Mithilfe ausgefeilter Sensorik kann die Drohne des IPH auch ohne Satellitennavigation in schwierigen Umgebungen wie Fabrikhallen autonom fliegen.

Mithilfe ausgefeilter Sensorik kann die Drohne des IPH auch ohne Satellitennavigation in schwierigen Umgebungen wie Fabrikhallen autonom fliegen. (Bild: Susann Reichert / IPH gGmbH)

Eine Drohne, die in unbekannten Innenräumen autonom fliegen kann, haben Forschende am Institut für Integrierte Produktion Hannover gGmbH (IPH) im Projekt „Autodrohne in der Produktion“ entwickelt. Zur Navigation nutzt sie bordeigene Sensoren, die das Satellitennavigationssystem GPS ersetzen.

Im Forschungsumfeld funktioniert der Indoor-Drohnenflug, marktreif ist das System allerdings noch nicht – weil die Forschenden auf unerwartete Sicherheitsprobleme gestoßen sind, die weiter untersucht werden müssen.

Wofür braucht man eine Drohne in der Produktion?

Laut der Website des Projektes „Autodrohne in der Produktion“ geht es bei dem Fluggerät nicht um einen direkten Einsatz in Produktionsprozessen. Stattdessen soll es die „Autodrohne" in Zukunft ermöglichen, die Datenerfassung im Rahmen von Fabrikplanungsprozessen deutlich schneller und mit weniger Personalaufwand durchzuführen. Die Drohne fliegt autonom durch Fabrikhallen und erstellt ein virtuelles Modell, das anschließend als Grundlage für Fabrikplanungsprojekte dienen kann.

Wie die Layouterfassung per Drohne funktioniert, zeigt das folgende Youtube-Video des IPH (dabei kam noch ein ferngesteuertes Fluggerät zum Einsatz):

Warum kann die Autodrohne kein GPS verwenden?

GPS funktioniert nur unter freiem Himmel, das Signal kann kaum in Gebäude eindringen. Unbemannte Luftfahrtsysteme (engl. Unmanned Aircraft System, UAS) können sehr zuverlässig navigieren, solange sie draußen fliegen. In geschlossenen Räumen würden sie außer Kontrolle geraten und abstürzen. Für den Drohnenflug im Indoor-Bereich ist daher eine völlig andere Art der Navigation notwendig.

Wie hat Indoor-Navigation mit einer Computermaus zu tun?

Die Indoor-Navigation funktioniert nach dem Prinzip einer Computermaus. Mithilfe eines sogenannten Optical-Flow-Modules und einer Kamera, die auf den Boden gerichtet ist, bestimmt die „Autodrohne“ ihre Position. Wenn sie sich bewegt, erkennt sie die relative Abweichung von ihrer Ausgangsposition.

Für Flugstabilität sorgt darüber hinaus die Inertial-Measurement-Unit (IMU): Sie misst unter anderem die Beschleunigung und Orientierung während des Fluges. Die IMU und das Optical-Flow-Module ersetzen gemeinsam das GPS.

Wie kann die Drohne in unbekannten Räumen navigieren?

Um den autonomen Flug in unbekannten Innenräumen zu ermöglichen, ist die Drohne zusätzlich mit einem LiDAR-Sensor zur automatisierten Kollisionsvermeidung ausgestattet – einem Laser-Scanner, der Hindernisse erkennt und somit verhindert, dass die Drohne gegen Wände, Regale oder Maschinen fliegt.

Doch beim Start kennt sie nur ihre unmittelbare Umgebung. Während des Fluges erkundet sie Stück für Stück den Raum und der Bordcomputer erstellt in einem 3D-Raster automatisiert eine Karte, die kontinuierlich erweitert wird.

Damit die Erkundung des Raumes systematisch ablaufen kann, haben die Forschenden zwei Algorithmen implementiert: Den A*-Algorithmus zur Planung von Wegstrecken sowie einen selbst entwickelten Punktwolkenfilter. Dieser identifiziert Randbereiche der Karte und unterscheidet zwischen festen Grenzen und offenen Rändern. Der Punktwolkenfilter legt einen Punkt am offenen Rand als Zielposition fest, der A*-Algorithmus plant die Route von der aktuellen Position der Drohne zu dieser Zielposition.

Ist die Zielposition erreicht, legt der Punktwolkenfilter ein neues Ziel fest – so lange, bis sich im Randbereich der Karte nur noch feste Grenzen wie beispielsweise Wände, Regale oder Maschinen befinden. Dann ist der gesamte Raum erkundet.

Und das funktioniert?

Im Forschungsumfeld funktioniert der autonome Drohnenflug – für den Einsatz in der industriellen Praxis müssen aber noch einige Hürden überwunden werden. Denn bei der Entwicklung des Sicherheitskonzepts sind die Forschenden auf Risiken gestoßen, die den Markteinsatz derzeit noch verhindern und weitere Forschung notwendig machen.

Woran hakt es beim Praxiseinsatz der Autodrohne noch?

Die größte Hürde, auf die die Forschenden gestoßen sind, ist die geringe Elektromagnetische Verträglichkeit (EMV) einiger Navigationssensoren. Elektromotoren von Maschinen oder Gabelstaplern, stromdurchflossene Leiter, größere Metallansammlungen – all das kann die Navigationsfähigkeit einer Drohne sehr stark einschränken und im schlimmsten Fall zum Absturz führen. In Industrieumgebungen lassen sich solche elektromagnetischen Störungen nicht verhindern.

Der Autor: Peter Koller

Peter Koller
(Bild: Hüthig)

Gelernter Politik-Journalist, heute News-Junkie, Robotik-Afficionado und Nerd-Versteher. Peter Koller liebt den Technik-Journalismus, weil es das einzige Themengebiet ist, wo wirklich ständig neue Dinge passieren. Treibstoff: Milchschaum mit Koffein, der ihn bei seiner neuen Aufgabe als Chefredakteur der IEE unterstützt.

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