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(Bild: Industrie Informatik)

Handlungsfelder für Industrie 4.0. Industrie Informatik

Handlungsfelder für Industrie 4.0. Industrie Informatik

In jedem einzelnen Unternehmen bedarf es für Industrie 4.0 individueller Prozesse, die auf die internen Gegebenheiten abgestimmt sein müssen. Eine gemeinsame Grundlage ist jedoch die intensive Vernetzung verschiedener Komponenten, die im gesamten Lebenszyklus eines Produkts stattfinden kann – vom Engineering-Prozess, über die Produktion, bis hin zur konkreten Produktnutzung – oder einzelne Teilbereiche davon abdeckt. Im Fokus der Produktion ergeben sich daraus für Unternehmen verschiedene Handlungsfelder.

Handlungsfeld 1: Integration

Das erste Handlungsfeld ist die Integration von Software- und Steuerungssystemen entlang der Wertschöpfungskette sowie innerhalb eines Unternehmens über Soft- und Hardware-Hierarchien hinweg. MES-Anbieter wie Industrie Informatik bauen dazu auf die Grobplanungsdaten eines übergeordneten ERP auf. Die generierten Informationen müssen lückenlos und bedarfsgerecht zurückgespielt werden, um einen Mehrwert für den Nutzer zu schaffen. Webservices spielen hier eine wichtige Rolle, da der Aufwand für die erwähnte Integration deutlich verringert wird. Auf der anderen Seite braucht es eine lücken- und fehlerlose Kommunikation mit der Maschinenebene. Im Hinblick auf Industrie 4.0 erfolgt diese Kommunikation im Idealfall unterstützt durch Standards wie OPC-UA. Erst im Zusammenspiel können all diese Komponenten ihre Stärken ausspielen.

Handlungsfeld 2: Datenmanagement und -analyse

Daten spielen für Industrie 4.0 eine zentrale Rolle. Womit sich gleich ein Henne-Ei-Problem auftut: Betreibe ich Industrie 4.0, um Daten zu erhalten oder benötige ich diese als Basis, um derartige Maßnahmen überhaupt in die Tat umsetzen zu können? Beides ist richtig. Das Spektrum an Daten von Produktions-, über Maschinen-, Personen- und Prozess-, bis hin zu Produktdaten hat verschiedene Ursprünge und Einsatzgebiete. Die daraus resultierenden Möglichkeiten im Industrie-4.0-Umfeld lassen sich anhand eines vollautomatisierten Produktionsprozesses veranschaulichen, zum Beispiel anhand einer Radfelge: Zu Beginn steht ein Fertigungsauftrag inklusive Vorgabewerte aus dem ERP, der an das MES übergeben wird. Der im ersten Arbeitsgang entstandene Rohling wird nach einem Check mittels Röntgengerät in Form und Größe erkannt, einem bestimmten Felgentyp zugeordnet und mit einer eindeutigen Seriennummer versehen. Anschließend ordnet das MES die Felge einem Produktionsauftrag zu und übergibt die Einstelldaten an die Maschinen. Bezogen auf die Seriennummer der Felge, erfolgt die Speicherung der Ist-Prozessdaten an jedem Arbeitsplatz sowie die Weitergabe an die nachfolgenden Arbeitsplätze, wo sie sich ebenfalls auf die Einstelldaten der Maschinen auswirken können. Das alles erfolgt in einem vollautomatisierten Ablauf, in dem Daten einerseits als Basis für weitere Arbeitsschritte dienen und andererseits aus diesen Bearbeitungsprozessen generiert werden. Produzenten profitieren von einer flexiblen Produktion, in der sich Arbeitsplätze anhand von Seriennummern an den Anforderungen des aktuellen Produktes ausrichten – vorausgesetzt die Maschinenumrüstung erfolgt vollständig automatisch und in kurzen Zeitfenstern. Durch die automatisierte Weitergabe von Prozessdaten als Basis für weitere Einstelldaten, entsteht zudem schon im Produktionsprozess ein gewisser Grad an Qualitätssicherung. Qualität muss somit nicht mehr im Nachhinein kontrolliert werden, sie wird bereits während der Produktion gesichert.

Handlungsfeld 3: Benutzerinteraktion

In der Produktion müssen Mitarbeiter die richtigen Informationen zur richtigen Zeit am richtigen Ort erhalten. Über 'Cronetwork Portal' lassen sich die benötigen Informationsquellen per Drag-and-Drop zusammenstellen. Industrie Informatik

In der Produktion müssen Mitarbeiter die richtigen Informationen zur richtigen Zeit am richtigen Ort erhalten. Über 'Cronetwork Portal' lassen sich die benötigen Informationsquellen per Drag-and-Drop zusammenstellen. Industrie Informatik

Vollautomatisierte Abläufe haben zur Folge, dass sich Produktionsmitarbeiter nicht mehr um manuelle Standardabläufe wie Rüstvorgänge kümmern müssen. Das heißt auch, dass manuelle Rückmeldungen wegfallen. Dementsprechend wichtig ist es, Ergebnisse und Kennzahlen aus diesen Prozessen kontextorientiert und übersichtlich darzustellen und für weitere Benutzerinteraktionen aufzubereiten. Vereinfacht gesagt, müssen dem jeweiligen Mitarbeiter die richtigen Informationen zur richtigen Zeit am richtigen Ort zur Verfügung stehen. Diesen Spagat zwischen den enormen Datenmengen in einem Produktionsbetrieb und deren maßgeschneiderter Aufbereitung gilt es zu bewältigen. Das ‚Cronetwork Portal‘ beispielsweise ist ein flexibles Dashboard, dessen Aufbau sich je nach Anforderung aus verschiedenen Informationsquellen per Drag-and-Drop zusammensetzen lässt. Cronetwork MES ist modular aufgebaut. Einzelne Bausteine wie Feinplanung, Betriebs-, Maschinen- und Prozessdatenerfassung sowie Personalplanung und Analyse können einzeln oder integriert, schrittweise oder gemeinsam implementiert und genutzt werden. Aktuell noch als eher ‚visionär‘ anzusehen, aber durchaus mit Potenzial versehen, sind Wearables wie Datenbrillen, die in Zukunft weitere Möglichkeiten und Anwendungsfelder eröffnen. So können beispielsweise genaue Arbeitsanweisungen durch die Brille angezeigt werden.

Neben der kontextorientierten Informationsbereitstellung ist die situationsgerechte Interaktion ein essenzielles Merkmal von Industrie-4.0-Initiativen. Das heißt, dass es nicht länger ausreicht, die richtigen Daten als Information bereitzustellen. Vielmehr muss ein situationsabhängiger, intuitiver und daher erwartungsgerechter Dialog mit dem Nutzer entstehen. Als Beispiel sei hier das ‚Cronetwork Terminal‘ genannt: Industrie Informatik setzt seit 20 Jahren auf eine touch-optimierte Bedienung. Benötigte Informationen werden angezeigt, möglichst viele Daten automatisch ermittelt und nur die tatsächlich benötigten Eingabemöglichkeiten angeboten.

Handlungsfeld 4: Optimierung

Aus diesem Dialog entsteht nun auch die Möglichkeit, eigene Prozesse und Abläufe zu verbessern. Ein passendes Beispiel ist in der Produktionsplanung zu finden. Um der Dynamik des Fertigungsumfelds Herr zu werden, benötigen Unternehmen eine aktuelle Sicht auf die Durchführbarkeit der Planung. Ein Feinplanungstool muss Daten also in Echtzeit liefern und berücksichtigen – und ein Planer im Kurzfristbereich auf die nötigen Informationen zugreifen können, um diese gegebenenfalls direkt anzupassen. Als Ergebnis entstehen unter anderem kürzere Rüstzeiten und verringerte Durchlaufzeiten. In diesem Zusammenhang wird oft der Ruf nach einer dezentralen, sich selbst steuernden Planung laut. Dieses Prinzip mag in Zukunft in gewissen Teilbereichen Anwendung finden, über ganze Unternehmen hinweg ist sie jedoch schwer denkbar. Der Mensch als Planer und als letzte Instanz im Planungsprozess ist und bleibt der zentrale Dreh- und Angelpunkt in der Fertigung.

Digitale Strategie

Neben den bisher erwähnten Handlungsfeldern besteht eine unverzichtbare Grundlage auf dem Weg zu Industrie 4.0: eine klare, ausdefinierte digitale Strategie. Die zentralen Elemente hinter dieser Strategie sind der Kunde und dessen eindeutig identifizierbare Anforderungen. Dabei bauen Geschäftsmodelle häufig auf folgendem Schema auf: Ein Unternehmen verkauft Kunden nicht mehr länger ein Produkt, sondern bietet ihnen auch den damit verbundenen Service. Es entbindet Kunden quasi von den Sorgen rund um Wartung, Service oder Betriebsmitteln – also dem gesamten Umfeld um das Produkt – und ermöglicht ihnen die Freilegung neuer Ressourcen. Aus dieser Philosophie heraus entwickeln sich ungeahnte Potenziale in Form neuer Prozesse und Geschäftsmodelle. Anstatt nur ein Produkt zu liefern, könnte die Wertschöpfungskette schon in der Produktauswahl ihren Anfang haben, sich über die Implementierung erstrecken und im Nachgang auf Betrieb und Wartung erweitert werden. Dies würde die Umsetzung eines nutzungsabhängigen Abrechnungsmodells ermöglichen.

Unternehmen können also einzelne Aspekte der Industrie 4.0 aufgreifen, bestehende Systeme hinterfragen und eine vergleichsweise simple Maschinendatenerfassung einführen. Nach nur wenigen Stunden soft- und hardwareseitiger Implementierung erhalten sie Zugang zu einer höheren Datenqualität und somit zu weiteren Industrie-4.0-Maßnahmen. Für einen Entwicklungssprung sorgt jedoch erst die Ausrichtung der gesamten Wertschöpfungskette. Ein Unternehmen sollte kein festes Schema auf diesem Evolutionspfad suchen, sondern Industrie 4.0 vielmehr als gemeinsamen Ideentreiber sehen, der auf Basis der heutigen technologischen Standards neue Möglichkeiten eröffnet.

Bernhard Falkner

ist Geschäftsführer Industrie Informatik

(mns)

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