Die Automobilhersteller suchen seit einigen Jahren verstärkt Potenziale zur Gewichtseinsparung, um so einen Beitrag zur Senkung des CO2-Ausstoßes von Fahrzeugen zu leisten. Im Bordnetz liegt der Fokus auf dem Ersatz von Leitungen aus Kupfer (Cu) durch solche aus Aluminium (Al). Die Gewichtseinsparung könnte bei zirka 50 % je ersetzter Verbindung liegen. Während bei Al-Leitungen mit großen Querschnitten die Verbindung mit den Kontakten unter Verwendung von thermischen Fügeverfahren erfolgt, bieten sich diese Verfahren für kleine Leiterquerschnitte aufgrund der damit verbundenen Prozesskosten nicht an. Stattdessen soll die für die Verbindung von Kontakten und Cu-Leitungen seit langem etablierte Crimptechnik zum Einsatz kommen. Darauf basierend hat Kostal ein auf die Anforderungen des Werkstoffs Aluminium ausgerichtetes Verarbeitungsverfahren entwickelt.

Fertige Crimpverbindung inklusive Umkapselung.

Fertige Crimpverbindung inklusive Umkapselung.Kostal

Herausfordernde Materialeigenschaften

Die elektrische und thermische Leitfähigkeit von Aluminium ist zirka 40 % geringer, als die des heute in Fahrzeugleitungen eingesetzten Kupfers. Eine Al-Leitung, die mit ähnlicher Stromtragfähigkeit spezifiziert ist, muss dementsprechend theoretisch eine um den Faktor 1,6 größere Querschnittsfläche aufweisen. Praktisch gesehen führt dies dazu, dass beim Einsatz von Al-Leitungen der nächstgrößere Leiterquerschnitt gewählt werden muss. Die OEMs müssen daher für jede Anwendung spezifisch prüfen, ob für die substituierende Al-Leitung im vorhandenen Bauraum der Cu-Leitung überhaupt genügend Platz vorhanden ist.

Die Zugfestigkeit von Aluminium, das für Leitungen eingesetzt wird, beträgt nur etwa 30 % der Zugfestigkeit von Cu-Leitungen. Daher gilt es, die Anforderungen für diesen Leiterwerkstoff an entsprechende Fahrzeugleitungen neu zu bewerten. Unter Temperatureinfluss dehnt sich Aluminium wesentlich stärker aus als Kupfer. Außerdem ist eine Al-Litze mechanisch wesentlich empfindlicher als eine Cu-Litze.

Aluminium ist ein unedles Metall. Deshalb kommt es an Luft sofort zu einer Oxidationsreaktion, durch die sich sehr schnell eine dünne Schicht Aluminiumoxid (Al2O3) auf der Metalloberfläche bildet. Al2O3 ist eines der härtesten bekannten Materialien und wirkt elektrisch als Isolator. Für eine elektrisch leitende Kontaktierung des darunter liegenden Aluminiums muss diese isolierende Oxidschicht dauerhaft überwunden werden.

Technische Anforderungen an die Verbindungstechnik

Wenn Al-Leitungen mithilfe der bewährten und weit verbreiteten Crimptechnik an Kontakte angeschlagen werden, muss somit die Verbindung so ausgelegt werden, dass trotz der unterschiedlichen Materialeigenschaften von Aluminium und Kupfer eine dauerhafte automobiltaugliche Verbindung entsteht.

Folgende Aspekte kennzeichnen eine solche Verbindung:

  • Stabiler elektrischer Widerstand
  • Mechanische Robustheit
  • Dauerhafter Korrosionsschutz
  • Prozess-integrierter Qualitätsnachweis

Die Verarbeitung von Fahrzeugleitungen mit Al-Leiter geschieht nach dem von Kostal entwickelten Prozess in vier Schritten, mit denen die Anbindung des Leiters an den Kontakt gemäß den Anforderungen erfolgt. Dabei ist es sogar auch möglich, bestehende Kostal-Serienkontakte zu verarbeiten, die bereits identisch in Kombination mit Cu-Leitungen zum Einsatz kommen. Folglich ist auch die bei Kostal-Kontakten übliche Rückverfolgbarkeit gesichert, die dann auch zusätzlich den Korrosionsschutz mit einschließt.

Im vorderen, der Kontaktstelle zugewandten Teil verpresst das Werkzeug die Crimpflanken intensiver als im hinteren Teil.

Im vorderen, der Kontaktstelle zugewandten Teil verpresst das Werkzeug die Crimpflanken intensiver als im hinteren Teil. Kostal

Der neue Lösungsansatz

Die für die Verarbeitung von Al-Leitungen gegenüber Cu-Leitungen notwendigen Prozessschritte werden über entsprechende Verarbeitungsmodule abgebildet, die in die heute etablierten Verarbeitungsmaschinen integriert werden. Die serienmäßige Kontaktgeometrie führt dazu, dass OEMs und Zulieferer bereits vorhandene Gehäuse weiter verwenden können, soweit die in punkto Außendurchmesser meist größere Al-Leitung im vorhandenen Bauraum überhaupt Platz findet.

Crimp-Verbindung von Kontakt und Al-Leitung

Mithilfe eines Kontakts und eines drahtgrößenspezifisch ausgelegten Crimpstempels fixiert das von Kostal entwickelte Verfahren die Aluminiumleitung im Crimp so, dass die Verbindung sowohl langzeitstabile Crimpwiderstände als auch querschnittsadäquate Leiterausreißkräfte aufweist. Die Werkzeuggeometrie ist in zwei Stufen ausgeführt. Im vorderen, der Kontaktstelle zugewandten Teil verpresst das Werkzeug die Crimpflanken intensiver als im hinteren Teil. Durch die starke Verpressung und die daraus resultierende massive Umformung beider Bauteile bricht dabei die isolierende Oxidschicht auf, so dass der elektrisch leitende Kontakt entsteht. Gleichzeitig erreicht das Verfahren durch einen weniger stark verpressten Bereich querschnittsadäquate Leiterausreißkräfte, die in ihrer Größenordnung den Anforderungen an die substituierte Cu-Leitung entsprechen.

Unmittelbar im Anschluss an den Crimpprozess bringt ein Dosierventil punktgenau einen Crimpschutz auf den zu schützenden Bereich der Verbindung auf.

Unmittelbar im Anschluss an den Crimpprozess bringt ein Dosierventil punktgenau einen Crimpschutz auf den zu schützenden Bereich der Verbindung auf.Kostal

Dispensieren und Aushärten des Crimpschutzes

Speziell für diese Anwendung entwickelte Kostal einen Crimpschutz, den ein Dosierventil unmittelbar im Anschluss an den Crimpprozess punktgenau auf den zu schützenden Bereich der Verbindung aufbringt. Die Verwendung kontakt- und leitungsquerschnittsspezifischer Parameter sorgt dafür, dass sämtliche Aluminium-Oberflächen mediendicht bedeckt sind. Die Schutzfunktion erstreckt sich vom Litzenende zwischen Crimp und Kontaktkasten bis hin zur Isolation der Leitung. Durch geeignete Anordnung vom Dosierventil zum Kontakt sowie entsprechende Prozessparameter stellt das Verfahren sicher, dass das Crimpschutz-Medium nicht in den Kontaktierungsbereich eindringen kann. Das für den Crimpschutz genutzte Medium härtet unter Licht aus und weist dauerhaft eine hinreichende Elastizität auf. Nach der Belichtung unter definierten Bedingungen dichtet das Medium den Crimpbereich hermetisch ab, so dass keine potenziellen Elektrolyten mehr eindringen können und das im Crimpübergang erzeugte elektrische Widerstandsniveau langfristig erhalten bleibt.

Crimpen von Aluminium-Leitungen

Mit einem individuell an die jeweiligen Steckverbinder sowie die jeweils genutzten Aluminium-Leitungen angepassten Verfahren bedeckt Kostal sämtliche Aluminium-Oberflächen mediendicht. Damit ist der im Fahrzeug erforderliche Schutz vorhanden: vom Litzenende zwischen Crimp und Kontaktkasten bis hin zur Isolation der Leitung.

Qualitätskontrolle

Da dieser Crimpschutz die Crimpverbindung von außen her schützt, lässt er sich im Rahmen der prozessintegierten Qualitätskontrolle nachweisen. Dies geschieht durch eine 100-%-Kameraüberwachung, die den unter UV-Licht fluoreszierenden Crimpschutz detektiert und über Bilderkennungsalgorithmen rechnergestützt bewertet. Kostal überträgt damit eine bewährte Qualitätsüberwachungsmaßnahme aus der Fertigung von Lamellenkontakten auf den Verarbeitungsprozess von Al-Leitungen.

Ausblick

Eine robuste, den Anforderungen im Automobil entsprechende Crimpverbindung von Kontakten mit Aluminiumleitungen ist heute schon im Bereich der ungedichteten Steckverbinder möglich. Es ist zu erwarten, dass Al-Leitungen auch an Einbauorten mit genereller Dichtheitsanforderung zum Einsatz kommen. Für solche Anwendungsfälle lässt sich der von Kostal vorgestellte Lösungsansatz mit den etablierten Dichtsystemen kombinieren. Der Ersatz von Cu-Leitungen durch Al-Leitungen in Anwendung mit extremen Temperatur- oder Vibrationsanforderungen stellt eine weitere zukünftige Herausforderung dar.

(av)

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