![Der Kunde-zu-Kunde-Prozess vom Lieferantenmanagement bis zur Ausgangslogistik beim Kunden](assets/images/c/kunde-zu-kunde-prozess-c-neonex-b76638d3.png)
Vor dem Hintergrund fehlender Arbeitskräfte, Ausfällen in globalen Lieferketten und steigenden Kundenanforderungen an Lieferzeit und Individualisierung, müssen Elektronikfertiger sich dringend Gedanken über Effizienz und Effektivität ihrer Prozesse machen. Dafür braucht es ein ganzheitliches Neudenken der Wertschöpfung. (Bild: Neonex)
Zugegeben: Automatisierung und Digitalisierung von Produktions- und Geschäftsprozessen sind keine neuen Ideen und wurden als Industrie 3.0 und 4.0 scheinbar ausreichend diskutiert. Trotzdem sind diese beiden Themen der Hebel für die Sicherstellung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie. Doch mit welchem Ansatz? In dem Automatisierungs- und Digitalisierungsanwendungen im gesamten Wertstrom horizontal und vertikal vernetzt werden – der eigentliche Gedanke der Industrie 4.0.
Aktuelle Megatrends sorgen durch zunehmende Kundenbedarfsschwankungen und große Produktportfolios für eine Komplexität, mit denen der Großteil der produzierenden Unternehmen erst umzugehen lernen muss. Viele produzierende Unternehmen haben bereits erste Automatisierungs- und Digitalisierungs-Use-Cases umgesetzt und kleinere Effizienzpotentiale aufgedeckt – ein größerer Nutzen ist bisher aber oft ausgeblieben. Eine Perspektiverweiterung und das Re-Design bestehender Wertströme sind der Schlüssel dafür.
Warum bei der Effizienz durch Automatisierung der gesamte Prozesses beobachtet werden muss
Ein Beispiel ist eine Investition eines Elektronikherstellers in eine vollautomatisierte Montagelinie für Elektronikkomponenten zur Senkung der Herstellkosten. Die tatsächlichen Herstellkosten stiegen aber nach Installation der Anlage, da diese unerwartet für Störungen, Ausschuss und Nacharbeit sorgte. Die Ursache lag in den unterschiedlichen Fertigungstoleranzen der einzelnen Kavitäten einer vorgelagerten Spritzgussmaschine. Die Montagelinie konnte mit diesen wechselnden Toleranzen auf Grund fehlender Informationen über die jeweilige Kavität des Vorprozesses keinen stabilen Prozess erreichen. Die Lösung lag in der digitalen Vernetzung der Spritzgussmaschine mit der automatisierten Montagelinie. Die Kavitäten der unterschiedlichen Werkzeuge wurden digital erfasst und die Montagelinie entsprechend darauf justiert, so dass die Probleme beseitigt werden konnten und die geplanten Ergebnisse erzielt wurden.
Die konkrete Änderung lag darin, die Spritzgussteile der verschiedenen Kavitäten getrennt voneinander zu sammeln und zu lagern, um den Montageautomaten später auf die Toleranzen der Kavitäten zu justieren. Dafür wurden die Behälter, in denen die Teile gelagert wurden, mit Barcodes versehen, um diese Teile entsprechend zu identifizieren und den Automaten entsprechend einstellen zu können.
Dies ist ein Beispiel für einen Produktionsprozess, das aufzeigt, dass die erhofften Ergebnisse oft nicht eintreten, wenn nur einzelne Probleme oder Potentiale – aber nicht der Gesamtprozess – betrachtet und bearbeitet werden. Als Beispiel für Geschäftsprozesse können dagegen moderne ERP-Systeme dienen, für deren Umstellung und Implementierung Unternehmen hohe Millionenbeträge ausgeben.
Der Grund dafür ist oft die zu enge Fokussierung auf einzelne Prozesse und das fehlende übergreifende Prozessverständnis. Dies führt nicht selten dazu, dass Optimierungen nicht wie erhofft eintreten, da wichtige Informationen fehlen, die an anderer Stelle entstehen oder benötigt werden.
Im Fall der Produktionsplanung können das falsche Planungsparameter, fehlende Echtzeit-Informationen über begrenzte Kapazitäten, Störungen, usw. sein, die eine Planung fast zwangsläufig fehlerhaft macht. Die Konsequenz ist, dass die Produktionsmitarbeiter weiterhin mit Excel planen. Excel-Tabellen werden bei vielen Unternehmen vor allem für zwei Einsatzzwecke genutzt: Die Produktions- und die Mitarbeiterplanung.
- Bei der Produktionsplanung geht es vor allem um die Optimierung der Reihenfolgeplanung und die Rüstzeitoptimierung.
- In der Mitarbeiterplanung geht es zum Beispiel darum, welche Mitarbeiter welche Teile fertigen können – und wann sie es zum Beispiel aufgrund von Urlaub oder Krankheit nicht können. Dies sind Maßnahmen, die sinnvollerweise in Systemen abgebildet werden können und sollten; vielen Unternehmen aber aufwändiger erscheinen als zum Beispiel Rüstmatrizen, die in Excel gebaut werden.
Horizontale Vernetzung von Mensch, Technologie und datengetriebenen Prozessen
Ein anderes Beispiel sind die unzähligen Excelvarianten, die Unternehmen zur jährlichen Budget- und Investitionsplanung nutzen - mit allen potentiellen Fehlerquellen. So fragen sich Mitarbeiter häufig, ob sie durch zusätzliches Wissen oder Informationen eine effizientere Lösung gefunden hätten. Der Schlüssel für eine deutliche Performance-Steigerung liegt deshalb in der Betrachtung der gesamten Geschäftsprozesse bzw. aller Wertströme des Unternehmens. Echte Verbesserungen entstehen erst, wenn alle Bereiche des Wertstroms horizontal und vertikal vernetzt werden.
An dieser Stelle zeigt sich auch der wahre Nutzen von Industrie 4.0, die nicht etwa eine “noch bessere” Digitalisierung, sondern die horizontale & vertikale Vernetzung aller von Mensch, Technologie und Prozess mit Daten und Informationen meint. Durch die heutigen Möglichkeiten kann diese Vernetzung sowohl vertikal als auch horizontal ermöglicht werden. Die Konsequenzen sind nicht nur effizientere und effektivere Prozesse, sondern auch deutlich gesteigerte daten- und faktenbasierte Unternehmensentscheidungen.
Beispiele hierfür sind: automatisierte Arbeitsanweisungen, die in MES-Systemen in Echtzeit aktualisiert werden, die personenbezogene automatische Anpassung von ergonomischen Arbeitsplätzen, die automatisierte visuelle Qualitätsprüfung von Montageteilen, die im “Closed Loop Verfahren” die Anlagen “lernen lassen”, und vieles mehr. Auch die Daten- und Planungsqualität, die durch Verknüpfung von ERP- und MES-System deutlich verbessert wird, beweist die Notwendigkeit der Vernetzung für nachhaltige Verbesserungen.
Bei Bestrebungen, die Daten und Informationen zu erheben, muss unbedingt berücksichtigt werden, dass diese wertlos ist, wenn aus den Daten nicht systematisch Erkenntnisse gewonnen werden, auf deren Basis Verbesserungsprozesse angestoßen werden. Dies demonstriert ein weiterer Use Case aus der Elektronikbranche
Der Case basiert auf der eindeutigen Markierung von Werkzeugen mit dem Ziel, eine Transparenz über den Lebenszyklus der Werkzeuge im Betrieb und in der Instandhaltung zu erhalten. Die Erfassung dieser Nutzungs- und Instandhaltungsdaten sollte die Basis für eine optimierte Neubeschaffung sein. Die entscheidenden Abteilungen kannten das Projekt jedoch nicht und die erhobenen Daten wurden nie genutzt. Erst mit der Einbindung dieser Abteilungen und der Einführung eines strukturierten Prozesses, konnten die Verbesserungen realisiert und sogar übertroffen werden, da noch viele gute Verbesserungsansätze eingebracht wurden.
Fazit
Was bedeutet dies konkret für Unternehmen? Wie sollte man eine solche End-2-End-Transformation mit horizontaler und vertikaler Vernetzung aller Wertstromstufen mit dem Ziel der Sicherstellung ihrer Wettbewerbsfähigkeit vor dem Hintergrund steigender Komplexität starten?
Wir erleben es immer wieder, dass Kunden bereits großartige einzelne Pilot Use Cases realisiert, aber weder den Rollout noch eine ganzheitliche Transformation gemeistert haben.
An dieser Stelle müssen Unternehmen den Rahmen für eine ganzheitliche Betrachtung ihrer Geschäftsprozesse und Wertschöpfung schaffen und konsequent den Total Cost of Ownership-Ansatz berücksichtigen. In einer solchen Potentialanalyse, z. B. entlang des gesamten “Kunde – Kunde” Prozesses, entstehen nicht nur Ideen für eine notwendige Vernetzung, Digitalisierung und Automatisierung, sondern gleichzeitig ein deutlich besseres Verständnis aller Beteiligten für den Gesamtprozess.
Dies bedeutet zwar eine gewisse Anfangsinvestition, die sich aber vor allem auf die eigenen Mitarbeiterauswirkt und so Motivation und Identifikation steigert. Außerdem können falsche und teure Entscheidungen vermieden werden – und es ist schlichtweg der einzige Weg, um die Komplexität dieser notwendigen Transformation zu beherrschen und langfristig die eigene Wettbewerbsfähigkeit sicherzustellen.