Christian Schlegel, Geschäftsführer des HMS-Technologie-Centers Ravensburg; HMS-Geschäftsführer Michael Volz und Vertriebsleiter Thilo Döring (vlnr)

Christian Schlegel, Geschäftsführer des HMS-Technologie-Centers Ravensburg; HMS-Geschäftsführer Michael Volz und Vertriebsleiter Thilo Döring (vlnr)






(Bild: Redaktion IEE)

Herr Döring, als Vertriebsleiter kommen Sie gewissermaßen direkt von der Front. Wie wird in der Industrie, bei den Endanwendern das Thema OPC UA und damit auch ein stückweit das Internet of Things und Industrie 4.0 gesehen? Und wie stellt sich HMS hier auf?

Döring: Nicht nur das Interesse ist vorhanden, es gibt konkrete Anfragen zu unseren IT/OT-Gateways, vor allem von Maschinenbauunternehmen, aber auch von System­integratoren, die Maschinen und Anlagen an die IT-Welt anbinden wollen. Wir spüren hier großes Interesse. Inwieweit das bei den Endkunden in der Fertigung letztendlich schon angekommen ist, lässt sich im Detail noch nicht sehen.

Volz: Im Moment sehen wir sehr viele verschiedene Trends. Der Markt ist in Bewegung. Hier sorgt unser Konzept mit den austauschbaren Kommunikationsmodulen gleichermaßen für Flexibilität und Stabilität. Anwender, die bereits eine Anybus-Schnittstelle in ihren Geräten oder Steuerungen implementiert haben, können bei Bedarf auf ein anderes System wechseln. Sie profitieren von unserem Know-how und brauchen sich keine Gedanken machen, ob gerade Ethernet Time Sensitive Networking hoch im Kurs steht oder OPC UA künftig ein Pflicht-Interface sein wird. Mit einem Modulwechsel sind sie wieder aktuell.

Döring: Das hat in dieser Form eigentlich keiner unserer Wettbewerber mit seinen Chiplösungen oder Stacks. Für diese Vielfalt, die gerade in den Markt drängt, ist das von Nachteil, da man bei jeder weiteren Kommunikationstechnologie wieder neu mit der Entwicklung anfangen muss.

"Interchangeability und Plug and Play sind für uns selbstverständlich." Christian Schlegel

"Interchangeability und Plug and Play sind für uns selbstverständlich." Christian Schlegel Redaktion IEE

IT/OT-Gateways, was verstehen Sie darunter konkret?

Döring: IT/OT-Gateways sind die Brücke zwischen der industriellen IT und der Operational Technology-Ebene, also der Steuerungsebene, auf der sich üblicherweise die SPS-Programmierer tummeln. Es ist kein Geheimnis, dass beide Bereiche unterschiedlich ticken und funktionieren. Der typische SPS-Programmierer arbeitet eben mit anderen Programmiersprachen, Datenworten, Bytes sowie digitalen und analogen I/Os. Der IT-Mann wiederum programmiert auf einem ganz anderen Level und spricht eine ganz andere Sprache.

Volz: Wir bringen diese Welten mit unserer Technologie nun zusammen. Das .Net-Gateway beispielsweise, ermöglicht es dem IT-Programmierer in seiner typischen Programmierumgebung – im Regelfall .Net, C# – auf die Daten aus der Steuerung zuzugreifen. Dabei kann der SPS-Programmierer festlegen, welche Daten letztendlich in der IT-Welt zur Verfügung stehen sollen.

Wo ist hier das SmartGrid-Gateway einzuordnen?

Schlegel: Der Unterschied zu unserem .Net-Gateway besteht darin, dass die SG-Gateways nach oben, also mit dem Leitsystem, die Protokolle der Energiewirtschaft (IT) sprechen. Nach unten werden diese Nachrichten auf die Protokolle der Automatisierungssysteme (OT) umgesetzt.

Volz: SmartGrid ist für uns ein Element des sich abzeichnenden Industrial Internet of Things. Wir differenzieren hier: IoT ist der Oberbegriff, darunter kommen die Märkte. Dazu gehören Medical, Home, SmartGrid und natürlich auch die Industrie 4.0 mit ihrem Fokus auf die Automatisierung – unserem Kernmarkt.

Döring: Mit Lösungen wie dem SmartGrid-Gateway erweitern wir unsere Aktivitäten auf Gebiete, wo wir Synergien mit der Automatisierung sehen. Und Fabriken mit ihren Feldbussystemen sind nun einmal sehr große Stromabnehmer. Entsprechend ausgeprägt sind die Effekte, wenn die vielen dezentralen Systeme über moderne Energiemanagementsysteme mit SmartGrids
kombiniert werden.

"Auch bei der Cloud-Anbindung stellen wir uns wieder sehr flexibel auf." Michael Volz

"Auch bei der Cloud-Anbindung stellen wir uns wieder sehr flexibel auf." Michael Volz Redaktion IEE

Wird die Cloudanbindung damit nicht zu einem zentralen Thema für einen Kommunikationsanbieter?

Döring: Wir haben dazu mehrere Strategien entwickelt. Zum einen haben wir mit dem Argos-Portal eine eigene Cloud, die aus der Netbiter-Technologie für Remote-Management entstanden ist. Darüber stellen wir zwei Funktionen zur Verfügung: Als Rendezvous-Portal können Teilnehmer sichere VPN-Verbindungen für Diagnose und Fernwartung aufbauen. Zudem lässt sich darüber das komplette Datenmonitoring realisieren, inklusive Auswertung, Reporting, Alarming und Dashboards.

Schlegel: Die Unterstützung geht dabei sehr weit. Wenn der Kunde bereit ist, uns seine Daten anzuvertrauen, kann er alles in der HMS-Cloud realisieren. Wir kümmern uns dann um Themen wie Hosting, Security und Daten-Backup.

Anfang 2016 hat HMS den M2M-Anbieter eWON übernommen. Welche Rolle spielt deren Technologie in der HMS-Strategie?

Volz: Mit eWON haben wir eine Lösung, die speziell auf den Fernzugriff auf SPS-Steuerungen zugeschnitten ist. eWON bietet weltweites VPN-Routing, mit der Kunden einfach und sehr sicher auf Maschinen und Anlagen im Feld zugreifen können. Das ist der entscheidende Unterschied zu unserem Netbiter-Argos-System, das vornehmlich auf die Auswertung von Maschinen- und Betriebsdaten zugeschnitten ist.

Döring: Bei Netbiter Argos steht das Datenportal mit seinen vielfältigen Möglichkeiten im Vordergrund, bei eWON Remote Access und Fernwartung. Und zusammen wird daraus eine sehr mächtige skalierbare Lösung.

Volz: Für Unternehmen, denen ihre Daten heilig sind und sie keinesfalls aus der Hand geben wollen, und davon gibt es sehr viele, haben wir eine weitere Lösung parat – in Form von Netbiter-Gateways mit Schnittstellen zu Fremdportalen. Und eines der wichtigsten Cloud-Portale, mit denen wir bereits zusammen­arbeiten, ist ThingWorx. Damit haben wir schon viele gute Erfahrungen gesammelt und große Projekte realisiert.

"Die Industrial Ethernet-Varianten werden noch eine lange Zeit bestehen." Thilo Döring

"Die Industrial Ethernet-Varianten werden noch eine lange Zeit bestehen." Thilo Döring Redaktion IEE

Wo ist ThingWorx aktiv?

Döring: ThingWorx ist ein amerikanischer Anbieter, der sich auf solche Cloud-Technologien für die Industrie spezialisiert hat. Neben ThingWorx arbeiten wir auch mit Oracle, SAP und Microsoft zusammen. Wie auf der Feldebene sind wir auch hier offen und unterstützen verschiedene Cloud-Systeme.

Wie erfolgt die Cloud-Anbindung?

Schlegel: Bei ThingWorx und Oracle gibt es eigene Schnittstellen, sogenannte Agenten, die wir in unsere Geräte integriert haben und die den Datenaustausch mit den jeweiligen Cloudsystemen oder Datenbanken abwickeln. Bei Microsoft Azure und SAP können wir OPC UA nutzen, das die Unternehmen wie wir implementiert haben. Die OPC-UA-Gateways können dann natürlich auch sehr einfach in alle anderen Systeme eingebunden werden.

"TSN und OPC UA haben das Potenzial zur Mainstream-Lösung." Christian Schlegel

"TSN und OPC UA haben das Potenzial zur Mainstream-Lösung." Christian Schlegel Redaktion IEE

Wie sehen denn die Anbindungsmöglichkeiten über OPC UA aus?

Schlegel: In Hannover haben wir erste Prototypen auf Basis der embedded-Anybus-Technologie gezeigt. Im zweiten Schritt folgen dann Gateways, die OPC UA mit den verschiedenen Feldbus- und Industrial Ethernet Netzwerken verbinden werden.

Volz: Da Profinet sehr stark im europäischen Raum vertreten ist, haben wir uns zuerst darauf fokussiert. Wir sind aber mit der Plattform in der Lage, sehr schnell weitere Netzwerke wie Ethernet/IP, Powerlink, Ethercat oder Modbus-TCP zu integrieren.

Wie wird eigentlich projektiert, welche Daten das Automatisierungsgerät über OPC UA zur Verfügung stellt?

Schlegel: Bei der Erweiterung unserer embedded-Profinet-Kommunikationsmodule mit OPC UA, haben wir einen einfachen Mechanismus implementiert. Dabei werden die kompletten Daten, die das betreffende Automatisierungsgerät über Profinet zur Verfügung stellt, zusätzlich auch auf OPC UA abgebildet. Das hat den Vorteil, dass keine zusätzliche Konfiguration erforderlich ist. OPC UA läuft hier simultan zu Profinet über dasselbe Kabel. Konkret bedeutet dies: Man braucht nur das bisherige Profinet-Kommunikationsmodul durch das Kombimodul (Profinet plus OPC UA) auszutauschen und schon kann das Automatisierungsgerät in OPC UA eingebunden werden – ganz ohne zusätzlichen Entwicklungsaufwand.

Volz: Das ist ein wesentlicher Aspekt. Denn um Daten abzugreifen, darf der Programmierer nicht erst die Steuerungssoftware anfassen müssen. Mit unserer Technologie braucht man nur das Modul tauschen, um OPC zu implementieren.

Döring: Das schafft einen perfekten Übergang für Kunden, die bereits unsere Anybus-Technologie einsetzen. Mit nur einem Modultausch, macht ein Maschinenbauer seine Maschinen fit für Industrie-4.0-Konzepte.

"Werden die SPS/IPC-Anbieter den Wechsel auf OPC UA und TSN mitgehen?" Michael Volz

"Werden die SPS/IPC-Anbieter den Wechsel auf OPC UA und TSN mitgehen?" Michael Volz Redaktion IEE

Das heißt, Sie unterstützen diese ganzen Technologien in Richtung Cloud letztendlich über den Modulansatz?

Volz: Wir verfolgen hier zwei Strategien. Die erste betrifft unsere embedded-Kommunikationsmodule für Gerätehersteller. Ich denke, dass hochwertige, komplexe Automatisierungsgeräte einen direkten Weg haben müssen, sich in eine Cloud einzubinden oder sich mit webbasierten Visualisierungssystemen zu verbinden. OPC UA eignet sich hierfür sehr gut. Die Gateways sind die zweite Säule. Damit holen wir die in­stallierte Basis ab und binden sie in die Cloud mit ein. Das ist wichtig für Retrofit-Applikationen, wenn bestehende Anlagen und Maschinen für die Cloud ertüchtigt werden müssen.

Welche Bedeutung hat Time Sensitive Networking aus HMS-Sicht?

Schlegel: Wir sind aktuell eigentlich in einer ähnlichen Situation, wie damals als die Ethernet-Systeme aufkamen. Alle reden über die neuen Technologien wie Ethernet TSN, OPC UA, MQTT. Und viele sagen: Das wird die künftige Lösung sein. Aber das wird mit Sicherheit noch dauern.

Döring: HMS wird diese Lösungen schrittweise in das Produktspektrum integrieren. Schließlich haben wir eine sehr große Zahl von Geräteherstellern, die unsere Anybus-Module einsetzen oder mit unseren Gateways arbeiten. Und die gilt es, auf diese Änderungen vorzubereiten und auf dem Weg zu OPC UA und TSN zu begleiten, wenn sie damit beginnen wollen.

"Fit für Industrie-4.0-Konzepte – mit nur einem Modultausch." Thilo Döring

"Fit für Industrie-4.0-Konzepte – mit nur einem Modultausch." Thilo Döring Redaktion IEE

Haben TSN und OPC UA denn genügend Performance für Echtzeitanwendungen in der Industrie?

Volz: Ganz klar. An die ganz harten Echtzeitanforderungen mit wenigen Mikrosekunden Zykluszeit, wie wir sie mit Profinet IRT und Ethercat realisieren, kommen TSN und OPC UA sicher nicht ran. Aber das sind die Extremanforderungen aus Motion-Control-Anwendungen. Eine Vielzahl der Automatisierungsprojekte benötigt vielleicht +/- eine Millisekunde. Und diese Marke scheint bei einer entsprechenden Implementierung von OPC UA mit TSN machbar. Mit TSN als echtzeitfähigem Physical Layer könnte OPC UA zukünftig vielleicht einmal Industrial-Ethernet-Protokolle in bestimmten Anwendungen ersetzen.

Ein Fragezeichen bleibt: Werden die SPS- und IPC-Hersteller mitziehen? Vollziehen sie wirklich den Schwenk von ihren heutigen Lösungen hin zu OPC UA? Ich bin mir da nicht sicher, denn der Zusatznutzen ist noch nicht klar erkennbar. Die Feldbus- und Industrial Ethernet-Varianten werden daher mit Sicherheit noch eine lange Zeit bestehen. Für Hersteller und Anwender wird die Flexibilität der Kommunikationsschnittstellen daher umso wichtiger. Genau hier punktet HMS, denn mit unseren Multiprotokoll-Schnittstellen sorgen wir für Zukunftssicherheit.

IIoT leicht gemacht

.Net-Edge-Gateways von HMS

.Net-Edge-Gateways von HMS HMS

Mit zwei Edge-Gateways erweitert HMS Industrial Networks seine Gateway-Familie in Richtung Industrial Internet of Things (IIoT). Eine Grundvoraussetzung für das industrielle Internet der Dinge und Industrie 4.0 ist, dass Fertigung und IT-Systeme miteinander kommunizieren können. Auf der Fertigungsebene kommen Feldbusse und Industrial-Ethernet-Netzwerke zum Einsatz, die für Echtzeitanforderungen ausgelegt und normalerweise von der IT-Infrastruktur getrennt sind. Die .Net-Gateways fungieren hier als Bindeglieder, die Daten von Profibus- oder Profinet-Netzwerken mit IT-Plattformen austauschen, die das .Net-Framework verwenden. Die .Net-Entwickler erhalten darüber Daten direkt aus den SPS-Systemen und können diese dann in Statistik-, Analyse- oder Instandhaltungs­applikationen nutzen.

So funktioniert’s: Excel lässt Grüßen
Die .Net-Gateways ermöglichen nicht nur den Datenaustausch zwischen Fertigung und IT-System, sondern machen die Daten für die IT-Seite auch verständlich. Der Informationsaustausch zwischen der Fertigungsebene (OT: Operational Technology) und der IT-Ebene ist in einer Vorlage in Form einer Tabelle definiert. In der Vorlage wird festgelegt, wie die Fertigungsdaten der IT-Anwendung zur Verfügung gestellt werden. Der Code-Generator von HMS erzeugt auf Basis dieser Vorlage automatisch eine kundenspezifische C#-API (Events und Post-Methoden), die direkt in der .Net-Applikation verwendet werden kann. Gleichzeitig wird auch eine GSDML-Datei für die einfache Einbindung des Gateways in das SPS-System erzeugt. Den Start machen .Net-Gateways für Profibus und Profinet.

Stefan Kuppinger, Chefredakteur IEE

(sk)

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