Viel früher als erwartet konnte die deutsche Werkzeugmaschinen-Industrie die Auftragsflut in eine Umsatzentwicklung Richtung schwarze Zahlen drehen und für jeweils zweistellig ansteigende Resultate sorgen. Gestützt wurde dies durch die nichtspanenden Werkzeugmaschinen. Hier sticht speziell die Blechbearbeitung hervor, welche im Gegensatz zum projektorientierten (Groß-)Pressenbau naturgemäß wesentlich kürzere Durchlaufzeiten hat.

Andere Kundenstruktur prägt unterschiedliche Nachfrageverläufe

Der auftretende Phasenversatz zwischen dem Beschaffungsverhalten der Automobilindustrie, mit lange vorgeplanten Projekten und strategischer Ausrichtung, und der viel stärker konjunkturabhängigen Nachfrage im mittelständischen Maschinenbau führt zu ganz unterschiedlichen Verläufen in der Produktionsentwicklung bei umformenden (Großpressen) und spanenden Werkzeugmaschinen. Das Produktionsverhalten beweist dies, denn der Umformtechnik kommt meist eine stützende Funktion im Gesamtumsatz der Werkzeugmaschinen-Branche zu. Während die Hersteller spanender Werkzeugmaschinen ein Minus verbuchen müssen, stabilisiert sich der Output im umformenden Anlagenbereich mit gemäßigter Einbuße. Mit einem technologischen Strukturwandel oder Gefälle in der Innovationsfähigkeit hat der eingeschränkte oder auch einmal gänzlich ausbleibende Gleichschritt der beiden Werkzeugmaschinen-Aggregate nichts zu tun.

Bedeutung der Automobilindustrie und des Maschinenbaus

Die Verteilung der Jahresproduktion der Werkzeugmaschinen-Branche muss eher nach Anwendergruppen aufgeteilt werden, denn je nach Programm- und Kundenstruktur schlägt das unterschiedliches Beschaffungsverhalten der Abnehmer nieder. Während kleinere und mittelständische Kunden aus dem Maschinenbau und der Elektroindustrie, je nach konjunkturellem Barometerstand und individuell gehandhabten Regeln kaufmännischer Vorsicht, Investitionsvorhaben strecken oder vertagen, kann der Anteil relativ konjunkturautonomer Projekte der Großindustrie hoch ausfallen. Das Krisenjahr 2009 hat derartige Strukturen ein Stück weit nivelliert. Ein Problem besteht in unscharfen Branchenabgrenzungen: Wo endet Autoelektronik, deren Hersteller als Automobilzulieferer deklariert sind, und was gehört unter das Label Elektroindustrie. Gleiches gilt für den Bereich der Herstellung von Metallerzeugnissen (Zulieferer von Schlössern und Beschlägen). Der Verband priorisiert die bei den Werkzeugmaschinen-Herstellern gebräuchliche Sprachregelung. Unter Marktforschungs-Aspekten erklärtes Ziel ist es, die Bedeutung besonders volumenstarker Anwenderindustrien, wie des Automobil- oder Maschinenbaus, in ihrer Gesamtheit darzustellen. Die Automobilindustrie inklusive ihrer Systemlieferanten und Zulieferer baute selbst im Krisenjahr 2009 ihre Stellung als wichtigste Abnehmerbranche aus. Der Maschinenbau als zweitgrößter Kunde mit seinen vielfältigen Teilbranchen hält einen stabilen Anteil.

Innerhalb des Maschinenbaus stellt der Werkzeugmaschinenbau die größte Teilbranche. Weitere wichtige Segmente sind Antriebstechnik, Verfahrenstechnik/Energiewirtschaft, Stanzwerkzeuge/Formenbau sowie Kraftmaschinen/Turbinen. Nach den Hauptkunden Automobilindustrie und Maschinenbau, die zusammen für zwei Drittel des Absatzes stehen, spielen die Metallerzeugung und -bearbeitung (Anteil: über 8 %; vor allem Stahlproduktion, Walzwerke) sowie die Herstellung von Metallerzeugnissen (circa 5 %; Stahl-/Leichtmetallbau, Press-/Stanz-/Drehteile, Kesselbau, Draht- sowie unterschiedlichste Metallwaren) eine wichtige Rolle. Zu den weiteren bedeutenden Kunden – gruppen zählen Elektrotechnik (circa 4 %), sonstiger Fahrzeugbau (4 %; inklusive Schienenfahrzeuge, Schiffbau), Luft- und Raumfahrt (etwa 3 %) sowie Feinmechanik/Optik ( 3 %; inklusive Medizintechnik). Eine tendenziell andere Gewichtung ergibt sich bei der Betrachtung des stückzahlmäßigen Absatzes. Hier führt der Maschinenbau mit einem Anteil von knapp 32 %, die Automobilindustrie und ihre Zuliefersparten folgen mit 27 %. Dies erklärt sich mit dem höheren Anteil des Projektgeschäfts beim Kunden Automobilindustrie, charakterisiert durch den Einsatz von werkstückspezifischen Sondermaschinen und komplexen Fertigungslinien.

In Europa führend

In der Umformtechnik spielen Pressen und Blechbearbeitungs-Maschinen wertmäßig die bedeutendste Rolle. Rund 250 Unternehmen gehören in Deutschland der Massivumformung an. Die Massivumformung ist Marktführer in Europa und die Nr. 2 der Welt. Eine interessante Verfahrenskombinationen stellen das Laserschneiden und Umformen in einem Blechbearbeitungszentrum sowie die kombinierte Laser-/Ultraschallbearbeitung dar, wo sich beim Einsatz an hochharten, spröden Werkstoffen und bei gleichzeitig extremen Präzisionsanforderungen neue Möglichkeiten eröffnen. Herausragendes Applikationsbeispiel ist ferner das Laserschweißen nichtlinearer Nähte und maßgeschneiderter Baugruppen (Tailored Blanks) im Leichtbau der Automobilindustrie. Das Remote-Schweißen, also Laser-Schweißprozesse über deutlich größere Abstände zum Werkstück im freien Raum, ermöglicht Investitionskostensenkung und Taktzeitverkürzung.

Die Unternehmen der Massivumformung in Deutschland sind auf vielen Feldern Weltmarkt- und Technologieführer. Schmiedeteile ‚Made in Germany‘ sind Hightech, in vielen Fällen konkurrenzlos, dazu sicher und innovativ. Neben der Masse machen die deutschen Schmieden aber mehr noch in puncto Klasse eine gute Figur – von den Gesenkschmieden über die Freiformschmieden bis hin zu den Kaltmassivumformern.

Bestimmender Faktor: Innovationsfähigkeit

Der Begriff Innovationsfähigkeit lässt sich zweifach interpretieren. Zum einen wird darauf abgestellt, dass die Werkzeugmaschinen-Industrie selbst in der Lage ist, Tauglichkeit und Potenziale neuer Materialien und Technologien in den Markt zu tragen. Zum anderen ist das Vermögen gemeint, oft zitierte ‚Product Innovation by End-Users‘ aufzugreifen und selbst in neue, für den harten industriellen Alltag taugliche Maschinenkonzepte umzusetzen. Um ein Reduzieren der Bearbeitungszeit durch Steigerung der Schnitt- und Vorschubgeschwindigkeiten, müssen neue Maschinenkonzepte sowie leistungsstarke Komponenten geschaffen werden. Ebenso sind rekonfigurierbare Fertigungssysteme notwendig um eine Stückzahl- und Technologieflexibilität bezüglich neuer Teilespektren zum lebensdaueroptimierten Nutzen investitionsintensiver Anlagen notwendig. Die Automatisierung kann viel dazu betragen. Linear- und Torquemotoren mit hoher Dynamik und einfachem Aufbau ermöglichen zum Beispiel ein unmittelbares Erzeugen linearer und rotatorischer Bewegungen. Auch die neuen Steuerungen halten den wachsenden Anforderungen des Blech- und Umformbranche Stand. Durch Dezentralisierung, Ferndiagnose über Internet, Fehlererkennung bis zur Ebene der Feldgeräte (zum Beispiel Sensoren, Aktoren) lassen sich neue Maschinenkonzepte schaffen. Dadurch lässt sich auch die wachsende Nachfrage nach energie- und ressourceneffiziente Werkzeugmaschinen bedienen.

Harald Wollstadt

: Chefredakteur der IEE

(hw)

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