaltung in einem IC integrieren, ermöglichen darüber hinaus eine Systemkostenersparnis von 50% gegenüber diskreten ANC-Lösungen. 

Horst Gether

: ist Product Manager, austriamicrosystems AG.

(sb)

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