Die Fertigung von Motorblöcken oder Zylinderköpfen ist in der Automobilindustrie heute nahezu vollständig automatisiert: Fest auf einen Werkstückträger montiert, durchlaufen die gegossenen Rohlinge Schritt für Schritt Bohr-, Fräs-, Schneide- und Schleifoperationen. In Fällen, bei denen eine Vielzahl mitunter komplexer mechanischer Verfahren angewendet werden, haben sich Bearbeitungszentren mit endlos drehenden Rundtischen bewährt: Weil das zu bearbeitende Teil praktisch von allen Seiten frei zugänglich ist, lassen sich an ein und demselben Ort mehrere Arbeitsgänge ausführen. Ein Wechsel des Werkstückträgers entfällt.
MAG IAS ist ein international agierender Hersteller von Werkzeugmaschinen und Fertigungssystemen, der unter anderem in Eislingen bei Göppingen produziert. Für die Großbestellung eines deutschen Automobilherstellers von mehreren Dutzend Doppelspindel-Bearbeitungszentren des Typs Specht-450-Duo für ein Motorenwerk, suchte das Unternehmen eine neue, zuverlässige Lösung für die Datenübertragung für die Rundtischsysteme. Das wurde nötig, da der Kunde mehr Statusinformationen vom Rundtisch erhalten wollte: Bei den mit einer Schwenkbrücke und zwei Rundtischen ausgestatteten Fertigungsautomaten gilt es, vor und während des Bearbeitungsprozesses kontinuierlich verschiedene Sensordaten zu übertragen. Dazu gehören der exakte Sitz des Werkstückes und die korrekte Position sowie der Spanndruck. Anschließend müssen die gesammelten Daten zur Steuerung gelangen. Darüber hinaus muss die aktuelle Temperatur des Werkstückes über einen PT100-Temperatursensor in ein analoges Stromsignal transformiert und anschließend übertragen werden.
Induktion statt Kabel
Ein kabelgebundenes System schied von vornherein aus, da hiermit der Rotationsweg der Rundachse mittels Software und Festanschlägen begrenzt werden müsste, um Beschädigungen auszuschließen. Ralph Davis, Entwicklungsleiter Steuerungstechnik bei MAG, erklärt: „Damit kann die gewünschte Position nicht in jedem Fall über den kürzesten Weg angefahren werden. Dies hätte zu längeren Taktzeiten geführt und war für uns nicht akzeptabel.“ Schleifringe oder Funk-basierte Systeme kamen aus verschleiß- und wartungstechnischen Gründen nicht in Betracht. Letztere wären ohne eine Batterie im Sender nicht zu realisieren gewesen. Gegen Schleifringe sprach auch die geringe Bauhöhe der Rundtischeinheit, die den für die erweiterte Signalübertragung erforderlichen Einbau zusätzlicher Schleifringe verhinderte.
Um bei endlos drehender Rundachse eine stetige und positionsunabhängige Datenübertragung sicherzustellen, entschied sich das Unternehmen für die induktiven Koppler von Balluff. Das Übertragungssystem, das in der Achse des Rundtisches sitzt, besteht aus einem Sender (Remote) und einem Empfänger (Base) von jeweils 100 mm Länge. Am feststehenden Teil der Schwenkbrücke, die mechanisch mit dem Maschinengestell verbunden ist, sitzt die elektrisch mit der Steuerung verbundene Base-Einheit. Am rotierenden Teil – dem Rundtisch – befindet sich die Remote-Einheit, die mit den Sensoren in Kontakt steht. Die Stirnflächen des Übertragungssystems in der Bauform M30 stehen mit einem Abstand von bis zu 5 mm einander gegenüber und übertragen Daten, Signale und die erforderliche Sendeenergie über den Luftspalt. Die berührungslose Übertragungsform ist verschleiß- und wartungsfrei, einzelne Späne und Kühlschmierstoffe können dem in Schutzart IP67 ausgelegten System nichts anhaben.
Mit I/O-Link die Signale bündeln
„Die Lösung unterstützt zudem IO-Link“, fügt Davis hinzu. Unabhängig von der berührungslosen Datenübertragung ist der Kommunikationsstandard eine digitale bidirektionale Schnittstelle, die unterhalb der Busebene für einen unkomplizierten Signal- und Datenaustausch sorgt. Außerdem besteht damit die Möglichkeit, 16 digitale Sensoren oder vier Analogsignale, zum Beispiel von Temperaturfühlern, und acht digitale Sensoren, die zum Beispiel die Spannsituation ermitteln, zu übertragen. Gerade diese Kombinationsmöglichkeit von Analogsignalen und Sensoren war für diese Applikation ausschlaggebend. Der Induktivkoppler überträgt das IO-Link-Signal – IO-Link-Master und -Hub müssen zusätzlich montiert werden. Dies ermöglicht dem Kunden einen Master für sein Bussystem und einen Hub für seine anzuschließenden Sensoren auszuwählen, ob analog oder digital. Damit ist das Übertragungssystem universell und lässt sich unabhängig vom jeweiligen Bussystem einsetzen. Für alle Übertragungsaufgaben kommen ungeschirmte dreiadrige Standardkabel zum Einsatz. IO-Link ist abwärtskompatibel zu allen Standardsensoren und unempfindlich gegenüber Störeinflüssen. Sonderkabel sowie zusätzliche Anschaltboxen sind nicht nötig, da M12-Steckverbinder sämtliche Verbindungen herstellen. Acht digitale Sensoren lassen sich an den Steckbuchsen des Sensor-Hubs anschließen. So sammelt er auf dem sich drehenden Rundtisch die Signale der Sensoren für die Positions- und Wegmesserkennung sowie die der Druckschalter und Temperaturfühler. Anschließend überträgt der Hub die Daten mittels Induktivkoppler berührungslos an den IO-Link-Master und dieser gibt sie an die Steuerung weiter.
Nach einer Einführungsphase stattet MAG sämtliche Rundtischsysteme mit dieser Übertragungs- und Verkabelungslösung aus. Dies ermöglicht Kunden einen durchgängigen und umfassenden Blick auf den Ort des Geschehens mit einer Vielzahl von Remote-Diagnose- und Parametrier-Möglichkeiten. Die MTTF (Mean Time To Failure, die mittlere Betriebsdauer bis zu einem Ausfall) beträgt für den Sender 87 und für den Empfänger 88 Jahre.
Eberhard Kauderer
(dl)