Wie schwerelos gleiten und bewegen sich meterlange und tonnenschwere Hubpodien und Aufhängungen: Das modulare Bühnensteuerungssystem setzt sich aus einem Bedienpult und mehreren Schaltschränken mit Achsrechnern sowie diversen elektrischen oder hydraulischen Antrieben zusammen. Keine Dekorationen auf der Bühne, keine Kulissen, die vom Schnürboden herunterkommen, keine Drehbühne, keine Versenkungen, keine Umbauten, ja, nicht einmal der Vorhang würde sich heben, ohne entsprechender Bühnentechnik. Je nach Bühnenausstattung kommen ein oder zwei 19-Zoll-Touchscreens mit Programmieroberfläche und Antriebsübersicht zum Einsatz. Mit vier Joysticks lassen sich alle Antriebe synchron bewegen während die vier Achsrechner alle Antriebsbewegungen überwachen und regeln. Ist Gefahr in Verzug, sorgt ein Notaustaster dafür, dass der gesamte Ablauf auf der Stelle stoppt.

Kommunikation ist alles

Die „guten Geister“ jenseits des roten Teppichs sind EMS-Anbieter wie etwa das Team um Martin Vierling. Der Geschäftsführer von Vierling erklärt, worauf es ankommt: „Während unsere Entwickler bei vielen Projekten noch Layouts und Prototypenläufe abschließen, können sich die Entwickler des Kunden bereits wieder auf weitere Projekte und Arbeitspakete konzentrieren.“ Dem EMS-Anbieter ist es wichtig, seinen Kunden den Rücken freizuhalten, damit sie sich gezielt auf ihre Kernaufgaben konzentrieren können: „In Konsequenz verlaufen Entwicklungsprojekte schneller und konzentrierter.“ Wichtig für den engen Schulterschluss ist die durchgängige Kommunikation zwischen allen am Prozess beteiligten Personen – und zwar von Anfang an. Nur so ließe sich ein enges Vertrauensverhältnis aufbauen. Denn nicht immer lässt sich das vom Kunden entwickelte Konzept eins zu eins in den Produktionsprozess übernehmen: „Dann greift die Entwicklung mit ein und erarbeitet im Dreiklang Kunde, Entwicklung und Produktion das finale Produkt.“ Im Falle der Wiener Staatsoper ist es ein Unternehmen, das als namhafter Bühnenausstatter sämtliche Bühnen dieser Welt mit technischen Lösungen unterstützt.

Große Bühne

Nicht nur künstlerisch, auch architektonisch ist die Wiener Staatsoper eine Institution. Da darf man im Zuschauerraum von ihrer Arbeit nicht viel mitbekommen, jedenfalls nicht bewusst: Ohne Bühnentechnik würde an einem Opernhaus so gut wie gar nichts gehen. Der Elektronikfertigungs-Dienstleister Vierling hat in enger Zusammenarbeit mit der beauftragten Bühnenausstatter-Firma aus Luxenburg ein komplexes Steuerungssystem für den automatisierten Kulissenwechsel konzipiert und umgesetzt, das in sämtlichen Bühnen weltweit zum Einsatz kommt.

Was vom Kunden als besonders wertvoll empfunden wird, ist die anfangs partielle Übernahme der Fertigung. Zu Beginn der Zusammenarbeit konzentrierte sich Vierlings Aufgabe auf die Produktion eines Achsrechners: Leiterplattenbestückung und Rechnermontage waren eins. Aufgrund der guten Erfahrungen weitete sich die Aufgabe auf die Bedienpulte aus. Nach und nach legten die Verantwortlichen des Bühnenausstatters die Beschaffung der bestgeeigneten Bauteile ebenfalls in die Hände von Vierling. Für den Kunden war die Fertigungsqualität von ausschlaggebender Bedeutung. Denn: Bühnensteuerungen sind sicherheitsrelevante Produkte. Heute beträgt die Fertigungstiefe zu 100 Prozent. So werden zum Beispiel die Konfektion der Kabel und finale Montage durch ein ausschließlich auf diesen Job spezialisierte Mannschaft in einem eigens dafür geschaffenen Areal bewältigt. Zum Schluss stellen umfangreiche exakt spezifizierte Tests und Prüfungen die maximale Zuverlässigkeit der Systeme sicher. Mittlerweile jährlich verlassen Dutzende Bühnen-Bedienpulte für den raschen Kulissenwechsel das Werk in Ebermannstadt.

Schlanke Fertigung

Vierling achtet strikt darauf, dass der gesamte Fertigungsprozess und Verwaltung möglichst schlanke Strukturen aufweisen. Mit seinen derzeit rund 100 Mitarbeitern kann sich der Mittelständler in punkto Kundennähe, Flexibilität und Improvisationstalent durchaus mit größeren Unternehmen messen. Die Herstellung und Prüfung von elektronischen Flachbaugruppen zählt mit zu den Kernkompetenzen. Das Spektrum der verarbeiteten Leiterplattenformate und Bauelementeformen decken alle heute üblichen Markterfordernisse ab. Vom Muster über Einzelstücke, Prototypen bis zur Serie von etwa 20.000 Stück werden kompetente und auf den jeweiligen Kunden zugeschnittene Lösungen geboten. Die Kunden kommen aus den Branchen Automation, Energietechnik, Informationstechnologie, Kommunikation, Luftfahrt, Medizin-, Steuerungs- und Umwelttechnik. Im Bereich SMT verarbeitet der EMS alle gängigen Bauformen von 01005 bis hin zu QFPs mit Raster von 0,4 mm, BGAs und LGAs genauso wie THT und Einpresstechnik.

Entsprechend gut ausgerüstet ist der Maschinenpark. Zum Einsatz kommen präzise arbeitende Bestückautomaten. Die platzierten Bauteile werden im rasanten Tempo via AOI-System optisch überprüft. Ein- und doppelseitig bestückte elektronische Baugruppen durchlaufen den Lötprozess in einer Reflow-Lötanlage und für anspruchsvolle Baugruppen und Backplanes ist eine Dampfphasen-Lötanlage vorgesehen. Dagegen kommt über das Wellenlöten sowie Selektiv-Lötroboter wahlweise der „no clean“-Lötprozess unter Stickstoff und die automatische partielle Löttechnik zum Zug, oder der Kunde wünscht den Einsatz bleihaltigen Lots.

Das komplexe Steuergerät mit 48-V-Netzteil, das im Kamerasystem des Rohrinspektionssystems eingebaut ist, womit sich defekte Stellen in Rohr- und Kanalisationsnetze zuverlässig zu detektieren lassen.

Das komplexe Steuergerät mit 48-V-Netzteil, das im Kamerasystem des Rohrinspektionssystems eingebaut ist, womit sich defekte Stellen in Rohr- und Kanalisationsnetze zuverlässig zu detektieren lassen.Vierling

Dass Vierling im Falle der Bühnentechnik mit der Produktion des Achsrechners betraut wurde, kommt nicht von ungefähr, erklärt Martin Vierling: „Wir verfügen über eine besonders hohe Kompetenz bei der Herstellung von Backplanes mit Einpresstechnik.“ Darunter ist die Rückwand eines elektronischen Geräts zu verstehen, das mehrere Steckplätze für Karten- und Einschubbaugruppen hat. Durch die darauf angebrachten Steckverbinder lassen sich weitere Elektronikbaugruppen hinzuzufügen und elektrisch verbinden. In Einpresstechnik fertigt Vierling bis zu 32-lagige Boards mit Abmessungen von bis zu 450 mm auf 800 mm und bis zu und 64.000 Testpunkten. Im Paket enthalten sind alle erforderlichen Verdrahtungs- und Komponententests. Wird manuell bestückt, wie etwa THT-Bauteile, wird auf lasergeführte und programmierbare Bestückungstische zugegriffen. Interne effektive Montagzellen übernehmen die fach- und sachgerechte sowie sichere Montage aller Geräte. Das beinhaltet zugleich die Installation der Software und wo erforderlich, sowohl Burn-in Tests als auch umfangreiche Geräte-Endtests.

Klare Sicht ins Innere

Das Einsatzgebiet von Steuergeräten ist schier unerschöpflich. So kommen sie beispielsweise in Kamerasysteme von Rohr-Inspektionssystemen zum Tragen: Rohr- und Kanalisationsnetze werden langfristig brüchig oder setzen sich an manchen Stellen zu, weil ihnen das Wurzelwerk von Bäumen  zusetzt. Vierling baut und liefert hierfür adaptierte Steuergeräte, die alle Komponenten zur Steuerung von Fahrwagen und Kamera enthalten. Ein integriertes Farbdisplay zeigt Bilder in Echtzeit an und praktischerweise ist das Bedienpult abnehmbar. Neben der klassischen Baugruppenfertigung erfolgt die Verdrahtung der Busplatinen und der Einbau eines 19 Zoll großen Farbdisplays. Motor und Netzteil müssen vor dem Zusammenbau noch Belastungstests (Run-in Tests) über sich ergehen lassen. Die komplette Montage nimmt rund einen Tag in Anspruch und wird durch intensive Testverfahren abgeschlossen. In der Endfertigung wird die Elektronik ins Gehäuse montiert. Zugleich werden alle zusätzlichen Module, Verkabelungen und Montageteile integriert.

Manfred Frank

ist freier Fachjournalist

(mrc)

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Unternehmen

VIERLING Production GmbH

Pretzfelder Str. 21
91320 Ebermannstadt
Germany