Die Vorstandsvorsitzenden/CEOs der Zulieferer Bosch, Continental, Delphi und TRW sowie der Europachef von Denso berichteten in ihren Pressekonferenzen – sicherlich ohne jegliche Absprache –einhellig über die drei Themenkreise Senkung der lokalen Emissionen, ADAS zur Erhöhung der Sicherheit und Connectivity. Dabei gingen sie jeweils in unterschiedlicher Tiefe auch auf den Weg zum autonomen Fahren ein. In den Lösungen und angebotenen Systemen gab es jedoch durchaus beachtliche Unterschiede.

Dr. Volkmar Denner, Vorsitzender der Bosch-Geschäftsführung lieferte Hintergrund-Infos über den „Weg zur Elektromobilität“: „Selbst gegenüber dem Stand von 2012 können wir den Verbrauch von Verbrennungsmotoren um 20 Prozent reduzieren. Und wir schöpfen weiteres Sparpotenzial aus. So erweitern wir das Start/Stopp-System zu einem Ausroll- und Segelassistenten, wobei die Navigation wie ein Sensor eine Vorschau auf Kurven oder Ortschilder gibt – ein Systemverbund, der auf Landstraßen im realen Betrieb bis zu 15 Prozent Kraftstoff spart. …  Genau hier schließt sich der Kreis zur Elektromobilität. Denn dank unserer Effizienztechnik können wir die strengen CO2-Vorschriften, wie sie sich für 2020 in der der Europäischen Union abzeichnen, je nach Fahrzeugklasse mit mehr oder weniger Elektrifizierung erreichen. Damit fächert sich auch unser Produktportfolio für den Hybridantrieb auf. Den Übergang in die Hybridwelt ermöglichen wir schon in der automobilen Mittelklasse.“ Boschs großer Wettbewerber hat hierfür den Begriff „Elektrifizierung nach Maß“ (Bild 7) geprägt, aber im Prinzip gehen mittlerweile alle Zulieferer im Bereich Antriebsstrang diesen Weg mit unterschiedlichen Ausprägungen. So nennt Bosch den Mini-Hybrid auf 48-V-Basis „Boost Recuperation System“ (siehe IAA-Vorbericht), während Continental vom „48 V Eco Drive“ spricht.

Bosch habe bereits im Fiat 500e einen reinen Elektroantrieb in Serie gebracht und liefere wesentliche Hybrid-Elemente im neuen Porsche Panamera Plug-in-Hybrid, betont Dr. Denner, um dann folgendes zu ergänzen: „Bis 2014 werden wir rund um die Elektromobilität 30 Serienprojekte realisiert haben. Auch wenn diese Projekte noch nicht auf einen Volumenmarkt treffen, so bahnen sie ihn doch emotional an.

Fahrerassistenzsysteme

„An der Zukunft unserer Sicherheits- und Fahrerassistenzsysteme arbeiten bei Bosch mehr als 5 000 Ingenieure“, hebt Dr. Denner hervor, um dann gleich mehrere Systeme anzukündigen.

Continental liefert bereits Stereo-Kameras für ADAS in Serienfahrzeuge, während Bosch nächstes Jahr mit einer Stereokamera in Serie gehen will. Eine ganz andere Linie verfolgt TRW nach Angaben von John C. Plant, President und CEO von TRW: „Wir haben in punkto Stereo-Kamera keine Strategie. TRW setzt in vollem Umfang auf die Monokamera, weil eine einzelne Kamera preisgünstiger ist. Unsere Software arbeitet auf einer anderen Basis. Statt die Tiefenschärfe oder zwei Bilder zu vergleichen messen wir die Veränderungsrate bei der tatsächlichen Pixelgröße. Wir glauben, dass das Signal einer Monokamera akkurater ist als das einer Stereokamera. … Bis zum Jahr 2020 wird TRW vielleicht der größte Hersteller von Frontkameras sein. … TRW versucht immer, die Technologie für den Massenmarkt verfügbar zu machen – und das können wir bei der Monokamera genauso wie bei unseren Radarsensoren.“

Mit dem auf der IAA gezeigten Sensor AC1000 entwickelt TRW eine neue Radargeneration für Funktionen, die den Fahrer entlasten, Unfälle vermeiden und gleichzeitig den Fahrzeughersteller zu Fünf-Sterne-Bewertungen im verschärften Euro-NCAP-Rating verhelfen. Die Radarfamilie lässt sich in ihrer Funktionalität bis hin zu einer 360-Grad-Umgebungserkennung erweitern. Dafür gibt es spezielle Varianten des 77-GHz-Radars mit größerem Öffnungswinkel, die als Seiten- oder Heckradar nutzbar sind. Außerdem ist der AC1000 so ausgelegt, dass sich der Erfassungsbereich an die Fahrgeschwindigkeit und damit an die Fahrsituation anpasst. Den AC1000 entwickelt TRW in enger Zusammenarbeit mit einem namenhaften europäischen Fahrzeughersteller, wobei die vorausschauende Variante 2015 serienreif sein soll. John Plant ordnet diesen Sensor folgendermaßen ein: „Wir gehen davon aus, dass der AC1000 eine der wichtigsten Basiskomponenten für noch fortschrittlichere Sicherheitsfunktionen wird und den Weg zum teilautomatisierten Fahren ebnet.“

Valet-Parkassistent

Was automatisierte Einparklösungen mittlerweile leisten können, das zeigte Valeo mit seinem Valet-Parksystem auf dem Freigelände der IAA. Mit Hilfe des Valet Park4U genannten Systems kann ein Fahrer sein Fahrzeug bereits am Eingang eines Parkhauses oder einer Tiefgarage verlassen. Das Auto findet von allein einen Parkplatz und parkt ein. Dazu aktiviert der Fahrer über sein Smartphone das automatische Einparksystem.

Der Wagen übernimmt die Steuerung und sucht einen passenden Parkplatz, um dann vollautomatisch einzuparken. Von Seiten des Fahrers ist kein weiteres Zutun nötig. Er wird lediglich informiert, sobald der Vorgang abgeschlossen ist. Auf die gleiche Weise kann der Fahrer sein Smartphone verwenden, um sich am Ausgang des Parkplatzes von seinem Fahrzeug wieder abholen zu lassen.

Die Demonstration von Valet-Park4U auf dem Freigelände der diesjährigen IAA geht weit über das automatische Einparken hinaus. Das System arbeitet völlig selbständig, ohne jeglichen Handlungsbedarf seitens des Fahrers während des gesamten Prozesses, so dass der Fahrer am Eingang eines Parkplatzes aus dem Auto aussteigen kann. Mit der Valet-Parking-Anwendung findet das Auto einen geeigneten Platz und parkt von selbst dort ein. Das Fahrzeug parkt nach einem per Smartphone erteilten Befehl auch wieder aus der Parklücke aus und kehrt an den Ausgang zurück. Die Valet-Park4U-Technologie verwendet zwölf Ultraschallsensoren, vier Kameras sowie einen Laserscanner. Die eingebauten Kameras können Bilder direkt auf den Smartphone-Bildschirm des Fahrers übertragen, so dass dieser den Vorgang auch aus der Ferne jederzeit überwachen kann. Details zu dem Laserscanner, der 2015 auf der Straße fahren soll, lieferten wir bereits in unserem IAA-Vorbericht. Wo und wann dieses System höchstwahrscheinlich zum Einsatz kommt, erfahren Sie im Ludwigsburg-Beitrag ab Seite 58.

Bosch wird 2015 einen erweiterten Parkassistenten mit Fernsteuerung in Serie bringen, um das Auto von außen in enge Garagen zu manövrieren. Die Zukunft gehöre einer 360-Grad-Videosensorik, „damit sich das Fahrzeug seinen Platz in Parkhäusern selber suchen kann“ (Dr. Denner). 2014 bringe Bosch einen Stauassistenten, der mit aktivem Lenkeingriff das Fahrzeug bei zähflüssigem Verkehr in der Spur hält. „In Zukunft wird daraus ein Staupilot, der auch den Spurwechsel automatisiert“, ergänzt Dr. Denner, und bis Ende des Jahrzehnts werde daraus ein Highway-Pilot.

Car-to-Car-Kommunikation

Aus Sicht von Bosch „ist das nur als vernetztes Autofahren vorstellbar“, erläutert Dr. Denner zum Thema Highway-Pilot. „Je ambitionierter die kommenden Sicherheitsfunktionen, desto mehr setzen sie Car-to-Car-Communication voraus. Mindestens die Hälfte der Fahrzeuge im fließenden Verkehr muss sich dafür am Echtzeit-Datenaustausch beteiligen. Dies halten wir nach den skizzierten Markttrends im nächsten Jahrzehnt für realistisch.“

Für TRW hat die Kommunikation C2C (Car-to-Car) nach Angaben von John Plant eine geringere Bedeutung: „Ich bin nicht sicher, ob C2C eine notwendige Funktion für ein autonomes Auto ist.“ Dr. Elmar Degenhard, Vorstandsvorsitzender von Continental, misst hingegen der C2C-Kommunikation eine ähnlich hohe Bedeutung zu wie Bosch. Bosch und Conti bieten bekanntlich seit Jahren Kommunikations-Systeme fürs Auto an.

Das vernetzte Auto

Auf der IAA gaben Continental und IBM eine Kooperationsvereinbarung bekannt, in deren Rahmen die Unternehmen gemeinsam vollständig mobil vernetzte Fahrzeug-Lösungen für Automobilhersteller auf der ganzen Welt entwickeln werden. Die beiden Unternehmen wollen das vorausschauende Fahren noch weiter verbessern und „eine neue Generation der Plattform des elektronischen Horizonts entwickeln, durch die letztendlich das automatisierte Fahren Wirklichkeit werden wird“, erklärt Dr. Degenhard. „Mit integrierten Sensoren ausgestattete Fahrzeuge werden nicht nur Daten empfangen, sie werden ebenso Informationen wie Position, Geschwindigkeit oder Verlangsamung an die Cloud weitergeben, wo die Daten verarbeitet und analysiert und für Folgemaßnahmen berücksichtigt werden. Das Ergebnis wird eine Echtzeit-Straßenkarte sein, die den Fahrzeugen erlauben wird, regelrecht um die Ecke zu schauen.“

Er betont, dass IBM „branchenführend in den Bereichen Big Data und Cloud-Computing“ sei und über das erforderliche Know-how bei der Tiefenanalyse verfüge, um große Datenmengen zu verarbeiten und zu untersuchen sowie anhand der Ergebnisse hochfrequente, schnelle und zielgenaue Vorhersagen zu treffen. „Die Erfahrung von IBM mit cloud-fähigen Plattformen und eingebetteten Systementwicklungskapazitäten sowie unsere Systemkompetenz in der Automobil-Elektronik ergänzen einander ideal und schaffen die Grundlage für eine neue Generation intelligent vernetzter Fahrzeuge.“

Im Zentrum der Vereinbarung steht die Entwicklung einer hochskalierbaren Cloud-Plattform, die Automobilherstellern ermöglichen soll, eine innovative Reihe mobiler, fahrzeuginterner Dienstleistungen anzubieten, um so Software-Updates und Funktionen der Fahrzeug-Steuervorrichtung über das Internet zu beziehen, wodurch zukünftig teure und aufwendige Werkstattbesuche entfallen sollen. Konkret stehen dabei die cloud-basierte Spracherkennung, der Echtzeit-Austausch von Verkehrsflussdaten und das vorausschauende, durch Online- und Navigationsdaten unterstützte Fahren.

Alfred Vollmer

ist Redakteur der AUTOMOBIL-ELEKTRONIK.

(av)

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