Megatrend

Der Megatrend Gesundheit ist geprägt durch unsere immer älter werdende Gesellschaft. (Bild: AdobeStock.com 370280351)

Niemals hatte Gesundheit einen so hohen Stellenwert wie heute. Nicht erst durch die Pandemie. Das Wissen um den menschlichen Körper und seine Funktionen wächst stetig und es zeichnet sich eine Veränderung im Verständnis von Gesundheit ab, dass durch ein steigendes Gesundheitsbewusstsein beim Einzelnen und neue Möglichkeiten in Individualdiagnostik und Therapie beeinflusst wird. Eine gesunde Lebensführung, ausreichend sportliche Betätigung und eine ausgewogene Ernährung scheinen dem Zeitgeist unserer Bevölkerung zu entsprechen. Nicht nur auf die privaten Bereiche des Einzelnen nimmt der Megatrend Gesundheit Einfluss, er auch formt die Arbeitswelt und ist Innovationstreiber für neue Produkte.

Der Megatrend Gesundheit ist geprägt durch unsere immer älter werdende Gesellschaft, denn wir befinden uns inmitten eines demografischen Wandels. Auch geht dieser Megatrend einher mit weiteren Megatrends, wie der Individualisierung. Personalisierte Medikamente aus dezentralem Tablettenfabriken können dabei helfen Therapien von Krankheiten zu optimieren. Aber auch die Digitalisierung und Robotik sind mit dem Megatrend eng verbunden. Gerade in der Pflege und Betreuung von älteren oder bedürftigen Personen kann Robotik zu einem Megamarkt werden. Schon heute kommen selbststeuernde Roboter zum Einsatz, die Transportdienste ausführen. Spezielle Pflegebetten übernehmen das Umlagern von Patienten vollautomatisch in einstellbaren Zeitintervallen. Auch in der Verwaltung ist die Automatisierung auf dem Vormarsch: Prozessorientierte IT-Systeme verknüpfen bestehende Spezialsysteme und ermöglichen den Austausch von Daten über Abteilungen und auch externe Gesundheitsversorger hinaus.

Vertrauen in Robotik wächst

Einer Studie des BMBF zu Folge, möchte jeder Vierte in Deutschland selbst von einem Roboter gepflegt werden. Und das Vertrauen in Robotik wächst. So möchten bereits über 50 Prozent der deutschen Bevölkerung, dass ein Roboter für ältere oder behinderte Menschen Tätigkeiten erledigt oder diese Gesellschaft leistet.

Roboter und insbesondere Roboterassistenten könnten die Haushaltsgeräte der Zukunft sein. Sie könnten den Erhalt des selbstbestimmten Lebens im Alter ermöglichen und als Schlüsseltechnologie der (Tele-)Medizin dem Fachärztemangel in den ländlichen Regionen begegnen. Aber ersetzen Roboter denn wirklich Pflegekräfte? Es geht explizit nicht um Roboter als Pflegeersatz, sondern um Pflegeassistenz, also um Geriatronik. Richtig eingesetzt werden Roboter als Assistenten arbeiten, denn Menschen sollen sich um Menschen kümmern. Gleichzeitig müssen aber auch diejenigen entlastet werden, die diesen wichtigen Dienst an der Gesellschaft verrichten. Es pflegen nicht die Roboter, sondern die Pflegekräfte – und zwar unterstützt von Robotern. Viel zu oft muss das Pflegepersonal Tätigkeiten erledigen, die mit der eigentlichen Pflege nichts zu tun hat. Sie benötigen also ein Hilfsmittel und Roboter könnten dabei als Werkzeug dienen. So haben Pflegekräfte wieder mehr Zeit für die direkte Interaktion mit den Pflegebedürftigen. Mit intelligenten Assistenztechnologien wird somit erreicht, dass Menschen möglichst lange ihre Selbstständigkeit erhalten, bestmöglich am gesellschaftlichen Leben teilhaben können und dabei so mobil wie möglich bleiben.

 

Robotersystem
Robotersystem helfen bei der Vitalsierung von Rehapatienten. (Bild: AdobeStock.com 271180125)

Anspruchsvollste Herstellungsverfahren automatisieren

Die Medizin- und Pharmaindustrie hat längst die Automatisierung für sich entdeckt. Zahlreiche Beispiele belegen, wie effizient und wirtschaftlich sich Prozesse in dieser Branche automatisieren lassen, aber auch welche besonderen Ansprüche dieser Bereich an die Automatisierung stellt. Dabei durchdringt die Automation sämtliche Produktionsbereiche der Pharma- und Medizintechnik und führt zu einer neuen Qualität der Prozesse mit positiven Auswirkungen für Patienten und Personal. Es gelingt den Produzenten und Anlagenbauern in enger Zusammenarbeit effiziente Automatisierungslösungen für anspruchsvollste Herstellungsverfahren zu finden, die bis dato als nicht automatisierbar galten.

An die Automatisierer werden spezifische Anforderungen und Herausforderungen gestellt, wie beispielsweise die langen Entwicklungszeiten von medizintechnischen Produkten von bis zu zehn Jahren. Am Partner in der Entwicklung zu sein und um den Kunden von Anfang an zur Seite stehen zu können braucht der Anlagenbauer also einen langen Atem. Zudem werden in der Medizintechnik besondere Anforderungen für Qualifizierung, Dokumentation, Maschinendesign, Risikoanalyse und entsprechende Testvorschriften gefordert. Dabei sind weltweit gültige Richtlinien wie GMP, GAMP oder ISO einzuhalten. Diese Anforderungen nehmen in etwa 20 bis 25 Prozent des Zeitaufwandes während der Projektlaufzeit in Anspruch. Aber auch die gesamte Produktionsumgebung mit Reinraum, Maschinendesign und Materialien sind in der Medizintechnik besonders. Deshalb haben sich standardisierte Anlagenplattformen mit bewährter Technologie durchgesetzt, die flexibel für die unterschiedlichsten Prozessanforderungen sind.

Auch hier kommen wieder Roboter ins Spiel. Im Labor kann der Roboter eine Vielzahl von Aufgaben übernehmen, die bisher dem Menschen vorbehalten schienen, wie die Bedienung von Zentrifugen oder Rütteleinheiten, das Öffnen und Schließen von Türen an Inkubatoren, Kühlschränken oder Öfen; das Einstellen und Herausnehmen von Proben sowie das Öffnen, Befüllen und Schließen von Safe-Lock- und Bechergläsern oder das Verteilen und Streichen von Flüssigkeiten mit Spateln. Ein Roboter eignet sich zum Beispiel für standardisierte Testabläufe oder auch in der Verfahrensentwicklung, zum Beispiel zur Definition, Absicherung und Optimierung von Prozessschritten vor dem Upscaling des Durchsatzes einer automatisierten Produktion. Bereits erfolgreich im Praxiseinsatz sind solche Roboter zum Beispiel in der Biomedizinsynthese (Cancer Drug Development) und in der chemischen Analytik (Probenaufbereitung).

Vitaldatenerfassung
Das erste System für die Anamnese und Vitaldatenerfassung, bei dem die unmittelbare Anwesenheit von medizinischem Personal nicht mehr erforderlich sein wird. (Bild: Fraunhofer)

Automatisierungstechnik entlastet Klinikärzte

Im Rahmen dieses Megatrends stellt sich auch die Frage, wie lässt sich das medizinische Personal in Krankenhäusern durch Digitalisierung entlasten und gleichzeitig der Patient stärker in den Fokus der Prozesse rücken? Forschende am Fraunhofer IPA untersuchten, wie Routinearbeiten im Klinikalltag digitalisiert und automatisiert werden können. In Kooperation mit dem Universitätsklinikum Mannheim und der medizinischen Fakultät realisierten sie ein erstes System für die Anamnese und Vitaldatenerfassung, bei dem die unmittelbare Anwesenheit von medizinischem Personal nicht mehr erforderlich sein wird.

Dr. Jens Langejürgen, Abteilungsleiter für Klinische Gesundheitstechnologien am Fraunhofer IPA und TEDIAS-Projektleiter berichtet: „Von den vielen möglichen Einstiegspunkten eignet sich die medizinische Patientenaufnahme am besten. Viele Folgeprozesse greifen auf die hier gesammelten Informationen zurück, sodass eine konsequente und nachhaltige Entlastung des Klinikpersonals hier beginnen muss. Wir haben uns den Ablauf dort genau angeschaut und sind auf viele Routinearbeiten gestoßen, wie etwa bei der Erfassung der medizinischen Grunddaten und der Messung von Vitalfunktionen der Patientinnen und Patienten. Diese Arbeiten lassen sich effizienter und besser gestalten.“ Zusammen mit den Ärztinnen und Ärzten am Universitätsklinikum Mannheim entwickelt und erprobt Langejürgens Team jetzt automatisierte Systeme, um diese Abläufe effizienter zu gestalten: das Test- und Entwicklungszentrum für digitale Patientenaufnahme-Systeme, kurz TEDIAS. Ziel des Projekts ist die Digitalisierung der Patientenaufnahme als ersten Schritt, um eine Grundlage für das digitale Krankenhaus der Zukunft zu schaffen.

Berührungslose Untersuchung

Mit TEDIAS sollen jetzt erstmals die Routineprozesse, die bei der medizinischen Aufnahme in eine Klinik durchlaufen werden, automatisiert und damit perspektivisch ohne medizinisches Personal durchgeführt werden. Dadurch, dass der Patient dabei stärker aktiv in den eigentlichen Aufnahmeprozess involviert wird, kann er auch besser informiert werden. Im Zentrum des neuen Systems wird eine ausgetüftelte Sensorik mit einem Avatar für die Befragung des Patienten stehen. Geplant sind unter anderem integrierte IR-Kameras zum Messen der Körpertemperatur, Sensoren zur Bestimmung der Herz und Atemfrequenz, Mikrophone zum Aufzeichnen der Atemgeräusche oder der Stimme. All diese Messungen stellen für die Betroffenen keine Belastung dar, denn sie erfolgen berührungslos oder verlangen alltägliche Handlungen wie zum Beispiel das Hinsetzen auf einen Stuhl. Die Auswertung der Daten dauert nur Sekunden. Die Ergebnisse der digitalen Erstuntersuchung können dem Arzt, der den Patienten kurz darauf empfängt, direkt auf den Monitor gespielt werden. Dafür ist eine Anbindung des Systems an die gängigen Krankenhaussysteme notwendig. Die Zeit, die bisher für die routinemäßige Eingangsuntersuchung benötigt wurde, steht nun für ein längeres Arzt-Patienten-Gespräch zur Verfügung. Falls die Ergebnisse der Untersuchung auf eine relevante Infektion hindeuten, kann das Personal auch Schutzmaßnahmen ergreifen, bevor es zu Infektionen durch den Patienten oder die Patientin im Behandlungszimmer kommt. Am Universitätsklinikum Mannheim soll bereits im nächsten Jahr das erste Reallabor zur Erprobung der neuen Technik in Betrieb gehen.

Dies sind nur einige Beispiele wie die Automatisierung den Megatrend Gesundheit beeinflusst und auch wie die Automatisierung von diesem Trend profitiert. Klar ist: Megatrends wie Gesundheit, Globalisierung, Umweltschutz und ein steigendes Wohlstandsniveau können nur durch ein höheres Maß an Automatisierung in allen Bereichen des täglichen Lebens ermöglicht werden.

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