Wenige Kilometer von Bern entfernt ist in Oberdiessbach seit 1958 ein Hidden Champion der Primärverpackungsindustrie beheimatet: Neopac The Tube. Zum Kundenkreis des Verpackungsspezialisten gehören Unternehmen aus der Pharma-, Kosmetik- und Dentalbranche sowie aus der Nahrungsmittel-, Chemie- und Technik-Industrie.
Insbesondere die bereits 1965 erfundene und ständig weiterentwickelte Polyfoil-Tube ist in diesen Kundenkreisen bis heute eine der bevorzugten Lösungen, wenn es um die Verpackung empfindlicher Produkte geht. Wie schon der Name nahelegt, ist für diesen Tubentyp ein mehrschichtiger Aufbau charakteristisch, wobei eine der inneren Lagen aus Aluminium besteht. Seit 2003 bietet Neopac Polyfoil-Tuben mit 10 mm Durchmesser auch für Pharma-Anwendungen an. Dafür wurde ein Reinraum sowie eine komplette Tubenproduktionsanlage aufgebaut.
Auf die Schnelle
- Primärverpackungshersteller setzt für seine Reinraum-Maschinen auf die Vorteile von Linearmotoren: abriebsarm, wenig Schmierung und einfach zu reinigen.
- Zudem profitiert er bei Flexibilität, Verfügbarkeit und Rückverfolgbarkeit der Produktionsprozesse
Bis eine Tube den Reinraum verlassen kann, muss sie zahlreiche Produktions- und Prüfschritte durchlaufen. Dabei wird zuerst Laminatfolie zu einem zylindrischen Endlosröhrchen verschweißt und in einem Extrusionsprozess mit Polyethylen oder Polypropylen ummantelt. Anschließend wird das Endlosröhrchen auf Länge geschnitten, ein Kopf drauf gespritzt und anschließend der Tubenrumpf bedruckt. Auf einer weiteren Station wird der Tubenanguss abgeschnitten und der Verschluss aufgeschraubt oder aufgeprellt. Eine Verpackungsmaschine übernimmt das Finishing der Tuben.
Kurze Umrüstzeiten bei Chargen von 10 000 bis mehreren Millionen
Zum Standardprogramm von Neopac gehören Köpfe in Form von Kanülen mit Schraubverschluss, Verschlüsse mit Kindersicherung oder mit Erstöffnungssiegel. Insgesamt kann der Anwender aus 200 Varianten sowie kundenspezifische Lösungen wählen.
„Die Anlagen müssen wegen der großen Variantenvielfalt äußerst flexibel sein“, erklärt Petar Djurdjevic, Projektleiter bei Neopac. „Hier sind kurze Umrüstzeiten wichtig, zumal der Anteil an Aufträgen mit kleinen Stückzahlen von einigen Tausend Tuben zunimmt.“ Eine komplette Produktumstellung, die auch den Tubendurchmesser mit einschließt, darf nicht länger als drei Stunden dauern, so hat es Neopac dem Anlagenhersteller ins Lastenheft der Anlage geschrieben. Gleichzeitig muss die Anlage in der Lage sein, Chargen mit mehreren Millionen Tuben in einigen Tagen zu bewältigen. Ohne den Einsatz leistungsfähiger Linearmotoren in der Verschließmaschine wären diese Zielvorgaben nicht zu erreichen.
Ausstoß von 300 Tuben pro Minute
Mit einer Grundfläche von etwa 3 x 3 Metern bietet die bei Neopac verbaute modulare Verschließmaschine Raum für bis zu sechs unterschiedliche, um ein rotierendes Karussell angeordnete Bearbeitungsstationen. Die über Kettenstifte zur Verschließmaschine transportierten Tuben laufen in eine Vakuumtrommel ein. Von dort setzt sie eine angeschlossene Übergabestation auf drehbare Vakuum-Dorne an der Kreisaußenlinie des Karussells, die dann den Transport durch die Maschine übernehmen und die Tuben bei Bedarf in Rotation versetzen. In der ersten Bearbeitungsstation wird der Anguss abgeschnitten und die Tube dann in weiteren Stationen in Dreh- oder Aufprellprozessen mit dem Verschluss versehen und zum Schluss zum Ausschleusen von den Vakuum-Dornen in einer Entladestation abgestreift. Zahlreiche Sensoren und industrielle Smart-Kameras überwachen den Prozess. Dabei werden jeweils drei Tuben gleichzeitig mit einer Zykluszeit von 0,6 Sekunden unter Zuhilfenahme von Linmot-Linearmotoren umgesetzt beziehungsweise in den Stationen bearbeitet. Das entspricht einem maximalen Ausstoß der Verschließmaschine von 300 Tuben pro Minute.
Flexibel, kraftvoll und schnell mit Direktantriebstechnik
Insgesamt 13 Linmot-Linearmotoren mit einem Stator vom Typ PS01-48x240F-C verrichten in den Stationen Positionier- und Aufprellaufgaben. Der Stator ist aufgrund einer speziellen Motorwicklung in der Lage, bei einer Nennkraft von 240 N eine Maximalkraft von bis zu 572 N zu entwickeln. Der maximale Hub beträgt 1 830 mm, bei maximalen Verfahrgeschwindigkeiten von 2,9 m/s. Entsprechend dynamische, kraftvolle und schnelle Bewegungen lassen sich mit diesen Motoren realisieren. Regler aus der Serie C1150 steuern die Achsen in der Verschließmaschine, wobei sie über Profinet mit der Maschinensteuerung kommunizieren.
„Zu den größten Vorteilen der Linearmotoren gehört aus unserer Sicht, dass sich Bewegungs- und Kraftverläufe frei programmieren und überwachen lassen“, erklärt Petar Djurdjevic. „Dank dieser Flexibilität können wir die Hubbewegung des Linearmotors beliebig gestalten und flexibel an die Erfordernisse des Produkts anpassen, sodass die Mechanik rund um den Motor bei einem Produktwechsel unangetastet bleiben kann.“
Dazu muss der Maschinenführer nur die entsprechenden Parameter für Verfahrwege und Anfahrpositionen gemäß dem Produktdatenblatt via Maschinenbedienoberfläche eingeben oder über ein vorbereitetes Rezept aufrufen. „Dabei können wir für die Parameter jeweils eigene Toleranzfelder festlegen. Werden diese überschritten beziehungsweise nicht erreicht, gibt es eine Fehlermeldung und wir schleusen die betroffenen Tuben gezielt aus. Damit unterstützen uns die Motoren bei der Sicherung der Qualität und der Rückverfolgbarkeit“, fügt Petar Djurdjevic an.
Weil sich die Motoren positions- oder kraftgeregelt betreiben lassen, war es zudem möglich, den gleichen Linearmotortyp zum einen in der Aufschraubstation für das Positionieren von Schraubverschlüssen und zum anderen in der Aufprellstation für das Aufpressen von Verschlüssen zu verwenden. Dies bedeutet für den Hersteller beziehungsweise Neopac weniger Aufwand für Lager- und Ersatzteilhaltung.
Zum Einsatz im Reinraum geeignet
Für die Produktion von Tuben im Reinraum zudem ganz entscheidend: Anders als bei einer Linearbewegung mit Kugelspindelantrieben oder einer Kombination aus Servomotoren und Zahnriemen fällt bei den Linearmotoren so gut wie kein Abrieb an. Zudem sind die Linmot-Linearmotoren und die unterstützenden Linearführungen auch ohne Einhausung FDA-konform und sehr wartungsarm. „Wir reinigen und kontrollieren die Motoren und Führungen alle vier Wochen“, fügt Petar Djurdjevic an. „Da gibt es so gut wie nie etwas nachzuschmieren und wenn, dann nur winzige Mengen.“
Ein weiterer Pluspunkt für Betreiber von Anlagen wie Neopac ist die hohe Verfügbarkeit der Direktantriebstechnik aus der Schweiz. „Seit der Inbetriebnahme der ersten Reinraumanlage 2003 haben wir keine nennenswerten Ausfälle oder Probleme mit den Linmot-Produkten erleben müssen. Wir sind rundum zufrieden“, fasst Djurdjevic seine langjährigen Erfahrungen im Umgang und Einsatz mit der Linearmotortechnik zusammen.