Mit Ethercat P hat Beckhoff Automation als Entwickler und Lizenzgeber dieser Echtzeit-Ethernet-Kommunikationstechnik eine Ethercat-Variante geschaffen, die eine Stromversorgung der angeschlossenen Ethercat-P-Geräte und Ethercat-P-Slaves auf demselben vieradrigen Kabel wie für die Datenübertragung ermöglicht. Damit diese Ethercat-Erweiterung auf breiterer Ebene genutzt werden kann, hat die ETG als Anwender- und Herstellervereinigung diese Variante in ihr technisches Leistungsangebot aufgenommen. Die ETG will damit dazu beitragen, dass Ethercat P genauso wie Ethercat als Industriestandard weltweit akzeptiert und genutzt wird (die Organisation hat derzeit fast 4000 Mitglieder). Große Anwender der Ethercat-Technik haben bereits den Einsatz von Ethercat P angekündigt. Dies wiederum ermutigt die Gerätehersteller, in diese Technik zu investieren.
Vorteile und Einsatzbereiche der neuen Technik
Technisch gesehen stehen bei Ethercat P für die Stromversorgung der angeschlossenen Feldgeräte zwei galvanisch getrennte, auch einzeln schaltbare 24-Volt-Stromversorgungen mit jeweils maximal 3 A Stromstärke in einem Kabel zur Verfügung. Durch die Stromweiterleitung kann der Nutzer mehrere Ethercat-Geräte kaskadieren und benötigt dazu auch nur ein einziges Kabel. Eine Stromversorgung von Ethercat-Geräten über das Kommunikationskabel war bereits vorher mit Power over Ethernet (POE) möglich; für den industriellen Gebrauch war diese Stromversorgung aber nur bedingt geeignet. Mit Ethercat P ist das anders: Beckhoff hat seine Erfahrung in der Ein-Kabel-Technik aus der Antriebstechnik genutzt und hat dieses Prinzip auf die ganze Maschine, also auch auf die Sensor- und E/A-Ebene umgesetzt. Dadurch vermindert sich der Aufwand für die Geräteverdrahtung. Dies senkt die Systemkosten und die möglichen Fehlerquellen beim Anschluss der Geräte. Ein eigens für Ethercat P kodierter M8-Stecker verhindert ein Fehlstecken beim Geräteanschluss. Zudem kann der Maschinenbauer kompaktere Schleppketten einsetzen und durch die integrierte Stromverteilung auf bestimmte Schaltschrank-Komponenten verzichten.
Je nach Anforderung des Endgeräts an die Stromaufnahme und je nach Distanz, die es zu überbrücken gilt, muss im jeweiligen Einzelfall abgewogen werden, ob der Einsatz von Ethercat P möglich beziehungsweise sinnvoll ist. Grund dafür ist, dass genau wie bei separat geführten Versorgungsleitungen der Spannungsabfall aufgrund des Leitungswiderstands berücksichtigt werden muss. Deshalb lassen sich je nach Fall nur kürzere Strecken überbrücken. Besonders interessant ist die Erweiterung daher für Maschinenteile, die in sich abgeschlossen und ein wenig abgesetzt sind und dann durch eine einzige Stichleitung mit Daten und Leistung versorgt werden können. Ethercat P kann also als Sensor-, Aktor- und Messtechnik-Bus eingesetzt werden, mit Vorteilen sowohl bei der Verbindung von abgesetzten kleineren I/O-Stationen im Klemmenkasten als auch bei dezentralen I/O-Komponenten vor Ort im Prozess.
Ist Ethercat P eine neue Version von Ethercat? Wird Ethercat nun durch Ethercat P abgelöst? Natürlich nicht: Ethercat P ist eine Erweiterung des bisherigen Standards auf physikalischer Ebene. Abgesehen davon sind Ethercat und Ethercat P protokolltechnisch identisch, weshalb auch keine neuen Ethercat-Slave-Controller beim Einsatz von Ethercat P erforderlich sind. Zusammengefasst bedeutet dies, dass Ethercat P dieselben kommunikationstechnischen Vorteile wie Ethercat bietet – beispielsweise Schnelligkeit, Flexibilität und Leistung – zusätzlich jedoch die Stromversorgung über das Kommunikationskabel bereit stellt. Damit bietet Ethercat P für bestimmte Anwendungen technische Vorteile und Kostensenkungspotenziale. Dort ist der Einsatz von Ethercat P sinnvoll sowie im gleichen Netzwerk und im Verbund mit Standard-Ethercat. Entsprechende Einspeisegeräte setzen von der herkömmlichen Ethercat-Physik auf Ethercat P um, wobei die Ethernet-Datenkodierung erhalten bleibt. Genauso kann ein Gerät auch für sich mit Ethercat P versorgt werden, selbst aber Standard-Ethercat weiterleiten.
Laufende technische Spezifikationsarbeiten
Die ETG hat den ersten Entwurf der offiziellen Technologiespezifikation zu Ethercat P sowie die Erweiterung aller zugehörigen Dokumente auf ihrer Website veröffentlicht. Das Dokument ‚ETG.1030 Ethercat P Specification‘ definiert die Grundlagen von Ethercat P als physikalische Erweiterung des Ethercat-Protokolls. Als solche wurden selbstverständlich auch alle anderen Dokumente zu den EtherCAT-Standards, in welche sich Ethercat P integriert, entsprechend erweitert. Um Entwicklern von Ethercat-P-Geräten bereits jetzt die Nutzung zu ermöglichen, hat Beckhoff Automation zeitgleich mit den Spezifikationsdokumenten der ETG eine so genannte Ethercat-P-Application Note veröffentlicht – einen Leitfaden zur Implementierung von Ethercat-P-Slaves. Dieser Leitfaden befasst sich mit der physikalischen Erweiterung der Ethercat-Anschaltung inklusive Verbindern, elektrischer Spezifikation sowie Empfehlungen für den EMV-gerechten Aufbau. Darüber hinaus informiert der Leitfaden über verschiedene Design-Vorgaben insbesondere in Bezug auf die Nutzung und Verbindung von Versorgungsspannungen und beschreibt die Berechnungsgrundlagen der Ströme und Spannungen im Netzwerk.
Schulungen, Test-Werkzeuge und Test Cases
Seit der Akzeptanz von Ethercat P als Erweiterung zu Ethercat durch das Technical Committee der ETG wird Ethercat P in die Geschäftstätigkeit der Organisation integriert. Ziel ist es, Ethercat P nahtlos in die bisherigen Inhalte, den Support sowie die Schulungen der ETG einzubinden. So wird es künftig beispielsweise bei den Entwicklungsschulungen einen Teil geben, der sich gezielt mit Ethercat P befasst, und auch auf der Master-Konfigurationsseite bietet die ETG ihren Mitgliedern die entsprechende Experten-Unterstützung zur Einbindung von Ethercat P an. Darüber hinaus arbeitet die ETG laufend an der Spezifizierung von Ethercat P, welche die Integration für alle Hersteller möglichst einfach gestalten soll. Die ETG erweitert auch das Testwesen und ergänzt sowohl das Conformance-Test-Tool als auch die Test Cases entsprechend. So soll es schon bald einen automatisierten Hardware-Test geben, der die vom Gerätehersteller spezifizierten Randparameter zu Ethercat P mit überprüft.
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Neue EtherCAT P-Komponenten
Beckhoff Automation hat bereits ein Reihe von Ethercat P-Komponenten in sein Produktproduktprogramm aufgenommen. So ist für die 24-V-I/O-Ebene seit Mitte Juli ein komplettes Spektrum an System- und I/O-Komponenten in Schutzart IP 67 verfügbar. Zum Anschluss der Sensoren und Aktoren stehen die bisherigen EP-Box-Module als EPP-Ausführung für EtherCAT P bereit. Hierzu zählen verschiedene 4-, 8- und 16-kanalige Digital-Eingangs-Box-Module beziehungswiese 4-, 8-, 16- und 24-kanalige Digital-Ausgangs-Module, zahlreiche 4-, 8- und 16-kanalige IP-67-I/Os mit kombinierten Digital-Ein-/Ausgängen sowie serielle Schnittstellen RS232 und RS422/RS485. Dazu kommen EPP-Box-Module für analoge Ein- und Ausgangsgrößen, wie beispielsweise ±10 V/0…20 mA, Differenz-/Absolutdruck sowie Daten von Widerstandssensoren, Thermoelementen und Inkremental-Encodern. Die freie Topologiewahl bleibt auch bei Ethercat P erhalten.
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Thomas Rettig
(dw)