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Wind River

Das Konzeptfahrzeug oder „Concept Car“ war schon immer das Kernstück für Innovationen im Automobilbereich. Jeder Autoliebhaber – vom Ingenieur über Führungskräfte im Bereich Automotive bis hin zum Endverbraucher – macht sich gerne Gedanken darüber, wie das Auto der Zukunft aussehen wird, was es zu leisten vermag und mit welchen eindrucksvollen Leistungsmerkmalen es aufwarten kann. Alle Welt spricht heute vom vernetzten Fahrzeug. Ein modernes, intelligentes, digitales Gerät auf Rädern, bei dem Bequemlichkeit, Komfort, Safety und Performance mit leistungsstarken Netzwerktechnologien verschmelzen, damit Fahrer und Mitfahrer auch unterwegs vernetzt bleiben.

Virtualisierung

Eine Konsolidierung von ECUs spart Platz sowie Energie und senkt die Komplexität durch Verlagerung von der Hardware- auf die Software-Integration. Ein vielversprechendes Modell ist dabei die Zentralisierung der Rechenleistung in funktionsorientierte Bereiche. Im Wesentlichen könnte man mit Virtualisierungstechnologie die Software-Funktionalität von der darunter liegenden Hardware entkoppeln. So wird es möglich, eine große Zahl per Software getriebener Funktionen in einer kleineren Zahl leistungsfähigerer Hardware-Plattformen zu konsolidieren. Nicht nur das Security-Problem lässt sich mit dieser Vorgehensweise in den Griff bekommen.

Dies ist eine schöne Vision. Eine große Kluft öffnet sich jedoch, wenn es um die Umsetzung dieser Vision geht. Beim vernetzten Fahrzeug geht es nämlich nicht nur um atemberaubende neue Eigenschaften und Funktionen. Alles dreht sich um Software. Bevor das digitale Auto der Zukunft gebaut werden kann, müssen die Entwickler die hohen Komplexitäten der Software-Integration und Konsolidierung beherrschen.

Software: Schlüssel zum vernetzten Auto

Die Automobilindustrie hat in den letzten Jahren einen sprunghaften Anstieg der Software in Fahrzeugen erlebt. Heute enthalten der Mercedes-Benz S500 Sedan und der Plug-in Hybrid Chevrolet Volt jeweils über zehn Millionen Zeilen von Software-Code – dies ist mehr als im F-35 Fighter Jet.

Automobilhersteller wissen längst, dass Software heute der Schlüssel für wettbewerbsfähige Alleinstellungsmerkmale ist: ähnlich wie beim Mobiltelefon. Software treibt bereits heute alles vom Navigationssystem über IVI-Systeme (In-Vehicle Infotainment) bis hin zur Klimaanlage. Inzwischen treibt Software auch die Kaufentscheidung für ein Fahrzeug. So möchten potenzielle Käufer wissen, welche Apps sie herunterladen können, um mit ihnen zum Beispiel den Motor von einem entfernten Ort aus zu starten, die Türen zu verschließen oder Musik nach ihrem Geschmack zu finden. Auch möchten Fahrzeugkäufer künftige software-basierte Funktionen nutzen können, sobald diese zur Verfügung stehen.

Allerdings nähern wir uns schnell einem Punkt, an dem Software Innovation behindert, statt als treibende Kraft für Erfindungen zu dienen. Wenn der Industrie die Integration und Konsolidierung von Software nicht gelingt, wird die exponenziell steigende Komplexität dafür sorgen, dass das vernetzte Auto nicht Wirklichkeit wird, sondern eine Vision bleibt.

Integration: Druck auf die verborgenen Kosten der Komplexität

Es liegt auf der Hand, dass eine höhere Komplexität längere Software-Entwicklungszeiten und somit höhere Kosten mit sich bringt. Während sich Entwicklungsoptionen weiterhin ausbreiten – mehrere Plattformen, Betriebssysteme, Netzwerke, Toolsets und Ähnliches – werden innovative Kombinationsmöglichkeiten schwerer beherrschbar. So lässt sich zum Beispiel auch die Interaktion zwischen Systemen schwerer testen und von Fehlern befreien.

Nicht so offensichtlich ist hingegen, dass mit steigender Komplexität die Fähigkeit für Innovationen kleiner wird. Warum ist das so? Der Grund ist ganz naheliegend: Wenn immer größere Teile der Entwicklungszeit und Ressourcen mit dem Management der Entwicklungsoptionen, damit verbundenen Anforderungen sowie Integration und Test verbraucht werden, dann stehen weniger Zeit, Geld, Erfahrung und kreative Energie für echte Erfindungen zur Verfügung.

Aus einer anderen Perspektive betrachtet bedeutet dies, dass bei einer vorteilhaften Komplexität gute Ideen schneller zutage kommen und die Kosten bei weniger guten Ideen sinken. Ingenieure und Führungskräfte wissen, dass nichts langsamer stirbt als eine schlechte Idee. Mit geringerer Komplexität lässt sich jedoch jede Idee schnell testen. Damit versagen schlechte Ideen schneller und gute Ideen offenbaren sich eher. Dies erhöht die Innovationsgeschwindigkeit und senkt die Kosten für Innovationen.

Auf ähnliche Weise kann eine Reduzierung der Komplexität zu einer besseren Anwendererfahrung führen, da Ingenieure Rückmeldungen von Anwendern schneller erhalten und entsprechende Anpassungen durchführen können. Plötzlich befinden sich Entwickler in der ersten Reihe des Kontakts mit Kunden.

Die Frage ist, wie man unter Berückichtigung der aktuellen Marktgegebenheiten und Entwicklungspraktiken die Software-Komplexität senken kann. Die Antwort lautet: Software-Integration statt Hardware-Integration – und es gibt viele Facetten der Software-Integration, die für die Autoindustrie relevant sind. Im Folgenden sind einige dieser Facetten mit Beispielen aufgeführt; sie zeigen, wie sich Integration und Konsolidierung erreichen lässt.

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Wind River

ECU-Konsolidierung

Die Anzahl der Motorsteuerungen (ECUs) im durchschnittlichen Fahrzeug hat sich in den letzten zehn Jahren verdoppelt. Viele Fahrzeuge enthalten heute über 125 separate ECUs. Viele ECUs werden zunehmend komplexer und arbeiten mit mehreren Laufzeitumgebungen auf mehreren Ebenen, Multi-Source-Software, Multi-Core-CPUs und umfangreichem Code. So kann beispielsweise eine einzige ECU für IVI-Funktionen über zwei Millionen Programmzeilen enthalten.

Durch die Konsolidierung von ECUs würde man nicht nur Platz sparen und die aufgenommene Energie effizienter nutzen können, sondern auch die Komplexität reduzieren, indem man Integrationsbemühungen von der Hardware- auf die Software-Integration verlagert. Dies ist der Grund, warum die ECU-Konsolidierung für viele Automobilhersteller und OEMs ein entscheidendes Ziel ist; das „Wie“ bleibt jedoch offen.

Ein viel versprechendes Modell ist die Zentralisierung der Rechenleistung in funktionsorientierte Bereiche. Im Wesentlichen könnte man mit Virtualisierungstechnologie die Software-Funktionalität von der darunter liegenden Hardware entkoppeln. Mit diesem Konzept könnte man Datenverarbeitungsressourcen effizienter nutzen und würde zugleich die Möglichkeit schaffen, eine große Zahl per Software getriebener Funktionen in eine kleinere Zahl leistungsfähigerer Hardware-Plattformen zu konsolidieren. Zum Beispiel sollten für die Navigation zuständige Systeme oder IVI-Komponenten eine gemeinsame Rechnerplattform nutzen.

Ebenso wichtig bei diesem Konzept ist, dass Legacy Software und individuelle Funktionen über eine Luftschnittstelle aktualisiert oder ausgetauscht werden könnten. So bräuchte man sein Fahrzeug wegen einer Wartung der Software nicht in die Werkstatt bringen.

Zunehmende Standardisierung auf Open-Source-Plattformen

Im Allgemeinen wird eine Konsolidierung durch Standardisierung ermöglicht. Die Automobilbranche hat bereits Schritte unternommen, Standards zu definieren und zur Verfügung zu stellen, um die Komplexität aus dem Entwicklungsprozess herausnehmen. Die Genivi-Alliance zum Beispiel hat entscheidend zur Entwicklung von Standards für Linux-basierte IVI-Systeme beigetragen.

Der nächste Schritt besteht in der Standardisierung gesamter Laufzeit-Plattformen, abgestimmt auf spezifische Funktionen. Ein Beispiel ist die Wind River Platform for Infotainment, eine Linux-basierte, Genivi-konforme Runtime-Plattform speziell für den IVI-Markt. Die Plattform nutzt die Vorteile des Yocto Projects, ein Open-Source-Projekt, das Templates, Tools und Methoden beinhaltet sowie Entwickler unabhängig von der Hardware-Architektur bei der Realisierung Linux-basierter Systeme für Embedded-Produkte unterstützt und somit die Flexibilität zum Einsatz von Hardware der eigenen Wahl bietet. Dieses Konzept kann die Entwicklungskosten kommerzieller IVI- und Telematiksysteme senken und zugleich Projektrisiken und die Entwicklungszeit minimieren.

Security-Integration

Embedded-Devices in Autos sind den gleichen Sicherheitsbedrohungen ausgesetzt wie alle anderen Geräte, die einen Prozessor und ein Betriebssystem enthalten, auf dem Applikationen laufen. Sowohl die Zahl, als auch die Diversität von Angriffen auf die Sicherheit steigen enorm. Vor kurzem veröffentlichte Angriffe auf Android-Geräte sind nur die Spitze des Eisbergs. Safety-relevante Automotive-Systeme wie Bremsen, Anlasser und Türschließanlagen sind ebenfalls angreifbar.

Die Bedrohung ist real. Und sie muss adressiert werden. Ein Konzept für diese komplexe Problematik besteht darin, für die Device Security einen holistischeren integrierten Ansatz zu verfolgen. Ein Ansatz, der Security-Bedrohungen auf allen Ebenen der Entwicklung mildert, besteht aus Hardware-Plattform, Virtualisierungstechnologie, Betriebssystem, Netzwerk-Stack oder anderer Kommunikations-Middleware, Datenpaketen, die über das Netzwerk gesendet werden, und Applikationen.

Viele Gerätehersteller führen End-to-End-System-Security-Bedrohungsanalysen durch, die Security-Probleme nicht nur aus Sicht der Entwickler sondern auch aus der Perspektive der Hersteller, Betreiber und sogar der Fahrer und Mitfahrer betrachten. Dieses holistische Konzept ermöglicht es, Security-Gefahren besser zu verstehen und Security-Technologien verschiedener Hersteller einzubinden. So lassen sich die Komplexität und auch die Risiken reduzieren.

Cloud- und Multimedia-Connectivity

Endverbraucher wünschen sich, dass ihr Fahrzeug die Fähigkeiten der Mobilgeräte, die sie ständig bei sich haben, unterstützen oder sogar erweitern. Für Automobilhersteller wirft dies die Frage auf, wie man Dienste der Unterhaltungselektronik am besten in ein Fahrzeug integriert. Technologische Fortschritte in den Bereichen Cloud-Computing, Mobile-Computing und Multimedia-Connectivity können eine neue Generation vernetzter Fahrzeugdienste ermöglichen – falls sie in die Head Unit, den Hub zwischen Automotive-Safety-Komponenten und den Endverbraucher integriert werden können.

Wind River adressiert diese Anforderung mit auf Standards basierten Protokollen für die Automotive-Industrie: einfache zertifizierte Middleware-Stacks, die alle Gerätehersteller nutzen können, um sicherzustellen, dass ihre Produkte mit allen anderen Geräten entsprechend des Standards kommunizieren können.

Ferner erweitert Wind River die Nutzung anderer bedeutender Industriestandards innerhalb der Plattform, damit die Ökosystem-Partner des Unternehmens lediglich den Stack nehmen und problemlos in ihre Produkte integrieren können. Aufgrund dieser Fähigkeit können Hersteller von Geräten für die Automobilbranche Wind-River- oder Wind-River-Ökosystem-Lösungen wählen und ihre Einstiegshürden senken.

Zum Beispiel erlaubt der Wind River Connectivity Solution Accelerator für Linux den Endverbrauchern den Anschluss ihrer Apple-Geräte an die Zentraleinheit eines Fahrzeugs. Dies adressiert die Nachfrage nach Connectivity für portable Geräte mit Unterstützung für eine Vielfalt an Geräten, darunter die neusten Apple-Modelle und iOS Connectivity Accessory Protocols (iAPs) sowie eine wachsende Zahl neuer Leistungs- und Funktionsmerkmale.

Security nicht vergessen

Warum es außerdem notwendig ist, neben Safety-Maßnahmen (beispielsweise gemäß ISO 26262) auch Security-Maßnahmen zur Datensicherheit zu implementieren, das erfahren Sie in diesem separaten Beitrag der Redaktion.

Schlussbemerkung

Eine kürzlich in der Tageszeitung USA Today veröffentlichte provokante Frage lautet: „Ist es vorbei mit der Liebe zum Automobil?“ Zunehmend betrachten Endverbraucher ihr Auto als Gerät. Dabei gibt es nur wenig oder keine persönliche Bindung – speziell unter den jüngeren Autobesitzern. Endverbraucher suchen einfach nur nach einer intelligent entwickelten, wirtschaftlichen und zuverlässigen Maschine. Diese Änderung in der Einstellung der Endverbraucher ist alarmierend für Automobilhersteller. Denn sie führt dazu, dass weniger gefahren wird, weniger Autos angeschafft werden und die Bindung an eine Marke schwindet.

Die Komplexität auf Systemebene zu senken ist der erste entscheidende Schritt hin zur Lösung dieser Problematik. Durch die Integration und Konsolidierung von mehr und mehr Software-Komponenten können sich Automobilhersteller mehr Zeit zur Realisierung innovativer Leistungsmerkmale und Funktionen nehmen, die bei potenziellen Käufern auf Interesse stoßen. So werden sie die Leidenschaft der Ingenieure, zu entwickeln, zu entdecken und zu erfinden, neu entfachen und die emotionale Bindung, die einst dem Besitz eines Autos inne wohnte, wiederbeleben. Damit wird die Autoindustrie die Branche vorwärts bringen – mit Vollgas.

Georg Doll

ist General Manager of Automotive Solutions bei Wind River.

(av)

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