Die wesentliche Herausforderung für jeden Steckverbinder-Hersteller ist die Erfüllung maximaler technischer Leistungen bei kleinster Baugröße. Im Industriebereich heißt Leistungsfähigkeit vor allem höhere Datenübertragungsraten. Starke Triebkräfte dafür sind die Automatisierungstechnik und speziell auch Industrie 4.0; diesen Trend sehen die hier befragten Hersteller von Steckverbindern ganz überwiegend so. Ein weiterer Trend ist die zunehmende Modularisierung von Steckverbindern, die mit verschiedenen Einsätzen, Kontakten, Rahmen und Gehäusen unterschiedlichsten Kundenanforderungen gerecht werden können. Die Robustheit der Steckverbinder wird zwar nicht allseits betont, wohl weil ein Stecker grundsätzlich mehr oder weniger viele Steckzyklen aushalten muss. Aber Robustheit hat überall dort eine besondere Bedeutung, wo die Umgebungsbedingungen wenig komfortabel sind, wie in Maschinen- und Produktionsanlagen, da heißt Robustheit erhöhte Temperaturen, Feuchtigkeit, Vibrationen.
Eckdaten
- Klein, leistungsfähig, robust und modular – das sind vier wesentliche Produkttrends bei den Industrie-Steckverbindern.
- Kleinstmögliche Baugröße darf nicht zu Lasten der notwendigen Robustheit und Übertragungssicherheit gehen.
- Höhere Leistungsfähigkeit heißt vor allem höhere Datenübertragungsraten durch die Automatisierungstechnik (Industrie 4.0, zunehmende Sensorik).
- Die Robustheit wird vor allem von Herstellern betont, die Steckverbinder für Maschinen und Anlagen bauen, die unter rauen Umgebungsbedingungen arbeiten.
- Modularisierte Steckverbinder können mit verschiedenen Einsätzen, Kontakten, Rahmen und Gehäusen vielen unterschiedlichen Anforderungen gerecht zu werden.
Standard oder kundenspezifisch?
Nach Normen und Standards gefertigte Industrie-Steckverbinder decken den weitaus größten Teil des Bedarfs ab, aber im High-Tech-Bereich oder in der Medizintechnik sind kundenspezifische Lösungen (Bild 1) vielfach unabdingbar. Die aktuelle Entwicklung schätzt der ZVEI, Andre Beneke, so ein: „Bei Steckverbindern gibt es neben den genormten Ausführungen wie RJ45, USB, HDMI und M12 vielfältige kundenspezifische Lösungen. Damit gehen die Steckverbinder-Hersteller auf produktspezifische Anforderungen wie vorhandene Bauräume und physikalische Gegebenheiten am Einsatzort wie Vibration, Klima und Temperatur ein. Außerdem setzen die Anwender kundenspezifischer Lösungen gezielt Präferenzen und grenzen sich von Mitbewerbern ab: Manche Anwender sind deshalb stärker an eigenständigen Lösungen interessiert als an Steckkompatibilität.“
Allgemeine Trends in der Entwicklung
Phoenix Contact aus Blomberg sieht die Steckverbinder-Entwicklung neben den eingangs genannten Anforderungen von weiteren Bedürfnissen geprägt: „Die Gerätehersteller setzen auf eine Anschlusstechnik, die prozesssicher zu montieren und schnell zu verdrahten ist, mit der hohe Leistungen, Datenraten und Signale sicher übertragen werden können und die in unterschiedlichen Applikationen eingesetzt werden kann“, erklärt Franz-Josef Niebur, Leiter Produktmarketing bei Pluscon Field Device Connectors bei Phoenix Contact. Als Beispiele dafür führt er Hochstrom-Durchführungsklemmen und Hybridsteckverbinder von M12 bis M40 an (Bild 2).
Molex, einer der großen, international agierenden Anbieter der Steckverbinder-Branche, formuliert, welche fertigungstechnischen Konsequenzen sich aus dem Trend zur Miniaturisierung und höheren Datenraten ergeben: „Die geforderte Kontaktdichte erfordert immer präzisere Konstruktionen“, erklärt Herbert Endres, Director of Technology Marketing von Molex in Walldorf. „Diese können nicht mehr durch Einzelkontakte in einem Gehäuse realisiert werden, sondern mit einem als Leadframe gestanztem Kontaktträger, der anschließend partiell veredelt und umspritzt wird. Diese sogenannten Wafer werden dann je nach Anforderung vertikal oder horizontal gestapelt und mit Schirmung beziehungsweise Gehäusen versehen und ergeben eine Steckverbinderhälfte.“ Dies gelte sowohl bei Backplane-Verbindern (Impact oder Impel) als auch für Ein-/Ausgabeverbinder (USB-C), sagt Endres. „Andererseits werden bei Leistungssteckverbindern mit Stromstärken größer fünf Ampere zuverlässigere Federkontaktsysteme mit Vielfachkontaktgabe entwickelt“, fährt er fort und verweist dabei auf die Steckverbinder-Baureihen Nano-Fit (Bild 3) und Mega-Fit.
Der deutsche Hersteller ODU aus Mühldorf am Inn bestätigt auch die beiden Dauertrends zur Miniaturisierung beziehungsweise mehr Funktionalität auf weniger Raum und höheren Datenübertragungsraten (Bild 4). Thomas Irl, Geschäftsleiter Vertrieb Europa, stellt ergänzend fest: „Dabei müssen alle Produkte trotz gesteigerter Funktionalität in kürzeren Entwicklungszeiten realisiert werden und unterliegen einem steigenden Druck was Design-to-Cost anbelangt.“ Auf diese Herausforderung sei das Unternehmen bestens eingestellt.
Für den japanischen Steckverbinder-Hersteller Yamaichi ist Industrie 4.0 ein treibendes Element. „Grundsätzlich wächst der Bedarf“, erläutert Manuela Gutmann, Division-Managerin Connector Solutions von Yamaichi Europe mit Sitz nahe bei München. „Dabei werden IP-Schutz und Datenraten zentrale Themen bleiben.“ Außerdem wächst der Bedarf bei hybriden Steckverbindern (Bild 5), die Leistung, Signale und Daten kombiniert übertragen, sagt Gutmann. Und noch eine Entwicklung hat sie ausgemacht: „Auch für Produktionsprozesse wird die drahtlose Kommunikation zunehmend interessanter. Und auch die Frage nach dem intelligenten Steckverbinder ist weiterhin ein zentrales Element.“
Ethernet und Störstrahlung
Inotec-Electronics aus Lauffen am Neckar ist ein Nischenanbieter, der sich ganz auf störstrahlsichere Steckverbinder wie etwa die die klassischen Schnittststellen Sub-D und M12 (Bild 6) konzentriert. Der Geschäftsführer Martin Danielczick sieht aus dieser Perspektive den Markt so: „Die zunehmende Belastung elektronischer Schaltungen durch drahtlose Datenübertragung wie WLAN oder RFID und Funkkommunikation wie Mobilfunknetze stellt das industrielle Umfeld, aber auch das Transportwesen, vor große Herausforderungen. Mit der zunehmenden Übertragungsgeschwindigkeit wie zum Beispiel bei Fast Ethernet oder Gigabit-Ethernet ist die Empfindlichkeit gegen Störstrahlungseinflüsse gestiegen. Eine vollmetallische Schirmung und eine niederohmige Schirmanbindung sind hier nach wie vor der effizienteste Schutz dieser Steckverbindungen.“ Darüber hinaus sieht Danielczick einen zunehmenden Bedarf an frei konfektionierbaren Sonderlösungen. Mit der Umstellung bestehender Infrastrukturen auf neue Kommunikationstechniken werden auch Steckverbinder mit zusätzlichen Funktionen gesucht, etwa mit integriertem Impedanzwandler.
Für den Steckverbinder-Hersteller Harting aus Espelkamp sieht Frank Quast, Leiter Produktmanagement bei Harting Electric, zwei wesentliche Entwicklungslinien bei den Industrie-Steckverbindern (Bild 7): „Erstens die Optimierung, das heißt die Packungsdichte von Kontakten steigt, das Handling wird einfacher und die Performance besser. Und zweitens die Implementierung neuer Funktionalitäten, etwa wenn Steckverbinder die Identifikation von Maschinenteilen und Komponenten ermöglichen, Abfragemöglichkeiten zur vorausschauenden Instandhaltung bieten oder Schnittstellenaufgaben in der Datenkommunikation erfüllen.“
Franz Binder in Neckarsulm, ein Hersteller von Rundsteckverbindern (Bild 8), bestätigt für diesen Steckverbindertyp den Miniaturisierungstrend. „Standardisierung sowie die Forderung nach immer höheren Datenübertragungsraten bestimmen zusätzlich das Anforderungsprofil“, sagt der Vertriebsleiter Werner Fröhlich. So kann man im Ergebnis feststellen, „dass sich für die unterschiedlichsten Anwendungsfelder verstärkt die M12- und M8-Stecker durchsetzen“.
Miniaturisierung ohne Ende?
André Beneke vom ZVEI sieht die generelle Entwicklung so: „Das Streben nach mehr Effizienz in der Industrieproduktion führt in der Elektrotechnik zu immer kleineren, komplexeren und intelligenteren Systemen. Ermöglicht wird dies durch Digitalisierung, durch leistungsfähigere Prozessoren und Speicherelemente sowie die Vernetzung und Steuerung per Mikrosystem und/oder Internet. Voraussetzung für das Gelingen der Miniaturisierung sind Schnittstellen, die das Miteinander der Systeme ermöglichen.“
„Mehr Funktionen im Steckverbinder bei gleicher Baugröße – Thema Hybrid – sowie schrumpfende Bauform bei gleichem Funktionsumfang“, so sieht Franz-Josef Niebur von Phoenix Contact den wesentlichen Trend bei den Steckverbinder-Bauformen für die Industrie. Bei den Steckverbindungssystemen für Ethernet und Bussysteme in Industrieumgebungen werden nach seiner Einschätzung „RJ45 und M12 auch künftig den Markt dominieren“. Die verfügbaren Steckverbinder werden für die nächst höhere Datenübertragungsrate ertüchtigt. Niebur weiter: „Die Miniaturisierung zeigt sich auch bei M8 – dort geht es in Richtung 100-MBit-Übertragung – und auch die 1-GBit-Übertragung wird hier kommen. Am anderen Ende, etwa für Industrie 4.0, werden künftig Datenraten bis 100 GBit gefordert. Aber auch der Wunsch nach robusten Steckverbindern ist in Teilbereichen ein Trend.
Bei ODU sieht der Geschäftsleiter Vertrieb Europa, Thomas Irl, die Entwicklung bei den Baugrößen sehr ähnlich wie Phoenix Contact, Irl weist aber zusätzlich darauf hin, dass alle Produkte trotz gesteigerter Funktionalität in kürzeren Entwicklungszeiten realisiert werden müssen und stellt daher einem steigenden Druck fest, was Design-to-Cost anbelangt.
Yamaichi betont vor allem den Trend zu robusten Lösungen in der Industrie-Elektronik, auch wenn Handheld-Geräte und die weitere Integration von Sensorik in diesem Bereich eine Reduzierung der Baugröße fordern. „Bei Themen wie Qualität, Langlebigkeit, Temperaturverhalten, muss ein miniaturisiertes System nicht zwangsläufig schlechtere Eigenschaften aufweisen – mit entsprechendem Know-how in Design und Materialauswahl sind diese Anforderungen beherrschbar. Allerdings sind miniaturisierten Systemen im Hinblick auf Robustheit Grenzen gesetzt sowie bezüglich der Polzahl aufgrund der begrenzten Luft- und Kriechstrecken und somit zum Teil auch den Signalverläufen“.
Im Hinblick auf die Baugrößen bei Kabel-Geräteverbindungen sieht Molex bei Steckverbindungen mit Kontaktrastern von 0,5 mm das „wirtschaftliche Ende der Fahnenstange“ unter der Voraussetzung, dass diese dann immer noch 10.000 Steckzyklen (mit einem erweiterten Übergangswiderstandsfenster von 50 Milliohm) im Consumer-Bereich erfüllen müssen. Im industriellen Umfeld wird diese Miniaturisierung nach Einschätzung von Molex nicht unbedingt erforderlich sein, dafür sind redundante Kontakte und Korrosionsbeständigkeit und lange Lebensdauer im erhöhten Temperaturbereich gefordert, was durch Konstruktion, bessere Federmaterialien und zuverlässige Veredelung mit Lubrikation erreicht wird.
Miniaturisierung stößt an Grenzen
Bei Harting kommt es vor allem darauf an, dass die steigende Packungsdichte nicht zu Lasten des Handlings und der Unempfindlichkeit gegenüber Störungen geht. Der Hersteller setzt deshalb auf technische Lösungen, die die Komplexität von Steckverbindungen reduzieren und die Montage vereinfachen, wie zum Beispiel bei dem Stecksystem Ha-VIS Prelink, bei dem sich ein universeller Anschlussblock prozesssicher auf eine Vielzahl passender Steckgesichter aufrasten lässt.
Die Miniaturisierung liest sich bei Harting konkret so: Ein neuer Steckverbinder für den Leistungsbereich, Han 34 HPR Easycon, bietet auf einer Breite von 250 mm genug Platz für bis zu vier 650-A-Kontakte; bislang reichte der Bauraum in HPR-Gehäusen nur für drei 650 A-Kontakte. Im Signal-Bereich steigt die Packungsdichte. So kann das Han-DD-Quad-Modul beispielsweise bis zu 42 Han-D-Kontakte (10 A, 250 V) zur Übertragung von Signalen enthalten – also 25 % mehr als zuvor. Im Datenübertragungsbereich ersetzt das Format M8-D-kodiert zunehmend das Format M12-D-kodiert – der Durchmesser verringert sich, die Leistungsfähigkeit bleibt gleich.
Der Rundsteckverbinder-Hersteller Franz Binder (Binder Connectors) ist, was die Miniaturisierung anbelangt, „bereits an die Grenze des derzeit mechanisch Machbaren gegangen, beispielsweise beim M5-Steckverbinder“, meint Vertriebsleiter Fröhlich. „Ein Trend ist aber deutlich zu erkennen: höchstmögliche Daten-Übertragungsraten bei 360-Grad-Schirmung. Aber den einen Stecker, der für alle Anwendungsfelder geeignet ist, gibt es nicht, zumindest noch nicht.“
Steigende Datenraten treiben das Wachstum
„In Deutschland verzeichnen die Steckverbinder-Hersteller – seitdem die Konjunkturdelle im Anschluss an die Finanzkrise überwunden ist – wieder Umsatzzuwächse von etwa 2 % jährlich“, erklärte André Beneke, Vorsitzender der Fachabteilung Steckverbinder im Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI), kürzlich in einem Statement gegenüber der Redaktion. Nach seinen Worten bilden „die Steckverbinder-Hersteller bilden eine eigene, sich sehr gut entwickelnde Branche“.
Der Weltmarkt für Steckverbinder umfasste nach Zahlen des ZVEI im Jahr 2014 knapp 40 Milliarden Euro, davon hatte Deutschland einen Anteil von knapp 2,1 Milliarden Euro oder etwa 5,2 %. Die Kfz-Elektronik hatte 2014 hierzulande mit etwa 47 % den größten Marktanteil, gefolgt von der Industrieelektronik mit etwa 29 % und das restliche Viertel teilen sich die Telekommunikation mit 9 %, die Konsumelektronik mit 8 % und die Datentechnik mit 7 %. „Derzeit verzeichnen die Zulieferer für Datentechnik und Telekommunikation das stärkste Umsatzwachstum“, fügte Beneke hinzu.
Nach Benekes Einschätzung wächst die Bedeutung von Steckverbindern ganz allgemein, aber abhängig von den Trends in den jeweiligen Abnehmerbranchen. Die Situation in ihren Zielmärkten beurteilten die Hersteller derzeit überwiegend optimistisch. So sind laut Beneke durch die Energiewende, Elektromobilität und Informatisierung der Industrieproduktion Märkte mit großen Wachstumspotenzialen entstanden. Die Urbanisierung bringe viele Infrastruktur-Projekte mit sich, beispielsweise im öffentlichen Nahverkehr, Hochgeschwindigkeitszüge oder Autobahnen. Beneke: „Diese Projekte benötigen in der Regel ein umfangreiches Datenmanagement; zudem wird vermehrt Übertragungstechnik für Infotainment und/oder Entertainment eingesetzt. Der Bedarf an vorausschauender Instandhaltung wächst: Mehr Sensoren und mehr Datenauswertung bedeuten mehr Verbindungstechnik.“ Auch im Maschinen- und Anlagenbau würden die Datenraten steigen, erklärte Beneke fort. (dw)
Dr. Dieter Wirth
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Franz Binder GmbH + Co. elektrische Bauelemente KG
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