Für die Prüfung der Triebwerke benötigte das Unternehmen Drehmomentsensoren mit Nenndrehmomenten von 200 N·m, 1 kN·m, 2 kN·m, und 130 kN·m, wobei die drei Sensoren mit den kleineren Nenndrehmomenten identische Abmessungen haben und für Drehzahlen bis zu 22 000 min-1 geeignet sein mussten. Für Drehzahlen bis 4 000 min-1 sollte der größte Sensor gewappnet sein. Da die Zeit für einen Prüflauf zwischen einigen Stunden und einigen Monaten liegen konnte, wurden zudem langlebige und zuverlässige Drehmomentsensoren erforderlich. Jeder Sensor sollte zwei separate Drehmomentausgänge besitzen, um sicherzugehen, dass die Genauigkeit der Daten stimmte sowie über ein Backup verfügen, falls während der Prüfungen ein Ausgang ausfallen sollte.
In dem vorherigen Prüfstand für die Triebwerke befand sich eine nicht-drehende Drehmomentmesstechnik, die zum Messen des Reaktionsmoments einen Hebelarm und eine an eine Belastungsmaschine mit Los- oder Festlager montierte Wägezelle nutzte (ein großer Elektromotor verwendete einen Antrieb oder eine Last). Die Lagerung der Belastungsmaschine erfolgte auf beiden Seiten mit Zapfenlagern. In dieser Variante ist der Hebelarm an der Belastungsmaschine befestigt; die Entfernung zwischen der Mitte der Welle und der Mitte der Wägezelle multipliziert mit der Kraft ist dann gleich dem Drehmoment. Obwohl diese Technik bereits mehr als ein halbes Jahrhundert alt ist, bietet sie Vorteile für das Messen des Reaktionsmoments mit Hebelarm und Wägezelle. So ist zum Beispiel die Ausrichtung unkritisch, da der Sensor sich nicht an der drehenden Welle befindet. Ein Überlastschutz lässt sich leicht umsetzen und das System ist einfach zu kalibrieren, da Anwender die drehende Welle nicht öffnen müssen.
Dennoch besitzt das Messen des Reaktionsmoments mit Hebelarm und Wägezelle auch einige Nachteile: zum Beispiel eine geringere Dynamik (typischerweise bis 20 Hz), da die Masse der Belastungsmaschine als Tiefpassfilter wirkt. Dies vergrößert die Unsicherheit der Drehmomentmessung. Des Weiteren muss die Belastungsmaschine gelagert werden, was zusätzliche Drehmomente durch Reibung in die Messung einbringt. Zudem ist eine regelmäßige Wartung der Lager erforderlich.
Inline statt nicht-drehend
Der Triebwerkshersteller entschied sich, auf Inline-Drehmomentsensoren umzustellen. Für die neue Vorgehensweise entfernte HBM Hebelarm und Wägezelle und fixierte die Belastungsmaschine, sodass sie sich nicht mehr in den Zapfenlagern drehen konnte. Anschließend wurde der Inline- Drehmomentsensor eingebaut. Diese Technik nutzt einen Drehmomentmessflansch mit digitalem Telemetriesystem und ist daher berührungslos mit geringem Spiel und Stützlagern.
Das Messen des Drehmoments mit einem Inline-Drehmomentsensor ermöglicht beispielsweise ein genaueres Messen des echten dynamischen Drehmoments in der drehenden Welle sowie eine höhere Dynamik: bis zu 6 kHz anstelle der mit Wägezelle und Hebelarm üblichen 20 Hz. Bei einer auf Füßen montierten Belastungsmaschine gibt es weder Zapfenlager noch die damit verbundenen Probleme mit Reibung und Wartung. Der Inline-Sensor misst darüber hinaus genauer dynamische Drehmomente.
Unerwünschte Schwingungen ade
In die Konstruktion und Entwicklung des drehenden Drehmomentsensors gingen viele Überlegungen ein. Ist der Rotor des Sensors beispielsweise aus Titan gefertigt anstatt aus Stahl, bieten Inline-Drehmomentsensoren den Vorteil eines geringeren Gewichts. Kombiniert man eine Rotorkonstruktion aus Titan mit einer möglichst kurzen Gesamtlänge, kann man das Gesamtgewicht des Antriebsstrangs reduzieren, wodurch es einfacher wird, während der Prüfung kritische Drehzahlen der drehenden Welle zu vermeiden. Die kritische Drehzahl ist im Wesentlichen der Punkt (in Umdrehungen pro Minute), an dem eine drehende Welle instabil wird, das heißt sie beginnt harmonisch zu schwingen. Ziel war es, einen Antriebsstrang zu entwickeln, der so kurz, steif und leicht wie möglich ist, um unerwünschte Schwingungen und Rundlauffehler zu vermeiden. Denn diese beiden Faktoren können die Messunsicherheit vergrößern und stellen ein Risiko für das Versagen des Antriebsstrangs dar. Immer mehr Inline-Drehmomentsensoren arbeiten mit Wechselspannungsspeisung der DMS-Brücke, um die Störfestigkeit der Drehmomentmessung zu verbessern. Dies erhöht die Genauigkeit der Drehmomentmessung, insbesondere bei sehr kleinen Drehmomenten.
Lösung ohne Lager
Um die Prüfanforderungen des Unternehmens zu erfüllen, kam das HBM-Entwicklungsteam schnell zu dem Schluss, dass eine kundenspezifische Lösung mit einem Inline-Drehmomentsensor erforderlich war. So konstruierten sie einen Drehmomentsensor ohne Lager, um die Reibung zu minimieren. Dies bietet eine größere Messgenauigkeit und einen geringeren Wartungsbedarf. Zwei DMS-Brücken mit zwei Statoren ermöglichen ein genaues Drehmoment-Messsignal. Die Konstruktion des Rotors aus Titan verringerte das Gewicht des Sensors und sorgte für eine höhere Nenndrehzahl. Kundenspezifische Abmessungen und ein kundenspezifisches Lochbild reduzierten Länge und Gewicht des Antriebsstrangs und verlagerten die kritische Drehzahl in einen Bereich außerhalb des Sensor-Messbereichs. Der Übergang von einem auf Wägezelle und Hebelarm basierenden Sensor zu einem Inline- Drehmomentsensor resultierte in einer deutlich höheren Dynamik und geringeren Messunsicherheit des Signals. Zuverlässigere Daten darüber, wie Veränderungen der Maschinenkonstruktion sich auf die Leistung auswirken, ermöglichen dem Kunden nun, im Konstruktionsprozess gezieltere Entscheidungen zu treffen und den Wirkungsgrad des Endprodukts zu erhöhen.
HBM hat die umgesetzte Sonderlösung mittlerweile unter dem Namen ‚T40HS‘ standardisiert, sodass sie nun auch von anderen genutzt werden kann, die Drehmomentmessungen bei extrem hohen Drehzahlen und mit höherer Genauigkeit benötigen.
High-Speed-Drehmomentaufnehmer
Der kompakte Drehmomentsensor T40HS aus Titan erreicht Drehzahlen bis zu 45000 min-1 und überträgt Signale berührungslos. Durch seinen kurzbauenden Messflansch kommt er auf eine hohe Drehsteifigkeit, die unter anderem dynamische Messungen ermöglicht. Es sind keine zusätzlichen Lager nötig, womit Wartungen entfallen. Durch die Verwendung von Titan ergibt sich ein geringes Massenträgheitsmoment, somit verringert sich auch das dynamische Drehmoment bei Beschleunigungsvorgängen. Auch die Masse des Sensors ist daher vergleichsweise gering: Damit reduziert sich die Lagerbelastung der Antriebsmaschine und die Lebensdauer steigt. Anwendungen für den High-Speed-Drehmomentaufnehmer finden sich bei Hochgeschwindigkeitsantrieben, Turbinen, Getriebeprüfständen, einstellbaren Aktuatoren sowie bei Effizienzkontrollen kompletter Antriebsstränge.
Aussteller SPS IPC Drives 2016: Halle 7A, Stand 430
Mark Minda
Gilbert Schwartmann
(mns)