Der Kern der Plasma-Anlage besteht aus dem Plasmagefäß und 70 supraleitenden Spulen. Die komplette Elektrotechnik wurde mit der Wscad-Suite geplant. IPP

Der Kern der Plasma-Anlage besteht aus dem Plasmagefäß und 70 supraleitenden Spulen. Die komplette Elektrotechnik wurde mit der Wscad-Suite geplant. (Bild: IPP)

Ziel der Plasma-Forschung in Greifswald ist es, die Energieproduktion der Sonne auf der Erde nachzuvollziehen, indem Energie aus der Verschmelzung von Atomkernen gewonnen wird. Wendelstein 7-X (W7-X) ist die größte Fusionsanlage vom Typ Stellarator und ein Schlüsselexperiment der internationalen Fusionsforschung. Es soll die Eignung dieses speziellen Anlagentyps als Kraftwerk demonstrieren. Kernstück der Anlage sind fünfzig nichtebene und zwanzig ebene supraleitende Magnetspulen, die ein Magnetfeld erzeugen und so das auf 100 Millionen Grad Celsius aufgeheizte Wasserstoffplasma einschließen. In seiner Form erinnert das ganze Kunstwerk ein wenig an einen überdimensionalen Donut. Für die Zündung wird eine Energie von 10 MW benötigt, in den Spulen fließen Ströme von 18 500 A. Damit dies möglich ist, werden die Spulen in die Nähe auf unter 4 K gekühlt. Allein die dafür erforderliche Heliumanlage nimmt gewaltige Dimensionen ein.

Zündung: Das erste Wasserstoff-Plasma in Wendelstein 7-X dauerte eine viertel Sekunde und erreichte eine Temperatur von rund 80 Millionen Grad Celsius. IPP

Zündung: Das erste Wasserstoff-Plasma in Wendelstein 7-X dauerte eine Viertelsekunde und erreichte eine Temperatur von rund 80 Millionen Grad Celsius. IPP

Den erfolgreichen ersten Plasmatests ging eine jahrelange Planung und Aufbauarbeit der Anlage voraus. Die gesamte elektrotechnische Planung und Dokumentation führten die Max-Planck-Ingenieure von Anbeginn mit der ECAD-Lösung von Wscad durch. „Das heißt, dass wir auch nahezu sämtliche Entwicklungsschritte von Wscad mitgemacht und immer wieder neue Funktionen dazu bekommen haben“, sagt Jörg Schacht, Leiter der Fachgruppe CoDa (Control and Data Acquisition). Heute nutzen die Ingenieure aus der Produktfamilie die Disziplinen Electrical Engineering für die Stromlaufpläne, Cabinet Engineering für den Schaltschrankaufbau und Fluid Engineering für die Pneumatik und Fluidpläne.

Großprojekt mit Referenzcharakter für Langzeitstabilität und Flexibilität

Geplant werden mussten alle Aktoren und Sensoren inklusive der Datenerfassung, eine Vielzahl von Steuerungen, die gesamte Infrastruktur sowie vielfältige Diagnostik-Komponenten. Beispielsweise für den Bau der Datenerfassung und Steuerung der Laser-Diagnostik-Interferometrie – eine Diagnostik zur Bestimmung der Plasmadichte. Ein Laserstrahl durchdringt das Plasma und verändert dabei abhängig von der Plasmadichte seine Eigenschaften. Als Auftrag bekommt die Fachgruppe CoDa ein Lastenheft. Die anfordernde Abteilung spezifiziert darin die Eigenschaften für die Datenerfassung und für die Steuerung der aufzubauenden W7-X-Komponente, inklusive der Teilkomponenten, die im Projekt verbaut werden müssen. Alle anderen Teilkomponenten spezifiziert der jeweilige Planer. Aus den Vorgaben des Lastenheftes und aus den Vorplanungen für die Elektrotechnik entsteht die funktionale Spezifikation für die Steuerung und Datenerfassung für das Projekt. In der Elektrotechnik-Planung werden die Vorgaben der funktionalen Spezifikation umgesetzt und die notwendigen Stromlaufpläne erstellt. Auf dieser Grundlage folgt die Planung der Schaltschrankaufbauten.

Der Schaltschrankbau selbst erfolgt teilweise im IPP, größtenteils aber im Rahmen von öffentlichen Ausschreibungen durch externe Dienstleister. Einige der Zulieferer arbeiten ebenfalls mit Wscad – ein Vorteil, denn sie können nach dem Zuschlag sofort mit den Original-Plänen weiterarbeiten. Für alle anderen exportiert das CoDa-Team aus der Wscad-Software die Material-, Kabel- und Verbindungslisten. Die Pläne enthalten alle Angaben zur späteren Verkabelung der Schaltschränke, zu den Stromversorgungen, Messstellen und Aktoren. Die Fluidpläne für die mit Druckluft gesteuerten Komponenten kommen ebenfalls von einem externen Dienstleister, der auch mit der Wscad-Software arbeitet. Dies hat den Vorteil, dass sich die gelieferten Pläne sofort mit den Symbolen im jeweiligen Stromlaufplan und Schaltschrankaufbau verknüpfen lassen.

Stabilität und Offenheit sind Pflicht

Der integrative Ansatz der skalierbaren Engineering-Suite Wscad ermöglicht die Gewerke-übergreifende und durchgehende Planung elektrischer Anlagen, Maschinen und der Gebäudeautomatisierung. Alle Symbole liegen in einer mitgelieferten Datenbank, aus der individuelle oder projektbezogene Datenpools generiert werden können. Über eine Million Symbole und Artikeldaten von über 115 Herstellern stehen in wscaduniverse.com zur Verfügung – im Wscad- und im Eplan-Format. Die Nutzung ist für Anwender kostenlos, die Einstellung der Produktdaten für Gerätehersteller auch. Die Spule eines Ventils ist im Fluidplan dieselbe wie im Stromlaufplan oder im Schaltschrank­aufbau. Auf Knopfdruck erzeugt die Software eine vollständige, Richtlinien- und Normen-konforme Dokumentation inklusive individueller Prüflisten und Abnahmeprotokolle. Installateure und Servicetechniker vor Ort wechseln per Klick auf ein Symbol in den intelligenten PDFs vom Fluid- in den Stromlaufplan und in den Schaltschrank-Aufbau. Zusätzliche Viewer sind nicht nötig. Über eine offene Schnittstelle ist die Integration in PDM-/PLM- und ERP-Systeme möglich.

Forschungsprojekt ‚in progress‘: Aus-, Neu-, Umbau brauchen valide Daten

Alle mit der CAD-Software erzeugten Daten stehen für die Herstellung von Drähten und Kabelbündeln, Labeldruck, Montageplatten und Schranktüren auf NC-Fertigungszentren zur Verfügung. Die Konstruktion beschleunigen Makros und Marovarianten in allen Disziplinen. Wscad-unabhängige Produktkonfigurationen können über das Automation-Interface die vollautomatische Erstellung von Plänen und Dokumentationen im System als Hintergrundprozess auslösen.

Bei Projekten dieser Größenordnung und mit solch langen Laufzeiten gehören Meilensteine wie die
Inbetriebnahme einzelner Komponenten zu den Highlights. Zum Beispiel die Inbetriebnahme einer weiteren Diagnostik. Um alle wissenschaftlichen Fragestellungen in Hinblick auf einen zukünftigen Kraftwerksbetrieb zu beantworten, wird es noch viele Experimente mit dem W7-X geben. Damit einhergehen der weitere Ausbau der Anlage und die Elektro-Planung. „Insgesamt betrachtet, war und ist uns die Wscad-Software über all die Jahre bei der Planung und Dokumentation eine große Hilfe“, erklärt Jörg Schacht. „Sie ist einfach in der Handhabung und die Grundlage unserer gesamten elektrotechnischen Planung und Dokumentation.“

Hannover Messe 2016: Halle 6, Stand K43

Thomas Walker

ist Journalist bei Walkerbretting in Stuttgart.

(sk)

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