Ausgerechnet Mallorca. Und das zum 16. Mal. Vom 20. bis 24. März 2013 trafen sich mehr als 160 Fachleute aus der Branche. Die Teilnehmer des EE-Kolleg wissen indes genau, warum sie hier sind. Es ist nicht nur das spannende Programm mit zahlreichen Vorträgen und Workshops, das sich auf zwei Tage verteilt. Es geht vor allem auch um Networking – Networking untereinander und mit den Referenten. Sich auszutauschen, Fertigungsprobleme, die alle plagen, zu diskutieren und diffizile Fragen rund um die elektronische Baugruppenfertigung überhaupt beantwortet zu wissen, das sind die Topics dieser Veranstaltung, die sich als Expertenplattform an Experten richtet. Newcomer, also Teilnehmer die zum ersten Mal der Veranstaltung beiwohnen, werden automatisch eingebunden. Dem kann sich keiner entziehen. Dafür sorgt der Veranstalter ganz nebenbei: Das EE-Kolleg findet zwar auf Mallorca statt, aber an einer entlegenen Ecke der Insel, um Ablenkungen durch interessante Sights zu minimieren.

Die Vorträge gehen daher ans Eingemachte. Es geht darum, Fehler in und auf der elektronischen Baugruppe zu detektieren und entsprechend zu minimieren, wenn sie sich nicht komplett eliminieren lassen. Eintauchen in die metallurgische Welt der Lotverbindungen gehört da genauso dazu wie die richtige Prüftechnik für die jeweilige Anforderung an die Baugruppe zu finden. Die fortschreitende Miniaturisierung der SMD-Bauteile erfordert eine immer höhere Präzision bei der Herstellung. Zudem steigt die Leistungsdichte der elektronischen Baugruppe, die an sich schon immer kleiner wird: Auf einer immer kleiner werdenden Boardfläche gilt es, die extrem hohe Bandbreite an winzigen Bauelementen und sperrigen Komponenten, geschickt zu kombinieren. Das hat Auswirkungen auf den Lotpastenaufdruck, der Bestückung, dem anschließenden Lötprozess und schließlich auch auf die Prüftechnik. Darüber hinaus müssen sich die Elektronikfertiger sich stetig verändernden Marktentwicklungen stellen. Die Herausforderung liegt darin, neben dem Tagesgeschäft auch mit den technischen Entwicklungen schrittzuhalten und diese schnellstmöglich in den eigenen Fertigungsprozess umzusetzen.

Traceability: Immensen Datenschatz richtig kanalisieren

Das ist beispielsweise Zollner Elektronik gelungen. Heute ist das Unternehmen neben dem Hauptsitz in Deutschland global an strategischen Standorten in den USA, China, Tunesien und in Ungarn aufgestellt und beschäftigt insgesamt 8000 Mitarbeiter über dem gesamten Erdenrund. Der Dienstleister der Elektronikfertigung, kurz EMS, gehört zu den Top 15 der EMS-Branche weltweit und ist, so betont Michael Pongratz von Zollner Elektronik, aus eigener Kraft gewachsen. Sukzessive wurde die klassische Baugruppenfertigung durch weitere Dienstleistungen wie der Blechbearbeitung, der Herstellung von Dreh- und Frästeilen und neuerdings auch der Kunststofftechnik ergänzt. Maßgeblich am Erfolg des Unternehmens ist seine Struktur: Der Kundenstamm setzt sich aus Marktteilnehmern der Industrieelektronik, Automobilelektronik, Messtechnik, Medizintechnik, Büroelektronik und Datentechnik zusammen. Dieser Umstand birgt jedoch birgt weitere Herausforderungen: „Jede Branche hat ihre eigenen Anforderungen und jeder Kunde hat seine eigenen Bedürfnisse. Daraus ergeben sich sehr große Datenmengen“, erläutert Michael Pongratz in seinem Vortrag „Wissen Sie was Ihre Baugruppe alles „erlebt“ hat?“.

Um die große Datenflut besser zu strukturieren und eine lückenlose Rückverfolgbarkeit sicherzustellen, wurde eine einheitliche Etikettierung aller Bauteile konzipiert. Für die rund 200 SMD-Lieferanten wurde eigens eine Web-Oberfläche konzipiert und auch eine eigene Maschine gebaut, welche die in Labels hinterlegten Daten ausliest und sie entsprechend aufbereitet. Wichtig dabei sei, auf die richtigen Datenformate zu achten: „Um das Verbesserungspotential zu realisieren, das auf den ersten Blick nicht sichtbar ist, müssen wir die durchgängig erhobenen Daten intelligent miteinander verknüpfen um deren Abhängigkeiten zu erkennen, und daraus Verbesserungen abzuleiten“, erklärt er. Mit Hilfe von Werkzeugen und Methoden aus Six Sigma und Lean Produktion wird bei jeder Verbesserung im kleinen immer die Auswirkung auf das gesamte Produktionssystem betrachtet um sicher zu gehen, auch wirklich einen Mehrwert für das Produkt generieren.

Dem Fehlerteufel auf die Spur

Das sieht auch Wolfgang Motzek von Coronex Electronic, so. In seinem Vortrag „Aus Fehlern lernen – Potentiale und Strategien zur Steigerung der Prozess- und Produktqualität“ befasste er sich mit Prozessfehlern und ihren Auswirkungen, Fehleranalysen und den Potenzialen aus Fehlern zu lernen. Was gerne außer Acht gelassen werde, sei die Wichtigkeit der Leiterplatte, führt er aus: „Jedes Bauteil lässt sich ab- und immer wieder auflöten. Aber eine Leiterplatte lässt sich nachträglich nicht verändern.“ Daher kann sich eine scheinbar günstige Leiterplatte als ziemlich teuer rausstellen, da „fehlerhafte Leiterplatten in allen Fertigungsschritten Prozessstörungen verursachen.“ Die Verwendung geeigneter Prüfmittel entlang der Fertigungskette helfe überdies, Fehler zu minimieren. Gegebenenfalls könne man auch auf Dienstleister ausweichen.

Das kann beispielsweise Kraus Hardware sein. Der Elektronikfertigungs-Dienstleister bietet neben den klassischen Dienstleistungen rund um die Baugruppenfertigung auch fundierte Prüf-Expertise an und hat dafür ein ansehnliches ATE-Porfolio das bis hin zur CT- und Röntgeninspektion reicht. Andreas Kraus von Kraus Hardware fokussierte mit seinem Thema „Sinn und Möglichkeiten der elektrischen Baugruppenprüfung“ auf die gängigen automatisierten Testverfahren und erläuterte anschaulich, wann sich welches Testsystem eignet.

Doch zurück zur Fehleranalyse: Christoph Hippin, Endress + Hauser Maulburg gab mit seiner Präsentation „Fehleranalyse und Prozessentwicklung am Beispiel von QFN‘s“ Einblicke in die Evolution des QFN. Auf dem Weg zur Miniaturisierung waren Texas Instruments, Integrated Device Technology und Hitachi die ersten, die die Bauform QFN auf den Weg brachten. Mit welchen Fehlerquellen das einher ging, erklärte er mit zahlreichen Beispielen und sparte dabei nicht mit Lösungsvorschlägen, wie sich Fehlerbilder bestmöglich analysieren lassen: „Es kommt auf die Betrachtungsweise beim Prüfen an“, betont er mit Verweis auf die Wichtigkeit von Schrägbildern.

Die Veranstalter und das Rahmenprogramm

Das angenehme Ambiente des Tagungsortes eröffnete den Teilnehmern die Möglichkeit zum ausgedehnten Erfahrungsaustausch innerhalb des Teilnehmerkreises sowie mit den Referenten, Geschäftspartnern und Veranstaltern des Kollegs, den Firmen ASM Assembly Systems GmbH & Co. KG, Asys Group Asys Automatisierungssysteme GmbH, Balver Zinn Josef Jost GmbH & Co. KG, Christian Koenen GmbH, Kolb Cleaning Technology GmbH, Rehm Thermal Systems GmbH und Zevac AG. Sie organisierten auch das Rahmenprogramm, einen Ausflug vor die Küsten Mallorcas, der allgemein recht großen Zuspruch erfuhr. Überdies ermöglichten sie den „Blick über den Tellerrand“ mit ebenso interessanten wie aufschlussreichen Themen. So entführte Dr. André Meinunger vom Zentrum für Allgemeine Sprachwissenschaft in Berlin die Teilnehmer mit dem Vortrag „Sprachvielfalt – Sprache, Sprechen, Verstehen, Verständnis“ in die Welt der Kommunikation und Sprachwissenschaft und zeigte auf, dass unsere Sprache und das „richtige“ Verstehen eine wesentliche Basis sind, Verbesserungen gemeinsam herbeiführen zu können. Andreas Hilgers leitete im Anschluss daran auch einen Workshop zum Thema „Sprache-Marken-Symbole“.

Lean Production und Six Sigma

Ulrich Fischer von Festo Didactic zog mit seinem Thema „TPM in Lean-Produktionssystemen und Erfolgsfaktoren für die Einführung“ das Auditorium in seinem Bann. Er zeigte die Herausforderungen und Chancen in einem praxisbezogenen Vortrag auf. Das Akronym TPM steht für „Total Productive Maintenance“ und beschreibt den Weg zur schlanken Produktion. Wer indes meint, damit eine schnelle Lösung zur Hand zu haben, dem erteilt der Experte eine Abfuhr: „TPM braucht einen langen Atem.“ Das Management ist dabei genauso gefordert wie der einzelne Mitarbeiter. „Sieben von zehn TPM-Projekten scheitern“, hat er die Erfahrung gemacht. Häufig werde übersehen, dass der Mensch, respektive Mitarbeiter, die Technik und die Unternehmensorganisation wie Zahnräder ineinandergreife. Auch Helge Schimanski vom Fraunhofer ISIT, Itzehoe, thematisierte die Prozessoptimierung in seinem Vortrag  „Prozessfehler und ihre Auswirkungen – Wie der Fertigungsprozess die BG-Qualität beeinflusst“. Er sensibilisierte die Teilnehmer darauf, worauf ist zu achten ist, um den Fehler zukünftig zu vermeiden und sich auch darüber – idealerweise im Vorfeld – Gedanken zu machen, wer die Fehlerkosten trägt: „Nichts ist unmöglich“, weiß er aus Erfahrung und betont: „Jeder Fehler wird auftreten, es ist nur eine Frage der Zeit.“

17. EE-Kolleg

Auch im nächsten Jahr wird das Elektronikfertigungs-Brainstorming fortgesetzt: Vom 12. bis 16. März 2014 wird das 17. EE-Kolleg auf Mallorca stattfinden.

Schließlich wagte Andreas Graß von Baumer Electric einen „Blick in die Glaskugel – Was ist Six Sigma – Von der Standardabweichung zum CPK“. Er erläuterte die Kernpunkte dieses anspruchsvollen Themas anschaulich in seinen Ausführungen. Dabei gab er den Blick frei in die Ausbildungsabteilung von Baumer und wie die Auszubildenden an dieses komplexe Thema durch Praxisbeispiele herangeführt werden. Jörg Friedrich von Leesys – Leipzig Electronic Systems widmete sich dem Thema „Automatisierung zur Fehlervermeidung“ und Dr. Ing. Matthias Hutter vom Fraunhofer IZM zeigte zum Abschluss die Problematik der „Qualität von Lötstellen – Worauf muss man achten beim Löten“ auf, wobei hier deutlich wurde, dass unabhängig davon, was der Einzelne zum Beispielunter „Qualität von Lötstellen“ versteht, jede Verbesserung als Wert an sich unbestritten ist.

Prozesssicherheit kontinuierlich erhöhen

Das Elektroniktechnologie-Kolleg ist bereits seit 16 Jahren immer wieder ein Highlight unter den wichtigsten Technologie-Foren in der Elektronikindustrie. Das diesjährige Motto „Fehler in und auf der elektronischen Baugruppe…es gibt immer etwas zu verbessern“ wurde nicht nur anhand von fundierten Vorträgen erläutert. Workshops, die zur Teilnahme aufforderten, ergänzten das Programm in sinnvoller Weise: Sie befassten sich mit den Themen „Lean Production“, moderiert von Ulrich Fischer, Festo Didactic, „Temperaturprofile“ mit Helge Schimanski, Fraunhofer ISIT, sowie „Analytik“, begleitet von Günter Grossmann, EMPA. Die Teilnehmer zeigten reges Interesse an den praxisbezogenen Themen und so ließen sich als Resumée der Workshops am zweiten Tag zahlreiche Anregungen an das Publikum weitergegeben.

Marisa Robles Consée

ist freie Redakteurin Productronic

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