Bis zu 14.000 Teile lagert der Hersteller von Kunststoff verarbeitenden Maschinen Kiefel in seinem neuen Hochregallager, das aus zwölf Hochregaltürmen des Herstellers Kardex besteht. Die Lagerfläche beträgt rund 1.400 m², die Grundfläche des Lagers 120 m². “Wir wollten mehr Lagerfläche auf weniger Grundfläche als bisher realisieren und unser Lager dabei komfortabler gestalten”, beschreibt der Logistik-Leiter Robert Hammer die wesentlichen Ziele für den Wechsel zu einem Hochregalsystem.
Die Art und Größe der eingelagerten Teile können stark variieren: „Das kann vom Aufkleber über kleine Schalter und andere Kleinteile bis hin zu Werkzeugen, Motoren und Schüttgut nahezu alles sein“, erläutert der Logistikleiter. Beim Einlagern auf die Tablare mit einer Fläche von rund 300 x 80 cm spielt neben der Größe auch das Gewicht der eingelagerten Teile eine Rolle. Jedes der bis zu 48 Lager-Tablare pro Turm darf höchstens mit 850 kg belastet werden. „Aus diesem Grund reicht es nicht, ein Tablar mit einer ausreichend großen Fläche zu finden, wenn neue Teile eingelagert werden sollen“, sagt Hammer. „Wir müssen auch das bereits eingelagerte Gewicht jedes Tablars wissen, damit wir beurteilen zu können, ob der ausgewählte Lagerplatz für die hinzukommenden Teile geeignet ist oder nicht.“ Nur wenn die Fläche ausreicht und die Gesamtlast pro Tablar das jeweilige Maximum von 850 kg nicht überschreitet, kann der Lagermitarbeiter die neuen Teile einlagern.
Eckdaten
Das Maschinenbauunternehmen Kiefel hat in seinem neuen Hochregallager ein Kamerasystem installiert, das Bilder der mehr oder weniger stark beladenen Regalplätze (Tablare) macht.
Zwei Kameras in jedem Regalturm nehmen Bilder der Tablare mit ihrer Beladung unmittelbar nach dem Ein- oder Auslagern von Teilen auf.
Das Bildaufnahmesystem erfragt auch das Beladungsgewicht des Tablars über die Steuerung des Hochregals.
Beim Durchsehen der Tablar-Bilder mit den zugehörigen Beladungsgewichten auf dem Monitor (durch einfaches Scrollen) kann ein Lagermitarbeiter erkennen, auf welchem Tablar wieviel Platz zur Einlagerung neuer Teile ist.
Größe und Gewicht müssen passen
Die aktuelle Gewichtsinformation jedes Tablars errechnet das System des Hochregalherstellers über den Strombedarf der Motoren, welche die ein- oder ausfahrenden Tablare bewegen. Der Lagermitarbeiter sieht die aktuell eingelagerten Gewichte der Tablare zur einfacheren Handhabung in drei Ampelfarben, wobei er die jeweiligen Gewichtsbereiche selbst festlegen kann. Das Gewicht eines neu einzulagernden Teils muss der Lagermitarbeiter abschätzen. „Ein Standardsystem, mit dem auch die freien Flächen erkannt werden können, gibt es auf dem Markt nicht“, erläutert Hammer. „Deshalb haben wir zusammen mit Gregor Philipiak und seiner Firma phil-vision in München ein Bildaufnahmesystem entwickelt, mit dessen Hilfe wir die freien Flächen auf den Tablaren identifizieren können.“
Stets aktuelle Bilder von den Regalplätzen
‚VIS.tray‘ lautet der Name dieses Systems, das auf Standardkomponenten zur Bildverarbeitung des Technologie-Lieferanten Stemmer Imaging aufgebaut ist. Philipiak hat bei dieser Entwicklung eng mit dem Hochregalhersteller Kardex zusammengearbeitet, um diese optischen Systeme bestmöglich in die Hochregaltürme zu integrieren. Zwei Kameras an der Ein- und Ausgabestation des Hochregals sorgen für die Bilderfassung der Tablare von oben und speichern die Bilder des aktuellen Beladungszustandes; das Beladungsgewicht des Tablars wird über die Steuerung des Hochregals erfragt. Diese Bilder sowie die Information über die Zuladung werden jeweils in der Datenbank abgelegt. Über das Scrollen der Bilder kann ein Lagermitarbeiter dann erkennen und entscheiden, auf welchem Tablar genügend Platz für die Einlagerung der neuen Teile ist.
Liegt das Gewicht der bereits eingelagerten Teile und der neu hinzukommenden unterhalb der Höchstzuladung, dann kann der Mitarbeiter das ausgewählte Tablar über einen Touchpanel-PC mit einem Click an die Ein- und Ausgabestation anfordern. Jetzt darf er die neuen Teile einlagern. Bevor das Tablar mit den neuen Waren wieder in das Hochregal einfährt, nehmen die beiden Kameras ein neues Bild des Tablars auf und speichern es in der Datenbank durch Überschreiben des vorherigen Bildes. Auf diese Weise zeigen alle Bilder stets den aktuellen Stand.
Standardkomponenten zur Bildaufnahme
Die Wahl der geeigneten Komponenten für dieses Bildaufnahmesystem, das an den Ausgabestationen der Kardex-Türme montiert wird, war keineswegs einfach: Die Kamera muss die gesamte Breite der Tablare von rund 300 cm x 80 cm aus einem geringen Abstand erfassen. Und der Platz für die Anbringung der Kamera ist begrenzt. „Wir hatten zuerst die Idee, eine Kamera pro Turm an einer verfahrbaren Achse zu befestigen – doch das wäre mechanisch zu aufwändig geworden. Außerdem hätte dieser Weg bei der Bildaufnahme deutlich mehr Zeit beansprucht“, erinnert sich phil-vision-Gründer Philipiak.
Die bessere Lösung ist ein System aus zwei Farbkameras mit Fischauge-Objektiven …
Die damit aufgenommenen Bilder sind jedoch aufgrund der Projektionsweise dieser speziellen Weitwinkel-Objektive verzerrt. Philipiak entwickelte einen Algorithmus, der die beiden Bilder zunächst entzerrt und dann zusammensetzt. „Diese gestitchten Bilder zeigen die gesamte Ablagefläche des jeweiligen Tablars, unverzerrt und in Farbe“, erklärt Philipiak. Diese Bilder werden dann im System abgelegt.
Bei der Auswahl der Bildverarbeitungskomponenten wandte sich Philipiak, ein langjähriger ehemaliger Mitarbeiter von Stemmer Imaging, an seinen früheren Arbeitgeber. Für die ersten Systemtests erhielt sein Unternehmen leihweise verschiedene Komponenten. Vertriebsingenieur Christian Berg von Stemmer Imaging: „Für unsere Kunden hat dies den Vorteil, dass sie die Bildverarbeitungssysteme vor dem Einbau in Anlagen oder Maschinen auf Herz und Nieren untersuchen können. So sind sie sicher, dass die gewählte Zusammenstellung die Aufgabe wirklich erfüllt.“
Die bei Kiefel installierten Systeme enthalten pro Turm zwei GigE-Vision-Kameras Genie Nano von Teledyne Dalsa mit je einem Fischauge-Objektiv von Goyo. Die Kameras sind an einen Embedded-Multitouch-PC von Vecow für den jeweiligen Hochregal-Turm angeschlossen. Eine eigene Beleuchtung war für die Kameras nicht erforderlich: Das Licht der integrierten LED-Lampen in den Hochregaltürmen reicht völlig aus, um Bilder in der benötigten Qualität aufzunehmen.
Für die Kamera Genie Nano entschied sich Philipiak aus mehreren Gründen: „Sie bietet die erforderliche Auflösung von 1280 x 1024 Pixel und die nötige Geschwindigkeit, um die Bilder innerhalb der 50 Millisekunden aufzunehmen, die zwischen dem Signal zum Einfahren eines Tablars und dem tatsächlichen mechanischen Vorgang liegen.“ Außerdem, so Philipiak, ist sie „aufgrund ihrer kompakten Bauform gut über der Ein- und Ausgabestation der Tablare installierbar – und preislich sehr attraktiv.“ Die Objektive mit der geringen Brennweite waren aufgrund des geringen Arbeitsabstandes erforderlich. Und die Embedded-PCs erfüllten mit ihrer Leistung und den vorhandenen Schnittstellen alle Bedürfnisse dieser Anwendung. Für den Software-Part zum Entzerren und Stitchen der beiden Teilbilder setzt Philipiak auf die Bildverarbeitungsbibliothek Common Vision Blox von Stemmer Imaging
Bedienoberfläche nach Kundenwunsch
Als aufwändig stellte sich während der Installation die Ansteuerung zwischen Hochregal und Bildaufnahmesystem dar. Hier arbeiteten phil-vision und Kardex sehr eng zusammen, um das System so wie von Kiefel gewünscht zu verwirklichen. Den Feinschliff bezüglich der Bedienung der Anlage übernahm Philipiak. Er erstellte eine spezifische Benutzeroberfläche, die der Kiefel-Logistikleiter Hammer erdacht hatte. Die übersichtliche Darstellung der Platz- und Gewichtsverhältnisse auf den Tablaren trägt stark dazu bei, dass freie Lagerplätze für neu einzulagernde Teile sehr schnell gefunden werden. Hammer dazu: „Das spart meinen Kollegen viel Zeit und hat sicher dabei geholfen, dass das neue Lagersystem sehr schnell von allen Beteiligten akzeptiert wurde.“
Ein weiterer Pluspunkt des Bildaufnahmesystems ist laut Hammer, dass die Mitarbeiter bei einer eventuellen Fehlbedienung den Fehler beziehungsweise das Problem sehr schnell beheben können. Wird beispielsweise ein Teil versehentlich eingelagert, ohne vorher gescannt zu werden, lässt es sich recht schnell wieder finden. Statt alle Tablare einzeln zur Ausgabestation fahren zu lassen braucht man nur die aktuellen Bilder der Tablare nach dem vermissten Teil am Monitor durchzusehen.
Zusätzlich zu den 12 Bildaufnahmesystemen für das Hochregallager in Freilassing hat phil-vision inzwischen zwei weitere in Tschechien und in der Slowakei für Tochterunternehmen von Kiefel in Betrieb genommen. An drei weiteren Kiefel-Standorten in Europa sollen diese Systeme ebenfalls installiert werden.
Programmierbibliothek Common Vision BLOX
Vor 20 Jahren hat Stemmer Imaging die modulare Programmierbibliothek Common Vision Blox (CVB) auf den Markt gebracht und seither stetig weiter entwickelt. Sie erlaubt es, anspruchsvolle Bildverarbeitungslösungen unabhängig von den Hardware-Komponenten zu entwickeln. Die Programmierbibliothek verfügt über grundlegende Funktionen zur Bilderfassung, zum Bildzugriff, zur Bildanzeige, Koordinatentransformation, Bildnormalisierung und vieles mehr. Heute wird diese Programmierbibliothek weltweit in mehr als 80.000 Anwendungen eingesetzt und zählt damit zu den meistgenutzten Software-Plattformen für die Bildverarbeitung. Ergänzt wird diese Programmierbibliothek durch die CVB CameraSuite, eine betriebssystem-unabhängige Bibliothek von Hilfsprogrammen, um Programme und Anwendungen für GigE Vision- und USB3 Vision-kompatible Kameras zu entwickeln und das Programm in eine grafische Benutzeroberfläche einzubinden.