Komplett neue Produktionsprozesse fordern die alte Anlagentechnik heraus. Kein Problem mit neuer Antriebs- und Steuerungstechnik.

Komplett neue Produktionsprozesse fordern die alte Anlagentechnik heraus. Kein Problem mit neuer Antriebs- und Steuerungstechnik.Fotolia.com

Bei konventionellen Strukturtapeten kommen zum Bedrucken und Strukturieren der Oberfläche PVC-haltige Farben und Schäume zum Einsatz. Sie sind gut zu verarbeiten, da sie an der Luft fast beliebig lange offen bleiben können. Die umweltfreundlichen, PVC-freien und lösungsmittelarmen Pendants der wasserbasierten Farbsysteme trocknen nicht nur an der Luft schnell aus, sondern führen auch dazu, dass die bedruckbare Breite kleiner ist als bei konventionellen Farbsystemen. Denn das Tapetenpapier nimmt Wasser auf, bildet Wellen und dehnt sich leicht aus. Dadurch entstehen zum Beispiel beim Mehrfarbendruck Schatten. Aber genau diese umweltfreundlicheren Tapeten werden mehr und mehr von den Kunden angefragt.

Deswegen sieht Ralf Taubert, Betriebsleiter von Hohenberger, die Zukunft seines Betriebs und der Branche trotz der Einschränkungen eng mit den PVC-freien Strukturtapeten verknüpft: „Bisher werden mineralische Schaumtapeten auf Wasserbasis wegen ihres im Vergleich zu konventionellen Vinyltapeten deutlich höheren Preises nur von besonders qualitäts- und gesundheitsbewussten Verbrauchern gekauft. Der anhaltende Trend zu wohngesunden Materialien und auch gesetzliche Vorgaben werden aber dazu führen, dass Bewegung in den Markt kommt.“ Die Verantwortlichen bei Hohenberger hatten sich deswegen dazu entschlossen, eine bestehende Produktionslinie durch eine neue, speziell auf die Belange wasserbasierter Farbsysteme zugeschnittene Anlage zur Produktion mineralischer Schaumtapeten zu ersetzen.

Modernisierung verringert Investitionsrisiko

„Der Kauf einer komplett neuen Anlage kam für uns wegen der außerordentlich hohen Investitionssumme und des damit verbundenen finanziellen Risikos nicht in Frage“, erläutert Taubert. „Und fast noch entscheidender ist: Eine solche Anlage von der Stange hätte nur sehr bedingt auf unsere individuellen Anforderungen zugeschnitten werden können.“ Das Management entschied sich daher für eine Anlage, bei der bewährte und funktionstüchtige Module der Vorgängeranlage sowie zugekaufte, gebrauchte Anlagenteile, wie Druckwerke oder Wendewickler, und neue mechanische Komponenten mit moderner Antriebs- und Steuerungstechnik zu einer maßgeschneiderten Lösung zusammengefügt werden sollten.

Als Technologiepartner für die Automatisierung der Anlage holte sich Hohenberger den Antriebs- und Steuerungsspezialisten Lenze ins Boot. „Lenze wurde uns von befreundeten Unternehmen ans Herz gelegt und hat sich auch durch die erfolgreiche Abwicklung vergleichbarer Projekte empfohlen“, begründet Taubert die Wahl. „Ein entscheidender Punkt war auch, dass wir bei Lenze das komplette Automatisierungssystem einschließlich des Engineerings aus einer Hand bekommen konnten.“

Der Controller ist die zentrale Anlegen- und Motion-Steuerung.

Der Controller ist die zentrale Anlegen- und Motion-Steuerung.Lenze

Maßgeschneiderte Lösung senkt Produktionskosten

Die Engineering-Abteilung von Lenze hat das Ausarbeiten und Realisieren der Automatisierungslösung komplett übernommen – von der Auswahl und Auslegung der Antriebe über die Programmierung der Steuerungs- und Visualisierungsanwendung bis hin zum Schaltschrankbau. Nach vier Monaten Bauzeit konnte die Anlage innerhalb von 14 Manntagen in Betrieb genommen werden. Das Herz der Anlage bilden drei Siebdruckwerke und eine Prägestation.

Die Abwicklung des Bedruckstoffs erfolgt über einen von Hohenberger entwickelten Wendewickler. Nachdem ein Drucker eine Referenzdruckmarke aufgebracht oder erfasst hat und ein Einlaufwarenspeicher durchlaufen wurde, erreicht die Tapete das erste der drei Siebdruckwerke der Anlage. Jedem Druckwerk sind eine Bahnkantensteuerung und ein Trockner zugeordnet. Nach dem dritten Druckwerk wird das Material in einem größeren Heißkanal vorgetrocknet und dann geschäumt. Daran schließt sich ein Prägewerk an, das zur weiteren Strukturierung der Tapete verwendet wird. Nach der Besäumung der Ränder durchläuft die fertige Tapete schließlich einen Auslaufwarenspeicher, bevor sie von einem eigenständig arbeitenden Wickler zu Rollenware konfektioniert wird.

An jedem Druckwerk ist eine Bedieneinheit installiert, mit der alle Bearbeitungsstationen der Anlage überwacht und gesteuert werden können. Zum Einsatz kommen zwei Touchpanels aus der Geräteserie EL 100 und ein Panel-PC vom Typ P500 aus der Embedded Line von Lenze, auf dem auch die Visualisierung der Anlage läuft. „Wir konnten damit die noch bei der Vorgängermaschine übliche Tastenbedienung durch eine reine Touch-Bedienung ablösen“, fügt Ralf Taubert an. „Dies entspricht dem Stand der Technik und hat es uns zudem erlaubt, die Oberfläche exakt nach unseren Vorstellungen und selbsterklärend zu gestalten. Dies heißt für uns, dass wir unser Personal flexibler einsetzen können.“

Die Bedieneinheiten sind über Ethernet TCP/IP mit der zentralen Anlagen- und Motion-Steuerung vernetzt, einem Controller 3200 C. Für die nötige Dynamik und Präzision im Druckprozess sorgen 13 Lenze-Servomotoren mit Resolver in Verbindung mit Invertern aus der Gerätefamilie Servo Drives 9400. Sie sind für den zuverlässigen und schonenden Transport der Papierbahn durch die Maschine ebenso verantwortlich wie für die jeweils drei Antriebe der Druckwerke (Zugantrieb, Bahnkantensteuerung, Kühlwalzenantrieb) und des Prägewerks. Über die integrierten Digital-I/Os der Servo Drives 9400 sind die Registersensoren angekoppelt, was einen schnellen Regelkreis für die Bahnkantensteuerung ermöglicht.

Wegen der hohen Achsanzahl sowie der erforderlichen Dynamik und Genauigkeit der Bewegung haben die Lenze-Ingenieure sich für Ethercat als Motion-Bus entschieden. Über den Ethernet-basierten Kommunikationsbus sind zudem vier Umrichter vom Typ Inverter Drives 8400 an die Steuerung angebunden. Sie versorgen die Motoren der zentralen Zuluft- und Abluftventilatoren der Trockner sowie des Besäumungssystems und des Warenspeichers am Auslauf der Anlage. Auf der Feldebene konzentrieren Module des I/O-Systems 1000 die Sensorsignale und leiten sie über ein Ethercat-Buskopplermodul an die Steuerung weiter.

Die Servoumrichter sind das Herzstück der neuen Tapetenanlage.

Die Servoumrichter sind das Herzstück der neuen Tapetenanlage.Lenze

80 % weniger Abfall und höhere Produktionsgeschwindigkeit

„Die mit der Lenze-Servo-Technik erreichte Durchgängigkeit, die hohe Präzision und die ausgezeichneten Gleichlaufeigenschaften sowie die Beschränkung auf eine einfache Druckbreite von maximal 640 mm haben es ermöglicht, dass wir die sonst mit wasserlöslichen Farben verbundenen Probleme beseitigen konnten“, resümiert Ralf Taubert.

Um die nachteiligen Auswirkungen der vergleichsweise geringen Druckbreite auf die Produktionskosten auszugleichen, galt es ferner, den Ausstoß der Maschine gegenüber der Vorgängermaschine zu steigern. Dieses Ziel wurde durch mehrere Maßnahmen erreicht. So ließ sich die Durchlaufgeschwindigkeit aufgrund der höheren Dynamik und Reaktionsgeschwindigkeit des Antriebsystems von 50 auf 70 m/min anheben. Da wegen der durchgehend elektrischen Welle schneller einrapportiert werden kann, entsteht weniger Ausschuss, weil die einzelnen Farben nach einem Produktwechsel schneller übereinstimmen und so Prozessschwankungen besser ausgeglichen werden. Eine Rezeptverwaltung sorgt dafür, das einmal als gut befundene Einstellungen beliebig oft und ohne lange Justagen erneut verwendet werden können. Gleichzeitig ist die Anlage mit einer Gesamtlänge von 40 m kürzer als konventionelle Siebdruckanlagen, sodass sich weniger Papier in der Maschine befindet und deshalb weniger Makulatur auftritt. „Durch diese Schritte haben wir den Ausschuss um 80 Prozent gesenkt“, freut sich Ralf Taubert. „Darüber hinaus können wir auf dieser Anlage jetzt zum Beispiel im kostengünstigen Flexodruck vorbedruckte Papierbahnen problemlos weiterverarbeiten und veredeln. Damit drücken wir die Produktionskosten zusätzlich.“

Zu den geringeren Produktionskosten trägt auch bei, dass das Belüftungssystem jetzt mit drehzahlgeregelten Antrieben bedarfsgerecht arbeitet, Bremsenergie wieder eingespeist und Wärme aus der Abluft zurückgewonnen wird. Es lassen sich daher auf der Anlage bereits Auflagen ab 300 Rollen aber auch Großserien wirtschaftlich fertigen.

Thomas Baier

arbeitet im Vertrieb der Lenze Engineering GmbH & Co KG in Hameln.

(mf)

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Lenze SE

Hans-Lenze-Straße 1
31855 Hameln
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