Logo des Robotik-Unternehmens Intrinsic

Mit Intrinsic will die Google-Mutter Alphabet die Robotik noch mehr Unternehmen einfach zugänglich machen. Lesen Sie, was dahintersteckt. (Qulle: Intrinsic)

„Wir sind ein Unternehmen für Robotiksoftware und künstliche Intelligenz, das sich zum Ziel gesetzt hat, Industrieroboter benutzerfreundlicher, kostengünstiger und flexibler zu machen, damit mehr Menschen sie zur Herstellung neuer Produkte, Unternehmen und Dienstleistungen einsetzen können.“ So definiert Torsten Kroeger, CTO des neuen Unternehmens Intrinsic, in einem LinkedIn-Post die Vision der Google-Tochter. Ebenfalls an Bord sind Namen aus Industrie und Forschung wie Wendy Tan White als CEO (u.a. Gründerin von Moonfruit), Stefan Schaal  (u.a. ehemaliger Professor und Direktor des Max-Planck-Instituts für intelligente Systeme), Rainer Bischoff (u.a. ehemals Kuka) sowie Ravi Kolluri (u.a. ehemals Google).

Die Vision erinnert beispielsweise an den Deutschen Robotik Verband, der „den Standort Deutschland und Europa durch den Einsatz von einfachen Roboterlösungen attraktiv zu halten und zukunftsfähig zu machen“, wie der Vorsitzende Helmut Schmid es im Interview formulierte.

Was plant Intrinsic?

Laut einem Blog-Post von Wendy Tan White will Intrinsic „das kreative und wirtschaftliche Potenzial der Industrierobotik für Millionen weiterer Unternehmen, Unternehmer und Entwickler erschließen“. Das Unternehmen möchte dafür Software-Tools entwickeln, die Industrieroboter einfacher, kostengünstiger und flexibler machen, damit „mehr Menschen sie für die Herstellung neuer Produkte, Unternehmen und Dienstleistungen einsetzen können“. Das klingt zwar weder neu- noch einzigartig, doch mit einer potenziellen Marktmacht und dem entsprechenden Kapital des Mutterkonzerns, könnte aus den Versprechen mehr werden. Denkbar wäre also, dass Intrinsic Ansätze, die es bereits auf dem Markt gibt in einem Unternehmen vereint.

Weiterhin heißt es: „Indem wir den Zugang zu diesen unglaublichen Produktivitätsinstrumenten ermöglichen, hoffen wir, einen Wandel hin zu einer nachhaltigeren und gerechteren Art der Herstellung von Dingen zu unterstützen.“ Konkret meint Intrinsic damit, dass sie – durch den vereinfachen Einsatz von Robotern – die Produktion näher an den Verbraucher heranrücken möchten und so die Umwelt schonen. Denn laut Blog-Eintrag werden „derzeit 70 % der weltweiten Waren in nur 10 Ländern hergestellt. Das bedeutet, dass die meisten Dinge weit entfernt von ihren Endverbrauchern hergestellt werden, was die weltweiten Transportemissionen in die Höhe treibt und vielen Ländern und Unternehmen wirtschaftliche Chancen entgehen lässt.“ Selbst Länder mit einem starken Fertigungssektor bräuchten Hilfe, um die Nachfrage zu befriedigen: Allein in der US-amerikanischen Fertigungsindustrie könnten laut Wendy Tan White bis 2030 voraussichtlich 2,1 Millionen Stellen unbesetzt bleiben.

Wie will Google die Industrierobotik verändern?

Laut Intrinsic hat sich das manuelle und maßgeschneiderte Verfahren, mit dem Robotern beigebracht wird, wie sie etwas zu tun haben, in den letzten Jahrzehnten kaum verändert und schränkt derzeit ihr Potenzial ein, mehr Unternehmen zu unterstützen. Spezialisierte Programmierer können laut Blog-Post Hunderte von Stunden damit verbringen, Roboter so zu programmieren, dass sie bestimmte Aufgaben wie das Schweißen zweier Metallteile oder das Zusammenkleben eines Elektronikgehäuses ausführen. Und viele geschickte und heikle Aufgaben, wie das Einstecken von Steckern oder das Verlegen von Kabeln, seien für Roboter nach wie vor nicht machbar, weil ihnen die Sensoren oder die Software fehlten, die sie benötigen, um ihre physische Umgebung zu verstehen.

Demgegenüber stehen Ansätze von Firmen wie Wandelbots mit dem Tracepen, der ein "Vorzeichnen" der Bewegung für den Roboter ermöglicht oder das kürzlich veröffentlichte Video von Artiminds, wie ein Roboter ein biegeschlaffes Kabel montiert.

In den letzten Jahren habe das Team von Intrinsic erforscht, wie sie Industrieroboter in die Lage versetzen können, zu erkennen, zu lernen und automatisch Anpassungen vorzunehmen, während sie ihre Aufgaben erledigen, sodass sie in einem breiteren Spektrum von Umgebungen und Anwendungen eingesetzt werden können. „In Zusammenarbeit mit Teams bei Alphabet und mit unseren Partnern in realen Produktionsumgebungen haben wir Software getestet, die Techniken wie automatische Wahrnehmung, Deep Learning, Reinforcement Learning, Bewegungsplanung, Simulation und Kraftkontrolle verwendet.“

Auf der Homepage des Unternehmens sind Roboter diverser Hersteller zu sehen. Darunter sind Cobots von Universal Robots sowie klassische Roboter von Yaskawa und Kuka. Eine Festlegung auf einen Hersteller oder einen Typen scheint es demnach nicht zu geben.

Das Video sieht spannend aus, auch wenn von der Technik beziehungsweise Software dahinter nichts zu sehen ist: Zwei Roboter setzen Wahrnehmung, Kraftkontrolle und Multi-Roboter-Planung ein, um ein einfaches Möbelstück zusammenzubauen.
Das Video sieht spannend aus, auch wenn von der Technik beziehungsweise Software dahinter nichts zu sehen ist: Zwei Roboter setzen Wahrnehmung, Kraftkontrolle und Multi-Roboter-Planung ein, um ein einfaches Möbelstück zusammenzubauen. (Bild: Intrinsic)

Was macht Intrinsic genau?

In einem Fall hat Intrinsic einen Roboter per künstlicher Intelligenz (KI) in zwei Stunden darauf trainiert, eine USB-Verbindungsaufgabe auszuführen, deren Programmierung laut eigenen Angaben hunderte von Stunden dauern würde. In anderen Tests hat das Unternehmen mehrere Roboterarme so koordiniert, dass sie eine architektonische Installation und ein einfaches Möbelstück zusammensetzen. Nichts davon sei heute realistisch oder erschwinglich zu automatisieren - und es gebe Millionen anderer Beispiele wie dieses in Unternehmen auf der ganzen Welt. Und genau hier will Intrinsic einsteigen. Es sieht das Potenzial, mit seiner KI-unterstützen Software „den Zeit-, Kosten- und Komplexitätsaufwand für den Einsatz von Industrierobotern radikal zu reduzieren - und damit auf ihr langfristiges Potenzial, bei einer viel breiteren Palette von Problemen zu helfen und die Vielfalt von Gütern, die kostengünstig und nachhaltig produziert werden können, zu erhöhen.“

Intrinsic ist nicht Googles erster Vorstoß in die Robotik

Instrinsic entstammt aus Alphabets Forschungsabteilung "X, the moonshot factory", die sich mit den Themen Lebensmittelversorgung, saubere Energie, Konnektivität, Mobilität, Logistik und Gesundheit beschäftigt. Die Abteilung wurde geschaffen, um die ambitionierten Ziele der Google-Gründer umzusetzen. Zu den weiteren erfolgreichen und weniger erfolgreichen Projekten aus der Ideenschmiede zählen Google Glass, Waymo, Project Loon und Project Wing.

Instrinsic ist jedoch nicht Alphabets erster Gehversuch auf dem Gebiet der Robotik: Ende 2013 wurde die MIT-Ausgründung Boston Dynamics gekauft. Diese zeichnet sich vor allem durch humanoide und Lastenroboter wie den tanzenden Atlas oder den "Hund" Spot aus. 2017 verkaufte der Mutterkonzern von Google das Unternehmen an die japanische Softbank-Gruppe. Google habe entschieden, dass von Boston Dynamics in den nächsten Jahren keine vermarktbaren Produkte zu erwarten seien, schrieb damals der Finanzdienst Bloomberg. Bei Intrinsic soll das sicher anders werden.

Wie geht es mit Intrinsic weiter?

Es ist keinefalls so, dass Intrinsic aus dem Nichts entsteht. Laut Blog-Post wurde bereits seit fünf Jahren an der Technologie entwickelt. Mit der Gründung will das Unternehmen nun „die Rapid-Prototyping-Umgebung der Moonshot Factory  verlassen, um uns auf die Entwicklung unseres Produkts und die Validierung unserer Technologie zu konzentrieren. Wir sind derzeit auf der Suche nach Partnern aus der Automobil-, Elektronik- und Gesundheitsbranche, die bereits Industrierobotik einsetzen und gemeinsam lernen wollen.“

Dafür braucht das Unternehmen auch neue Mitarbeiter. Konkret gesucht werden KI-Experten, Software-Ingenieure oder Robotike, die neue Technologien entwickeln wollen.

Mit Alphabet beziehungsweise Google steigt nun ein weiterer Tech-Riese in die Automatisierung der Industrie ein. Zur Re:invent 2020 hatte Amazon AWS Monitron vorgestellt, ein System zur vorrausschauenden Wartung (predicitive maintenance). Auch Microsoft hatte auf der virtuellen SPS 2020 seinen Metrics Advisor vorgestellt, der cloudbasiertes machine learing in der Datenanalyse ermöglicht.

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